Munich RE Hauptversammlung: Umweltorganisationen fordern mehr Klimaschutz vom Branchenprimus

  • Expliziter Ausschluss der Versicherung neuer Öl- und Gasprojekte fehlt
  • Ausschluss von Vertragsrückversicherungen im Bereich Kohle kommt zu spät
  • Glaubwürdigkeit von fast 50 Jahren Klimaexpertise bei Munich RE gefährdet, wenn weltweit größter Rückversicherer seine Vorbildfunktion nicht ernst nimmt  

Zwei Tage vor der Hauptversammlung von Munich RE kritisieren die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald als Mitglied des internationalen Kampagnen-Netzwerkes Insure our Future gemeinsam mit dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre die fehlenden Klimaambitionen des weltweit größten Rückversicherers. [1] 

urgewald, Insure our Future und der Dachverband fordern von Munich RE insbesondere einen klaren Ausschluss der Versicherung von und Investition in neue Öl- und Gasprojekte, da diese die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels aus dem Pariser Klimaabkommen verhindern. 

Munich RE warnt schon seit fast 50 Jahren vor den katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise. Vorstandsvorsitzender Joachim Wenning hat die Dringlichkeit des Handelns im Rahmen der COP26 in Glasgow und gerade erst wieder in der Presse hervorgehoben und hierbei speziell die Transformation weg von fossilen und hin zu erneuerbaren Energien betont. [2] Trotzdem spricht Munich RE auf der eigenen Unternehmenswebsite weiterhin die Öl- und Gasindustrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette an und wirbt um Kunden, die „eine große Menge an Kohlenwasserstoffen“ handhaben. [3] Munich RE schließt bisher lediglich Öl- und Gasbohrungen in der Arktis und Anlagen zur Ölsandgewinnung von der Versicherung aus. Zudem will das Unternehmen seine CO2-Emissionen im Öl- und Gas-Versicherungsgeschäft bis 2025 um magere 5 Prozent verringern. Ausschlüsse für Versicherung von und Investitionen in neue Öl- und Gasprojekte jenseits von „unkonventionellen“ Öl- und Gasquellen fehlen aber bis heute. [4]

Dabei hat der Anfang April veröffentlichte dritte Teilbericht des Weltklimarats noch einmal deutlich gemacht, dass die aktuelle und geplante fossile Infrastruktur zu CO2-Emissionen führt, die die Erderwärmung weit über das 1,5-Grad-Limit hinauskatapultieren. [5] Der UN Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnete es gerade erst als moralischen und ökonomischen Wahnsinn, in neue fossile Infrastruktur zu investieren. [6] Bereits im vergangenen Jahr hat die Internationale Energieagentur (IEA) ein 1,5-Grad-Szenario veröffentlicht, in dem sie klar gemacht hat, dass keine neuen fossilen Energiequellen mehr erschlossen werden dürfen, wenn die Weltgemeinschaft das 1,5-Grad-Ziel einhalten will. [7] 

Aufgrund der Bedeutung von (Rück)Versicherungen für die Realisierbarkeit von fossilen Projekten liegt hier eine entscheidende Branchenverantwortung. Die direkten Munich RE-Wettbewerber Swiss RE und Hannover RE beginnen dem mittlerweile Rechnung zu tragen. [8] 

Regine Richter, Versicherungs-Kampaignerin bei urgewald: „Munich RE darf nicht nur vor der Klimakrise warnen und dann auf die Politik warten. Stattdessen muss Munich RE eine vollumfängliche Öl- und Gas-Richtlinie auf Konzernebene verabschieden, die speziell neue Öl- und Gasprojekte ausschließt. Sie sind ein absolutes No-Go aus Klimasicht – das muss Munich RE in seinem Geschäft klar machen, wenn das Unternehmen seine Glaubwürdigkeit behalten will.“ 

Im Vorfeld der Hauptversammlung hat die Organisation SumOfUs eine digitale Protestkampagne gestartet, die Munich RE auffordert, diese Lücke in der eigenen Öl- und Gas-Richtlinie zu schließen – die Petition hat, Stand heute, bereits über 34.500 Unterschriften erhalten. [10] 

Auch im Kohlebereich hat Munich RE noch Hausaufgaben zu erledigen. Munich RE hat zwar im Investitionsbereich den Ausschluss-Schwellenwert für Kohleunternehmen auf 15 Prozent gesenkt und schließt seit 2018 die Versicherung von Kohlekraftwerken und -minen aus, jedoch nur auf der Projektebene. Für sogenannte Vertragsrückversicherungen, bei der Erstversicherer oder ganze Gruppen von Risiken rückversichert werden, will das Unternehmen erst bis 2040 gänzlich kohlefrei sein. [11] Demensprechend ist Munich RE auch im Jahr 2021 erneut einer der wichtigsten Rückversicherer von PZU in Polen gewesen. [12] PZU ist ein Versicherungsunternehmen, das eine tragende Rolle für Polens Kohleindustrie spielt und bisher die Versicherung neuer Kohlekraftwerke und -minen nicht ausschließt. [13]

