„Es steht völlig außer Frage, dass die von der EU verfügten Sanktionen gegen Belarus von der deutschen Wirtschaft umgehend beachtet werden. Die Achtung internationaler Rechtsnormen ist eine Grundvoraussetzung für gedeihliche wirtschaftliche Beziehungen und das Engagement ausländischer Unternehmen. Die Verletzung dieser Grundlagen durch die Kaperung eines zivilen Flugzeugs und die Verhaftung von Passagieren ist nicht nur politisch scharf zu verurteilen, sondern auch eine weitere schwere Belastung für Belarus als potenziellem Investitionsstandort.
Die jetzige Einführung sektoraler Wirtschaftssanktionen führt allerdings dazu, dass auch einige unbeteiligte Unternehmen und die Bevölkerung für eine falsche belarussische Politik belastet werden. Daher ist es generell notwendig, alle eingeführten Wirtschaftssanktionen mit einem klaren und realistischen Ausstiegsszenario und Angeboten zu verknüpfen. Nur so können sie zu einem Umdenken beitragen. Andernfalls droht die Gefahr einer endlosen Spirale aus Sanktionen und Gegensanktionen. Die neuen Sanktionen gegen Belarus müssen entsprechend mit umfangreichen diplomatischen Aktivitäten und wirtschaftlichen Anreizen zur Kooperation begleitet werden, um eine Lösung des politischen Konflikts in Belarus zu unterstützen.
In diesem Zusammenhang begrüßen wir die in Aussicht gestellten Aufbauhilfen der EU für Belarus, die im Zuge einer Öffnung des Landes fließen sollen. Wichtig ist zudem, dass es zu einer engen Abstimmung der Sanktionen mit den USA, Kanada und anderen Nicht-EU-Ländern gekommen ist, um einseitige Lasten für die europäische Wirtschaft zu minimieren. Dass wichtige Länder etwa in Asien die Sanktionen nicht nachvollziehen, bleibt ein Wettbewerbsnachteil und mindert ihre Wirkung.
Wir erwarten von den Sanktionen vor allem Auswirkungen auf die Einnahmesituation der betroffenen belarussischen Unternehmen und damit auch auf die Finanzsituation des Staates. Das wirtschaftliche Umfeld ist bereits seit längerem angespannt. Das Land hat aufgrund der guten Bildungsstruktur und des großen Industriesektors ein großes Potenzial, bleibt aber durch die aktuelle Politik der Führung weit unter seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Eine stärkere Orientierung an marktwirtschaftlichen Ansätzen, die Berücksichtigung aller gesellschaftlicher Interessen und ein verlässliches Rechtssystem würden diese Entwicklung befördern.
Für deutsche Unternehmen werden sich die Sanktionen vor allem auf laufende und geplante Projekte im Land negativ auswirken. Sanktionierte belarussische Unternehmen fallen zudem als Handelspartner aus. Belarus erfüllt als Transitland für Verkehrsströme und Energie zwischen der EU und Russland eine wichtige Funktion. Gegensanktionen in diesem Bereich sind daher nicht auszuschließen, würden aber auch die wirtschaftliche Lage in Belarus zusätzlich verschlechtern.“
Hintergrund:
Wirtschaftsbeziehungen mit Belarus
Im Jahr 2020 exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von knapp 1,4 Milliarden Euro nach Belarus, darunter vor allem Maschinen, chemische Erzeugnisse und Kfz und -Teile. Belarussische Unternehmen exportierten Waren im Wert von gut 500 Millionen Euro nach Deutschland, darunter vor allem Rohstoffe, Eisen/Stahl sowie Möbel und Möbelteile. Unter den deutschen Einfuhrpartnern steht Belarus auf Rang 75 (von 239) und bei den Partnern für deutsche Ausfuhren auf Rang 60 (von 239).
Wichtigster belarussischer Handelspartner ist Russland, das 45,2 Prozent der belarussischen Exporte aufnimmt (Deutschland: 3,2 Prozent) und für 50,2 Prozent der Importe steht (Deutschland: 5,2 Prozent). In die Europäische Union lieferte Belarus im Jahr 2021 19 Prozent seiner Warenexporte und bezog 20 Prozent seiner Warenimporte aus der EU.
Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V. (gegründet 1952) fördert die deutsche Wirtschaft in den 29 Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas, des Südkaukasus und Zentralasiens. Der deutsche Osthandel steht insgesamt für rund ein Fünftel des gesamten deutschen Außenhandels und ist damit bedeutender als der Handel mit den USA und China zusammen. Der Ost-Ausschuss hat rund 350 Mitgliedsunternehmen und -verbände und wird von sechs Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft – BDI, BGA, Bankenverband, DIHK, GDV und ZDH – getragen.
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