Dr. Hübener, woran erkennt man, dass die eigene Leber erkrankt sein könnte? Was sind Alarmzeichen?
Dr. Peter Hübener: Im Gegensatz zu anderen Organen schmerzt die Leber häufig nicht, sondern leidet stumm. Gerade im Anfangsstadium sind viele Lebererkrankungen ohne Labordiagnostik und bildgebende Verfahren daher kaum zu erkennen. Häufig berichten Patient:innen über starke Abgeschlagenheit und Müdigkeit, ja geradezu einen Leistungsknick. Andere mögliche Symptome sind starker Juckreiz oder ein Druckgefühl im rechten Oberbauch. In fortgeschrittenen Stadien kann es zu einer Gelbfärbung der Augen oder der Haut kommen, manchmal auch zu einer unerklärten Zunahme des Bauchumfangs sowie zum Verlust von Muskelmasse und körperlicher Substanz. In solchen Situationen muss eine rasche und umfassende Diagnostik erfolgen, da hier gravierende Funktionsstörungen der Leber vorliegen können. Auch in Zeiten der Pandemie müssen daher umgehend Fachärzt:innen aufgesucht werden, um womöglich gefährliche Verläufe erkennen und abwenden zu können.
Was kann man selbst tun, um seine Leber zu schützen?
Dr. Peter Hübener: Vor allem ein Überangebot an bestimmten Nahrungsmitteln und zu viel Alkohol machen der Leber zu schaffen. Von einer Fettleber im Rahmen des so genannten metabolischen Syndroms sind bereits geschätzte 25 Prozent der Bevölkerung betroffen, und die meisten Betroffenen wissen gar nichts von ihrer Erkrankung. Die Fettleber wird meistens durch ein lang andauerndes Ungleichgewicht von Kalorienzufuhr und -verbrauch verursacht und kann im Grunde nur dadurch behandelt werden, dass weniger Kalorien zugeführt und mehr Kalorien verbraucht werden. Sport und Bewegung unterstützen daher die Gesundheit der Leber – wie auch die des gesamten Organismus.
Was den Alkohol angeht, so gelten bei Männern 20 g pro Tag als weitgehend unbedenklich, das entspricht in etwa einem Glas Wein (0,2 l) oder 400 ml Bier – bei Frauen die Hälfte. Das heißt aber nicht, dass jede Leber diese Menge über viele Jahre hinweg bewältigen kann, insbesondere wenn weitere Faktoren das Organ schädigen.
Was sind die neuesten Entwicklungen in der Leberforschung?
Dr. Peter Hübener: In jüngerer Zeit gab es in der klinischen Medizin entscheidende Durchbrüche bei der Behandlung der chronischen Virushepatitis C, die nunmehr in fast jedem Fall mittels Tabletten geheilt werden kann. Große Fortschritte gibt es auch bei den Behandlungsmöglichkeiten von Lebertumoren mit einem wachsenden Arsenal an Therapien. Auf der grundlagenwissenschaftlichen Seite wird mehr und mehr über die Wechselwirkungen von Leber, Darm und der intestinalen Flora bekannt – auch hier eröffnen sich interessante Perspektiven auf zukünftige Behandlungsmöglichkeiten. Viele Erkrankungen der Leber können irreversible Schäden am Organ verursachen, die eine Transplantation unabdingbar machen. Weniger invasive Therapien, die es uns ermöglichen, fortgeschrittene Umbauvorgänge an der Leber wieder rückgängig zu machen, sind aktuell leider noch nicht erprobt.
Gerade bei schweren Lebererkrankungen ist eine Transplantation weiterhin häufig die einzige Behandlungsmöglichkeit. Wie gut stehen die Chancen, rechtzeitig ein passendes Spenderorgan zu bekommen?