"Mit der Unterstützung des Kohlesektors untergräbt PZU mittel- und langfristig die Stabilität des Klimas sowie der polnischen Wirtschaft und verschlimmert die Luftverschmutzung, die unsere Gesundheit ruiniert. Die Aktivitäten von PZU beeinflussen die Verfügbarkeit und Qualität von Wasser und tragen somit zur Dürre bei. Wirtschaftlich führt die fortwährende Unterstützung der Kohleindustrie dazu, dass Polen denkbar schlecht auf eine rasche Transformation der EU-Wirtschaft in Richtung Null-Emissionen und dem damit verbundenen Ende des Kohlesektors bis 2030 vorbereitet ist“, kommentiert Kampaigner Bartosz Ostrowski von der polnischen Stiftung „Entwicklung – JA, Tagebauten – NEIN“.

Anmerkungen
[1] Ein entsprechender Gegenantrag zum Hauptversammlungs-Tagespunkt Entlastung des Vorstandes wurde eingereicht. https://www.kritischeaktionaere.de/munich_re/neue-oel-und-gasprojekte-duerfen-nicht-mehr-versichert-werden-unser-gegenantrag/

[2] https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/versicherer/rueckversicherer-munich-re-chef-krieg-ist-nicht-versicherbar-weil-er-ruinoes-ist/28248634.html 

[3] https://www.munichre.com/en/solutions/for-industry-clients/optimum-insurance-cover-for-oil-and-gas-companies.html

[4] https://www.munichre.com/de/unternehmen/sustainability/news/2022/2022-01-17.html UND
https://www.munichre.com/content/dam/munichre/contentlounge/website-pieces/documents/munich_re_sustainability_report_2021.pdf/_jcr_content/renditions/original./munich_re_sustainability_report_2021.pdf (S. 60)
Hinweis: Bis 2025 soll bei Investitionen im Öl- und Gasbereich eine Reduktion der CO2-Emissionen um 25-29% (verglichen mit 2019) erfolgen (2050 dann netto null). Bereits heute investiert Munich Re nicht mehr in Unternehmen, die mehr als 10 % ihres Umsatzes aus Öl aus Ölsanden (oder 15-30% aus Kohle) erwirtschaften.

[5] https://www.de-ipcc.de/355.php 

[6] https://www.un.org/press/en/2022/sgsm21228.doc.htm
[7] https://www.iea.org/reports/net-zero-by-2050
[8] Swiss Re hat gerade im März eine verschärfte Öl- und Gasrichtlinie veröffentlicht. Danach wird Swiss Re keine neuen Öl- und Gasfelder mehr (rück)versichern, die nach 2022 eine finale Investitionsentscheidung erhalten, außer, wenn sich die Unternehmen auf einem glaubhaften Net Zero 2050 befinden. https://reports.swissre.com/2021/assets/pdf/AR21_SURE_Sustainability_Report_2021.pdf (S.34)
Hannover Re hat ebenfalls gerade angekündigt, ab Mitte 2022 die fakultative Rückversicherung für Exploration und/oder Erschließung neuer Öl- und Gasreserven sowie den ausschließlichen Transport und die Verwahrung neuer Öl- und Gasreserven auszuschließen. https://www.hannover-rueck.de/1846904/geschaftsbericht-2021.pdf (S. 74)
[9] https://www.urgewald.org/medien/keine-versicherung-fuer-eacop-pipeline-urgewald-begruesst-entscheidung-munich-re
[10] https://actions.sumofus.org/a/the-insurance-monster-you-probably-never-heard-of  

[11] https://www.munichre.com/content/dam/munichre/mrwebsiteslaunches/2021-annual-report/MunichRe-Konzerngeschaeftsbericht-2021-de.pdf/_jcr_content/renditions/original./MunichRe-Konzerngeschaeftsbericht-2021-de.pdf  (S.30) UND
https://www.munichre.com/content/dam/munichre/contentlounge/website-pieces/documents/munich_re_sustainability_report_2021.pdf/_jcr_content/renditions/original./munich_re_sustainability_report_2021.pdf (S.60)

[12] PZU Management Board Report 2021, S. 176 links unten: https://www.pzu.pl/_fileserver/item/1536709

[13] PZU versichert über 85 Prozent des Kohlebergbaus und eine große Mehrheit der Stein- und Braunkohlekraftwerke in Polen. Weitere Details: https://rozwojtak-odkrywkinie.pl/en/news/item/570-poland-s-biggest-insurer-fails-to-act-on-fossil-fuels

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