„Fortdauer der extrem lockeren Geldpolitik jetzt leichter zu rechtfertigen“

Der EZB-Rat hat eine Änderung seines Inflationsziels beschlossen. Bislang sollte die Euro-Inflationsrate auf „unter aber nahe 2 Prozent“ begrenzt werden. Die „unter aber nahe“-Formulierung fällt künftig weg, so dass die EZB nun ein symmetrisches 2-Prozent-Inflationsziel verfolgt. Vorschläge, bei der Zielformulierung ausdrücklich auf eine Durchschnitts-Inflationsrate abzustellen, haben sich hingegen nicht durchgesetzt. Außerdem sollen Kosten des Wohnens auch für selbstgenutzte Immobilien stärker in der Inflationsmessung berücksichtigt werden. Prof.  Dr.  Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW Mannheim, erklärt dazu:

„Es ist zu begrüßen, dass sich der EZB-Rat bei seinem neuen Inflationsziel nicht auf einen ausdrücklichen Bezug auf die Durchschnittsinflationsrate eingelassen hat. Dies wäre als klare Ansage verstanden worden, nun erst einmal jahrelang eine Inflation auch weit über zwei Prozent zuzulassen. Gleichwohl bereitet das neue Ziel höheren Inflationsraten den Weg. Weil eine Inflation unter zwei Prozent jetzt als genauso schlecht wie eine Inflation über zwei Prozent gilt, wird es der EZB-Rat noch leichter haben, in den kommenden Jahren eine Fortdauer der extrem lockeren Geldpolitik und der Anleihekäufe zu rechtfertigen. Auch der ausdrückliche Verweis, dass gegebenenfalls für eine Übergangsphase eine moderate Zielüberschreitung hingenommen werden muss, schwächt die Verbindlichkeit des Ziels als Obergrenze weiter ab. Der Zeitpunkt der Strategieentscheidung ist unglücklich. Just in dem Moment, in dem einige Euro-Staaten in ihrer Finanzierung krisenbedingt vollkommen von den Anleihekäufen der EZB abhängig geworden sind, senkt der EZB-Rat seine langfristigen Ambitionen bei der Inflationsbegrenzung. Das kann als Signal verstanden werden, dass die EZB sogar in ihren Strategieentscheidungen nun schon ängstlich auf die Absicherung hoher Schuldenstände schaut. Der stärkere Einbezug der Wohnungskosten ist hingegen uneingeschränkt zu begrüßen. Denn im Wohnbereich sind in Europa inflationäre Prozesse in Gang gekommen, die den Verbraucher empfindlich treffen, aber noch nicht ausreichend in der Inflationsmessung berücksichtigt waren.“

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

Forschungsfelder des ZEW

Arbeitsmärkte und Personalmanagement; Digitale Ökonomie; Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik; Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement; Marktdesign; Soziale Sicherung und Verteilung; Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement; Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft, Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik.

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