Das Foto-Grafische Kabinett im Märkischen Museum widmet sich in seiner aktuellen Präsentation einem ungewöhnlichen Blick auf Berlin: der Vogelperspektive.
Auf einer Wechselausstellungsfläche des Museums sind etwa 60 Arbeiten zu sehen – Zeichnungen, druckgrafische Blätter, Pläne und Fotografien von 1830 bis heute. Einmalige Ansichten aus zweihundert Jahren veranschaulichen die Geschichte der Stadt und ihre rasante Entwicklung. Die Auswahl schöpft dabei aus einem weitaus reicheren Schatz zu diesem Thema, der sich in der Fotografischen und der Grafischen Sammlung sowie in weiteren Beständen des Stadtmuseums Berlin befindet.
Schon seit alters her hatten Menschen den Wunsch, einen Überblick über Orte und Landschaften zu gewinnen und diesen Eindruck bildlich festzuhalten. Idealisierte, häufig vereinfachte Blicke von oben sind in grafischen Berlin-Ansichten ab etwa 1700 vertreten. Um 1800 setzte sich europaweit ein neues Bildmedium durch – das Panorama. Mit Unterstützung technischer Hilfsmittel, wie der Camera obscura, entstanden vielbestaunte, wegen ihrer Naturnähe gerühmte Motive von Städten, Landschaften, aber auch von historischen Ereignissen. Von diesen 360-Grad-Ansichten, die als großformatig gemalte Rundbilder öffentlich auf- und ausgestellt wurden, sind nur wenige Exemplare erhalten.
Seit den 1990er Jahren gibt es sogar eine Art Wiedergeburt dieser Rundumblicke, die auf publikumswirksame Weise zum Beispiel architektonische Zukunftsvisionen oder vergangene Stadtbilder zeigen. Das Stadtmuseum Berlin besitzt mit zwei um 1830 entstandenen Berlin-Panoramen von Eduard Gaertner (mit Blick von der Friedrichswerderschen Kirche) und Antonio Sacchetti (mit Blick von der Marienkirche) bedeutende Zeugnisse dieser Gattung.
Mit dem raschen Wachstum Berlins war es in späterer Zeit nicht mehr möglich, von erhöhten Standpunkten aus die ganze Stadt künstlerisch-dokumentarisch zu erfassen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts lösten fotografische Aufnahmen schrittweise die traditionelle gezeichnete oder gemalte Stadtansicht ab. Mit der Weiterentwicklung fotografischer Technik waren bald auch Aufnahmen aus Ballons und später aus Flugzeugen möglich.
Sechs Jahre, nachdem aus bis dahin selbstständigen Städten, Landgemeinden und Gutsbezirken die neue Einheitsgemeinde „Groß-Berlin“ gebildet worden war, widmete sich das Märkische Museum 1926 hoch oben in seinem Turm schon einmal mit einer Ausstellung dem Thema „Berlin von oben“. Das damalige Publikum konnte grafische Blätter aus dem Museumsbestand mit zeitgenössischen Luftaufnahmen vergleichen. Zugleich blickte es mit Fernrohren durch die Turmfenster auf Berlin hinab, das sich bereits über den Horizont hinaus erstreckte.
Eine Auswahl dieser Luftaufnahmen und fotografische Turmblicke von „gestern“ bilden nun, 95 Jahre später, zusammen mit älteren Grafiken und Motiven von „heute“ eine Brücke in die Gegenwart. Der Zeitsprung ins Jetzt offenbart unübersehbar, wie sich die Gestalt der Stadt verändert hat. Nach Krieg, Wiederaufbau, neuem Aufschwung und neuen Stadtvisionen ab 1990 bestimmen nun neue Landmarken die Silhouette Berlins. Neubauten und Neubauprojekte wie der neue Potsdamer Platz, die Oberbaum-City, Mediaspree, Europacity, Zoofenster und Upper West ragen weit über die im Berliner Stadtzentrum lange Zeit übliche Traufhöhe von 22 Metern und die früheren Landmarken hinaus.
Nach der Sanierung des Märkischen Museums, voraussichtlich ab 2026, wird auch dessen 56 Meter hoher Turm wieder für die Berliner Bevölkerung und ihre Gäste geöffnet. Dort wird ihnen zwischen stadtgeschichtlichen Ausstellungen und dem Blick auf „Berlin von oben“ deutlich werden, weshalb es heißt, die Stadt sei dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein.
Zu sehen bis zum 27. Februar 2022 im Foto-Grafischen Kabinett.
Märkisches Museum
Am Köllnischen Park 5 | 10179 Berlin
Öffnungszeiten:
Di – Fr | 12 – 18 Uhr
Sa + So | 10 – 18 Uhr
Eintritt:
7,00 / erm. 4,00 Euro (inkl. Audioguide)
bis 18 Jahre Eintritt frei
Weitere Infos unter: https://www.stadtmuseum.de/ausstellungen/berlin-von-oben
Bitte beachten Sie die aktuellen Hygiene-Regelungen: https://www.stadtmuseum.de/hygiene-regelungen
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