Repräsentative Umfrage: Deutsche haben hohe Erwartungen an die Europapolitik der nächsten Bundesregierung

Eine gemeinsame Asylpolitik, Rechtsstaatlichkeit und EU-weite Sozial-Mindeststandards sind für die Bürgerinnen und Bürgern die wichtigsten Prioritäten für die Europapolitik der nächsten Bundesregierung. Über 80 Prozent wünschen eine Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen unter den EU-Mitgliedsstaaten. Das Vertrauen in die EU ist in der Corona-Krise stabil geblieben.

Eine heute vorgestellte Studie der Heinrich-Böll-Stiftung und des Progressiven Zentrums stellt auf Basis einer aktuellen repräsentativen Umfrage fest, dass zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger von der nächsten Bundesregierung ein aktives und kooperatives Auftreten auf europapolitischer Ebene fordern. Die wichtigsten Prioritäten in der zukünftigen Europapolitik Deutschlands sind für die Befragten eine gemeinsame EU-Asylpolitik (45,6 %), die Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit in der EU (40,4 %), die Einführung von EU-weiten sozialen Mindeststandards (37,1 %) und der Europäische Green Deal (36,3 Prozent). Eine deutliche Mehrheit von 81,2 Prozent der Deutschen spricht sich dafür aus, dass die EU-Mitgliedsstaaten zukünftig mehr Entscheidungen im Europäischen Rat mit Mehrheit statt Einstimmigkeit treffen sollen. Gespalten sind die Bürgerinnen und Bürger derzeit bei der Frage, ob auch in Zukunft eine gemeinsame Schuldenaufnahme der EU-Staaten möglich sein sollte. Bei den parteipolitischen Lagern ist eine Mehrheit in der Anhängerschaft der Grünen, SPD und Linken für eine gemeinsame Kreditaufnahme, bei CDU/CSU, FDP und AfD ist jeweils eine Mehrheit dagegen.

Die Langzeitstudie „Selbstverständlich europäisch?!“ wurden in diesem Jahr zum dritten Mal durchgeführt. Im Vergleich zum letzten Jahr ist das grundsätzliche Vertrauen in die EU stabil geblieben: 67,5 Prozent der Deutschen sehen in der EU-Mitgliedschaft insgesamt mehr Vor- als Nachteile, für 29,7 Prozent überwiegen die Nachteile. Weiterhin sagen knapp 60 Prozent der Befragten, dass Deutschland seine politischen Ziele eher mit als ohne die EU erreichen kann. Dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig. 53,3 Prozent sind der Meinung, dass der Nutzen der EU-Mitgliedschaft rein wirtschaftlich gesehen die Kosten überwiegt. Die Kritik an der Höhe des deutschen Finanzbeitrags zur EU hat in diesem Jahr allerdings etwas zugenommen.

„Die positive Grundhaltung der Deutschen zur EU ist in der Corona-Krise stabil geblieben. Allerdings muss die EU nach der Kritik an der Impfstoffbeschaffung das Vertrauen in ihre Handlungsfähigkeit stärken. Die Erwartungen an die Europapolitik sind hoch. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von der nächsten Bundesregierung, dass sie die Großbaustellen in der Europapolitik aktiv angeht,“ sagt Johannes Hillje, Ko-Autor der Studie und Policy Fellow beim Progressiven Zentrum. Ko-Autorin Dr. Christine Pütz, Heinrich-Böll-Stiftung, erklärt dazu: „Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich eine handlungsfähige EU. Die Bundesregierung sollte bei der jetzt startenden Konferenz zur Zukunft Europas für eine Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen werben und sich für eine breite und wirksame Beteiligung der Menschen bei der Konferenz einsetzen. Mehr Entscheidungsfähigkeit muss mit mehr Demokratie einhergehen.“

Dr. Ellen Ueberschär, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagt zu den Umfrageergebnissen: „Das Gebot der Stunde ist eine offene und sachliche Debatte über die richtigen Prioritäten und eine Fiskalunion, die die anstehenden Investitionen auf solide Beine stellt. Der ökologische Umbau der Wirtschaft und der Abbau sozialer Ungleichheit müssen Vorrang haben. Die nächste Bundesregierung steht in der Verantwortung, mit guten Vorschlägen eine konkrete Zukunftsdebatte zu eröffnen.“

Für die Studie „Selbstverständlich europäisch!? 2021 – Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an die Europapolitik der nächsten Bundesregierung“ hat das Meinungsforschungsinstitut Civey  im Mai 2021 online 5.000 Personen befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.

Die Studie finden Sie als download hier

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