Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat zur Folge, dass Treibhausgasemissionen schneller als bisher geplant reduziert werden müssen, um die Grundrechte zukünftiger Generationen nicht einzuschränken. BVG-Präsident Dr. Erwin Knapek fordert daher einen deutlich beschleunigten Ausbau bei der Nutzung Erneuerbarer Energien, speziell der klimafreundlichen Geothermie.
Der Referentenentwurf des Bundes-Klimaschutzgesetzes folgt diesen Maßgaben nur unzureichend. Den hier erstmals genannten expliziten Zielen für Treibhausgasabsenkungen und negativen Emissionen im Sektor Landwirtschaft stehen nur minimale zusätzliche Einsparziele im Gebäudesektor gegenüber. Der größte Anteil des Primärenergieverbrauches in Deutschland entfällt auf den Wärme- und Kältesektor. Es existieren eine Vielzahl von regulatorischen und technischen Möglichkeiten zur Reduktion der Emissionen im Gebäudesektor.
In diesem Sektor fand bisher nur ein langsamer, weitgehend auf Biomasse begrenzter Ausbau statt. Die effizienteste Form, den Wärmemarkt mittels Sektorkopplung mit dem Strommarkt zu verknüpfen, erfolgt über die Nutzung geothermischer Ressourcen. Oberflächennahe- und Tiefe Geothermie haben den geringsten Flächenbedarf pro Kilowattstunde, die höchste Jahresarbeitszahl, sowie die geringsten Gestehungskosten aller EE-Technologien. Vor allem besitzt Geothermie den geringsten CO2-äquivalenten Fußabdruck pro Kilowattstunde und benötigt nur geringe „graue Energie“ z.B. für den Transport des Energieträgers.
Eine klimaneutrale Wärmeversorgung kann bis 2050 durch einen Mix aus Geothermie, Solarthermie, Bioenergie und PtX oft in Verbindung mit Wärmepumpen realisiert werden. Gemäß einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes vom Oktober 2020 kann Tiefe Geothermie hierbei 118 TWh pro Jahr beitragen (siehe UBA: 31/2020). Einen deutlich höheren Beitrag kann die Oberflächennahe Geothermie in Verbindung mit Wärmepumpen liefern. Dr. Erwin Knapek betont: „Oberflächennahe- und Tiefe Geothermie stechen bei der Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger mit besonders hohen CO2-Vermeidungsfaktoren heraus. Bei der Nutzung von 1 kWh Wärme aus oberflächennaher Geothermie werden 120,54 g CO2 Äq. vermieden. Der Vermeidungsfaktor von Tiefer Geothermie im Wärmemarkt beträgt sogar 283,09 g/kWh (siehe: UBA 37/2019). Mit einem ambitionierten Ausbau von Geothermie kann das Sektorziel für den Bereich Gebäude deutlich angehoben werden.“
Folgende 10 Schritte sind dafür die Voraussetzung und müssten im Anschluss an die Novellierung des KSG 2021 zügig und möglichst noch in der laufenden Legislatur umgesetzt werden:
1. Gerechte und an CO2-Emissionen orientierte Belastung von Energieträgern: Nur mit fairen Preisen kann die Wärmewende und damit die Energiewende als Ganzes gelingen. Von zentraler Bedeutung ist daher, dass die Klimafolgen von fossilen Energien sich im Endkundenpreis adäquat niederschlagen. Genauso müssen die positiven Wirkungen von geothermischen Heizsystemen preisrelevant sein. Daher sollten die Steuern und Abgaben zukünftig noch wesentlich deutlicher an der Klima(schutz)wirkung der unterschiedlichen Technologien orientiert werden.
2. Grundlagen schaffen – Untergrundkenntnisse durch Erkundungsprogramm ausbauen: Die Kenntnisse des Untergrunds sind an vielen Orten unzureichend. Sie sind aber gerade für tiefengeothermische Projekte und für die stoffliche Nutzung des Untergrundes von herausragender Bedeutung. Die systematische Erkundung des Untergrundes von Staatsseite ist geeignet, eine Dynamik beim Ausbau der Tiefen Geothermie zu erzeugen. Das ist auch eine grundsätzliche Voraussetzung für eine risikoarme Erschließung der Ressource.
3. Informationen ausbauen – Einführung einer Beratungspflicht: Die Vorteile von geothermischen Heizsystemen müssen Bürger, Kommunen und Unternehmen kommuniziert werden. Daher sollte eine verpflichtende Beratung zur Wärmeerzeugung eingeführt werden. Die Ergebnisse sollten im Energieausweis veröffentlicht werden. Die BGR sollte für die öffentliche Datenbereitstellung und Kommunikation befähigt werden.
