Eine Datenbasis für gute Unternehmungsentscheidungen schaffen

Die vergangenen Monate mit Maskenaffäre, diversen Bilanzskandalen und spektakulären Insolvenzen haben Prof. Dr. Patrick Ulrich wieder reichlich Stoff für Forschung und Lehre geboten. Der Wirtschaftswissenschaftler forscht und lehrt seit 2016 an der Hochschule Aalen zu evidenzbasiertem Management, Unternehmensethik und nachhaltiger Unternehmensführung, der Formulierung von Richtlinien und ethischen Standards für die Praxis sowie moderner Personalführung im Kontext der Digitalisierung. Themen, die heute aktueller denn je sind. Für sein herausragendes Engagement wurde er jetzt mit dem Forschungspreis der Hochschule Aalen ausgezeichnet.

Wie entwickeln sich Wirtschaftssysteme im Laufe der Zeit? Warum haben sich Unternehmerpersönlichkeiten wie Robert Bosch freiwillig für bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt, während andere eher auf die Profitmaximierung fixiert waren? Wie verändern sich die Vorstellungen von Recht, Moral und Verantwortung? Wie können Unternehmen bei Entscheidungen für ihre zukunftsorientierte Ausrichtung unterstützt werden? Die Interessen von Prof. Dr. Patrick Ulrich, der bereits 2018 mit dem Lehrpreis der Hochschule Aalen ausgezeichnet wurde, sind vielfältig und reichen von Unternehmensethik und Nachhaltigkeit, Rechnungswesen und Controlling über Künstliche Intelligenz und Datensicherheit im Mittelstand, Führungskultur in der Wirtschaft bis hin zu den Ursachen von Betrug und Korruption.

"Die Vielfalt und Tragweite der Entscheidungen in Unternehmen fand ich schon immer spannend. Mit meiner Forschung bewege ich mich an der Schnittstelle von Betriebswirtschaft, Rechtswissenschaften, Ethik und Psychologie", erläutert der Wirtschaftswissenschaftler.

Dass er wirtschaftliche Zusammenhänge tiefer ergründen und verstehen möchte, war für Ulrich schon früh klar. In Bamberg und Sevilla studierte er Europäische Wirtschaft und promovierte anschließend über Führungssysteme in Mittelstand und Familienunternehmen. 2015 habilitierte er sich, arbeitete zusätzlich für eine Unternehmensberatung und wurde mit nur 33 Jahren auf die die Professur für Unternehmensführung und -kontrolle an die Hochschule Aalen berufen. Kaum angekommen, baute der zweifache Familienvater konsequent seine Forschungsaktivitäten aus und baute das Aalener Institut für Unternehmensführung (AAUF) auf. Mittlerweile hat er in Aalen bereits mehr als eine halbe Million Euro Forschungsmittel eingeworben und rund 110 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht. Ein beachtliches Tempo, das der 38-Jährige in den vergangenen Jahren vorgelegt hat. "Da braucht man natürlich viel Selbstmotivation und Disziplin, aber da waren meine Erfahrungen aus dem Sport hilfreich", sagt Ulrich, der als Jugendlicher und während des Studiums semiprofessionell Tischtennis gespielt hat.

Immer am Ball bleiben – das ist Patrick Ulrich auch in seiner Forschung wichtig, die er mit viel Leidenschaft vorantreibt. Evidenzbasierte Methoden und Praxisnähe sind dabei für ihn das A und O: "Es ist elementar, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, sozusagen mit ‚Feldexperimenten’", betont der Wissenschaftler. Seine langfristige Vision ist es, anhand von evidenzbasierten Daten Handlungsempfehlungen für die Praxis geben zu können. "Die Betriebswirtschaft hat hier gegenüber anderen etablierten Wissenschaften noch deutlichen Nachholbedarf. Nur wenn wir solide empirische Befunde vorlegen, können wir die Entscheidungsbasis in der Praxis nachhaltig verbessern", so Ulrich.

Interessant ist dabei für ihn, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in der Unternehmenspraxis nicht immer wahrgenommen oder gar befolgt werden. "Umfragen zeigen, dass viele Entscheider ihren eigenen Führungsstil als sehr rational einschätzen. Die Arbeiten des Wirtschaftsnobelpreisträgers Daniel Kahneman haben gezeigt, dass Individuen und Gruppen kognitiven Verzerrungen unterliegen." Dies bedeutet für Ulrich, dass Entscheidern in Unternehmen zunächst auf Basis solider wissenschaftlicher Daten Handlungsoptionen aufgezeigt werden müssen. Die Mediziner nennen dieses Paradigma "evidenzbasierte Medizin". Die Forderung, bei einer Beratung von Unternehmen einen ähnlichen Anspruch zu verfolgen, nämlich ausschließlich Maßnahmen zu empfehlen, deren Wirksamkeit bereits wissenschaftlich fundiert nachgewiesen sind, hat sich Ulrich zur Aufgabe gemacht. "So könnte man beispielsweise bei einer Whistleblower-Hotline untersuchen, ob wirkliches Fehlverhalten gemeldet wird oder ob die Mitarbeitenden die Hotline dazu missbrauchen, um Kollegen anzuschwärzen", erläutert Ulrich.

Durch seine Forschungsaktivitäten sowohl die Gesellschaft als auch Prozesse in Unternehmen voranzubringen und damit auch den Fortschritt zu unterstützen, das reizt Ulrich ganz besonders. Forschung als Selbstzweck ist nicht sein Ding und daher war die Ausschreibung der Professur an der Hochschule Aalen ein Glücksfall: "Die strategische Ausrichtung der Hochschule sowie der Fokus auf die angewandte Forschung mit der Perspektive für den praktischen Nutzen ist sehr wichtig für mich."

Die Nachricht, dass er den Forschungspreis 2021 der Hochschule Aalen erhält, erreicht Ulrich – wie passend – in seinem Forschungssemester. Gerade ist er dabei, zwei weitere Forschungsanträge zum Risikomanagement und Familienunternehmen auf den Weg zu bringen und sein Compliance-Lehrbuch zu Ende zu schreiben. "Es freut mich sehr, dass der Forschungspreis nun erstmals an unsere Fakultät geht – das ist ein Signal, dass sich Forschung lohnt, auch in den Wirtschaftswissenschaften", betont Ulrich. Die Themen werden dem Forscher jedenfalls nicht so schnell ausgehen – siehe Maskenaffäre & Co.

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