Befragt man hierzu das Internet nach den Ursachen, so wird die Schuld gerne pauschal auf unseren aufrechten Gang geschoben, der unsere Wirbelsäule und deren Bandscheiben besonders beansprucht. Man spricht von Fehlbelastungen, zu langem Sitzen und zu wenig Bewegung.
Unser aufrechte Gang hat sich im Laufe von vielen vielen Millionen Jahren entwickelt. Daher will ich einfach nicht glauben, dass dies eine Fehlentwicklung war.
Doch ist es nun wirklich das Sitzen und die mangelnde Bewegung, die für die Rückenschmerzen verantwortlich sind? Oder falsch konstruierte Sitzmöbel, oder "der Stress"? Oder das "hin buckeln" zu schwerer Arbeit? Oder einfach nur die Körperhaltung? Oder doch "nur" psychisch? Mit Sicherheit ist überall was dran.
Viele Betroffene greifen in die Trickkiste unzähliger Programme, die sie lehren anders zu sitzen, oder sich mehr zu bewegen. Es gibt Therapierichtungen, die das Dehnen der Muskulatur empfehlen und solche die den Aufbau und Stärkung der Rückenmuskulatur propagieren. Tatsächlich schaffen es viele Menschen durch solche Übungs-Programme ihre Rückenschmerzen unter Kontrolle zu halten.
Doch mit ständigen Maßnahmen drohenden Rückenschmerzen entgegen arbeiten zu müssen, finde ich genauso bedenklich, wie das einnehmen von Schmerzmitteln.
Mir als Therapeut stellt sich hier die viel grundlegendere Frage. Die Frage nach der Ursache der Ursache. Warum sitzen wir so, wie wir sitzen? Wie entsteht die Körperhaltung? Wie entsteht die Fehlbelastung von Wirbelsäule und Bandscheiben?
Die Beobachtungen, aus meiner 22 jährigen Praxiserfahrung zeigen, dass bei Rückenschmerzen meist ganz bestimmte Körperhaltungen zu Grunde liegen.
Wobei allen verschiedenen Haltungen eines gemeinsam ist: Die Verkürzung der Körper-Vorderseite.
Es liegt nahe, dass genau so eine Körperhaltung für Rückenschmerzen verantwortlich ist. Und auch damit gebe ich mich nicht zufrieden. Es nutzt nur bedingt, den Menschen zu sagen sie sollten anders stehen, anders sitzen und sich mehr bewegen. Das ist zu einfach gedacht. Die Frage ist: warum begibt sich der Mensch in so eine Haltung, warum steht der Mensch so krumm da?
Wir Menschen haben im Vergleich zum Tier ein wesentlich ausgeprägteres Strategie-Gehirn. Es ist für strategisches Denken, für Kampf, Jagt und Flucht konzipiert. Es gab uns die Möglichkeit, uns höher zu entwickeln als alle anderen Lebewesen. Doch der Preis den wir Menschen dafür bezahlen, ist hoch.
Uns Menschen fällt es sehr leicht im Stress des Kampf-Jagt-Flucht-Modus zu bleiben, vor allem mit enormer Ausdauer. Meist haben wir Menschen sogar Spaß daran. Das Problem ist, wir machen das länger, als uns das gut tut.
Wenn wir uns im Kampfmodus befinden spannen wir unsere Körpervorderseite an.
Das macht das Tier Mensch, um seinen Bauch, seine Fortpflanzungsorgane und seine Halsschlagader zu schützen. Das geschieht automatisch, auch wenn wir gar nicht direkt bedroht sind. Beispielsweise wenn wir unter voller Konzentration am Computer arbeiten oder ein Auto fahren. Dass wir das tun, ist normal. Schlimm ist, dass wir es nicht merken. Nach getaner Arbeit oder sonstigem Kampf, behalten wir diese Körperhaltung einfach bei, obwohl sie nicht mehr nötig ist.
Jede Körperhaltung, die wir oft, oder gar permanenten einnehmen, verfestigt sich. Genau so verkürzt sich die Vorderseite unsres Oberkörpers.
Die Spannungen auf der Körper-Vorderseite erzwingen einen Gegenzug am Rücken. Dadurch erhöht sich der Druck auf Bandscheiben und Nerven. Die Durchblutung sowie die Ver- und Entsorgung des Gewebes wird vermindert, das Gewebe übersäuert. Die Folge sind Schmerzen.
Wir unterscheiden uns vom Tier vor allem auch hinsichtlich unserer Bewegungskultur. An Haustieren wie Hund oder Katze ist das leicht zu beobachten. Nach jeder Anstrengung und auch nach jedem Verweilen in einer Bestimmten Körperhaltung streckt sich das Tier. Es spürt in sich hinein, was es immer tut, wenn es nicht gerade jagt, kämpft oder flüchtet. Das Tier merkt, dass etwas verspannt ist, es dehnt und streckt sich.
Auch wir Menschen haben die Fähigkeit dies zu spüren – wenn wir es denn zulassen. Das Problem bei uns Menschen ist, dass wir ständig strategisch denken und mit unseren Sinnen nach außen gerichtet sind. Dadurch merken wir nicht dass in uns etwas verspannt ist.
Wir können natürlich alles so hinnehmen, unserm Körper zusehen, wie er härter, krummer und unbeweglicher wird. Wir können das gewohnte beibehalten, bis wir Schmerzen haben, und diese mit Medikamenten auf einem erträglichen Niveau halten.
Der moderne Mensch ist eingespannt, in einer gnadenlos getakteten Maschinerie von Beruf, Familie und Freizeitaktivitäten. Der Mensch hat aus diesem Grund beispielsweise Yoga erfunden, und Übungs-Programme, die seinen Körper fit halten. Und um fit, beweglich und schmerzfrei zu bleiben müssen wir auch diese Regenerations – Programme fest in unser ohnehin straff getaktetes Lebensprogramm einbauen. Wie viel einfacher hat es da die Katze.
Warum nicht vom Tier etwas lernen? Das Säugetier-Gehirn ist nur hinter unserem lauten und wichtigen Denk-Hirn etwas versteckt. Schalten wir es doch im täglichen Leben wieder hinzu. Es gilt, eine artgerechte Bewegungskultur zu entwickeln und natürlichen Bewegungs-Impulsen zu folgen. Hierbei hilft das Einführen regelmäßiger Bewegungsrituale in unsern Alltag, wie das sich strecken beim Aussteigen aus dem Auto. Strecken und dehnen wann immer sich Gelegenheit bietet. Wie Hund und Katze, die Körper-Vorderseite.
Dem Rücken zu liebe, ein bisschen mehr Katze.
Nikolaus Lesti
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