4. Wärme- und Stromprojekte absichern: Tiefengeothermische Projekte sind im Betrieb günstig, in der Anfangsphase jedoch mit vergleichsweise hohen Investitionskosten verbunden. Diese Finanzierungshürden sollten über Eigenkapital stärkende KfW-Ausfallbürgschaften und eine Fündigkeitsabsicherung in der Startphase kompensiert werden.
5. Wärmenetze mit Geothermie-Einspeisung stärken: Der Ausbau von Wärmenetzen und die Möglichkeiten zur Einspeisung von Erdwärme in diese Netze sollten gestärkt werden. Deshalb muss mit der Bundesförderung effiziente Wärmenetze der Ausbau von geothermisch kompatiblen Wärmenetzen verbessert werden. Der Ansatz im Rahmen der Bundesförderung effiziente Wärmenetze, die Interdependenzen in Investitionen in Erzeugung und Infrastruktur zu verankern, ist sehr zu begrüßen. Für den Ausbau der Geothermie ist besonders wichtig, dass bisherige Förderbegrenzungen hinsichtlich Größe und Tiefe der Projekte aufgehoben werden und die Förderquote für Erzeugungsanlagen insgesamt angehoben wird. Von zentraler Bedeutung ist, die Förderung von Speichern und die Netzanbindung von EE-Wärmeerzeugungsanlagen an bestehende Wärmenetze in die Förderung einzubeziehen. Darüber hinaus gilt es, eine bessere bundesweite Erkundung des Untergrundes zur Erschließung geothermischer Projekte über bestehende Erschließungsgebiete hinaus sowie die Absicherung von Ausfallrisiken für die Geothermie in die Bundesförderung effiziente Wärmenetze zu integrieren.
6. Novellierung der Wärmelieferverordnung: Die Wärmelieferverordnung muss novelliert und die Erfordernisse der Betriebskostenneutralität gestrichen werden, um Lock-in-Effekte zu vermeiden und klimaneutraler Fernwärme auch im Bestand einen deutlichen Schub zu verleihen. Die Wärmekunden sollten nicht hin zu einer Umrüstung auf fossile Systeme getrieben werden, welche in Zukunft einen hohen CO2-Preis unterliegen.
7. Geothermie auch in der Prozesswärme nutzen: Geothermie bietet auch die Möglichkeit für einen Einsatz als industrielle Prozesswärme. Deshalb ist hier eine Gleichstellung in der Förderrichtlinie zu Erneuerbaren Energien in der Industrie als neuer Baustein mit aufzunehmen.
8. Entlastung des EE-Stroms für Wärmepumpen und Tiefpumpen von EEG-Umlage und Stromsteuer: Durch EEG-Umlage und Stromsteuer, die dem Umweltschutz dienen sollen, wird paradoxerweise eine umweltfreundliche Technologie in ihrer Entwicklung blockiert. Insgesamt wird der Preis für den Strom für Erdwärmeheizungen durch Steuern und Abgaben verdoppelt; zum Vergleich: Öl und Gas werden nur zu 20-30 % belastet.
9. Geothermie als Gebäudeheizung nutzen: Geothermie ist Klima- und Umweltschutz. Deshalb müssen Genehmigungsverfahren für Geothermie-Heizungen vereinfacht und vereinheitlicht werden. Der Einbau von Klima und Umwelt schädigenden Gas-, Öl und Kohle- Heizungssystemen muss beendet werden.
10. Effizienzmeister angemessen fördern: Geothermie benötigt wenig Fläche und wandelt elektrischen Strom hocheffizient in Wärme um. Deshalb sollte diese Technologie auch stärker über die Bundesförderung für effiziente Gebäude berücksichtigt werden, u. a. mit einer angemessenen Förderung für den Neubau oder einen Effizienzbonus.
Der 1991 gegründete Bundesverband Geothermie e.V. (BVG) ist ein Zusammenschluss von Unternehmen und Einzelpersonen, die auf dem Gebiet der Erdwärmenutzung in allen Bereichen der Forschung und Anwendung tätig sind. Er vereint Mitglieder aus Industrie, Wissenschaft, Planung und der Energieversorgungsbranche. Hauptaufgaben des Verbandes sind die Information der Öffentlichkeit über die Nutzungsmöglichkeiten geothermischer Energie zur Wärme- und Stromerzeugung sowie der Dialog mit politischen Entscheidungsträgern. Der BVG organisiert den jährlichen Geothermiekongress DGK ebenso wie Workshops zu aktuellen Themen und ist Herausgeber der Fachzeitschrift „Geothermische Energie“ sowie weiterer Informationsmaterialien. Der DGK 2020 findet vom 9. bis 13. November als Online-Kongress statt (www.der-geothermiekongress.de).
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