Dr. Peter Hübener: In Deutschland werden die Spenderorgane nach medizinischer Dringlichkeit vergeben, das heißt, dass die kränksten Patient:innen zuerst ein Spenderorgan erhalten, und viele von ihnen daher oft erst sehr spät im Verlauf ihrer Erkrankung. Aus medizinischer Sicht wäre in vielen Fällen eine frühere Transplantation erheblich besser für die Patient:innen. Das Problem wird dadurch verkompliziert, dass wir eine Leber, die ihre Funktion nicht mehr erfüllen kann, nicht mit Maschinen ersetzen können, und Patient:innen im schlimmsten Fall zu schwer erkranken, als dass sie eine Transplantation überstehen würden.
Jedes Jahr versterben Patient:innen auf der Warteliste, weil nicht ausreichend Spenderorgane zur Verfügung stehen. Ich würde mir wünschen, dass sich jede und jeder diesen Umstand bei einer Entscheidung für oder gegen einen Organspendeausweis vor Augen führt. Das Thema Transplantation betrifft indes mitnichten nur chronisch Leberkranke. Im UKE werden auch Patient:innen transplantiert, die bis vor Kurzem, oft bis vor einigen Tagen oder wenigen Wochen, noch über eine gesunde Leber verfügten und die völlig unabhängig von ihrem Lebenswandel plötzlich in eine Situation geraten, in der eine rasche Transplantation lebensnotwendig wird. Von daher kann jede:r einzelne von einer größeren Spendenbereitschaft potenziell erheblich profitieren.
Vor einiger Zeit wurde das Universitäre Leberzentrum Hamburg gegründet, was hat es damit auf sich?
Dr. Peter Hübener: Mit unserem wachsenden Verständnis von Lebererkrankungen und den zunehmenden Möglichkeiten in der Diagnostik und Therapie nimmt die Komplexität in der Behandlung unserer Patient:innen kontinuierlich zu. Daher organisieren sich im Universitären Leberzentrum Hamburg des UKE 16 Fachabteilungen, um für Betroffene die aus jeder Fachrichtung optimale Versorgung zu gewährleisten.
Zu diesem Zweck kommen Vertreter:innen der Fachrichtungen im täglich stattfindenden Leberzentrums-Board zusammen und entwickeln neben konkreten Abläufen für neu vorgestellte Patient:innen auch abteilungsübergreifende Behandlungspfade für wiederkehrende Krankheitsbilder.
Das zweite wichtige Ziel der Zentrumsgründung ist der Aufbau eines Netzwerkes in der Metropolregion Hamburg und darüber hinaus. Durch vertiefte Zusammenarbeit mit Zuweisenden in Klinik und Praxis und unsere neuartigen Angebote telemedizinischer Konsile und Mitbehandlung möchten wir ein verlässlicher Ansprechpartner für alle ärztlichen Kolleg:innen sein. Das gilt als Transplantationszentrum bei der Versorgung schwer Erkrankter, aber ebenso bei Bedarf auch für alle anderen Leberpatient:innen. Für Fachärzt:innen haben wir daher eine Hotline eingerichtet, bei der sich diese tagesaktuell von unserem interdisziplinären Leberzentrums-Board beraten lassen können.
Weitere Informationen unter: www.uke.de/leberzentrum
Das 1889 gegründete Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist eine der modernsten Kliniken Europas und mit rund 14.100 Mitarbeitenden einer der größten Arbeitgeber in Hamburg. Pro Jahr werden im UKE rund 449.000 Patient:innen versorgt, 88.000 davon stationär und 361.000 ambulant. Zu den Forschungsschwerpunkten des UKE gehören die Neurowissenschaften, die Herz-Kreislauf-Forschung, die Versorgungsforschung, die Onkologie sowie Infektionen und Entzündungen. Über die Medizinische Fakultät bildet das UKE rund 3.400 Mediziner:innen, Zahnmediziner:innen und Hebammen aus.
Wissen – Forschen – Heilen durch vernetzte Kompetenz: Das UKE. | www.uke.de
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