“Viele Tourengeher, die ich im letzten Winter auf ihrem Weg durch die Schneelandschaft traf, wussten gar nicht, dass sie sich und die Umwelt in Gefahr gebracht hatten“, erzählt Alexander Römer. Wenn er ihnen dann erklärte, dass sie im Schutzgebiet die Ruhe etwa des vom Aussterben bedrohten Auerhahns und anderer Tiere stören könnten oder sich etwa im Lawinengebiet befanden, ließen sie sich schnell überzeugen, einen anderen Weg einzuschlagen. Römer ist einer von 30 Rangern in der Alpenregion Tegernsee Schliersee, die im Winter extra dafür eingesetzt wurden, Menschen aufzuklären und für die Umwelt zu sensibilisieren. „Viele waren einfach unerfahren und wollten nur mal eben einen Ausflug in die Berge machen. Die meisten nahmen meine Hinweise dankend an“, freut sich der Ranger.
Lenken von Anfang an: der Ausflugsticker
Was Alexander Römer im Kleinen tut, das macht der Tourismus Oberbayern München (TOM) e.V. im Großen: Besucherlenkung. Die ist mittlerweile zu einer der wichtigsten Aufgaben der Touristiker geworden. Ein Thema war es schon länger. Aber als im letzten Jahr die Bilder von den Menschenmassen an den oberbayerischen Seen und den langen Staus auf den Straßen im Voralpenland durch die Medien gingen, musste der TOM e.V. schnell handeln. Um solche Zustände künftig zu verhindern, entwickelte er im letzten Sommer gemeinsam mit vielen Partnern und regionalen Initiativen den Ausflugsticker. „Wir setzen bewusst schon in der Inspirations- und Planungsphase der Gäste ein, um die Besucherströme intelligent zu lenken“, erklärt Oswald Pehel, Geschäftsführer des TOM e.V. Gerade in der Pandemie sei es wichtig, durch eine frühzeitige Information Gruppenbildung zu vermeiden und dadurch das Infektionsrisiko zu senken. Langfristig trage eine intelligente Besucherlenkung auch dazu bei, die Erlebnisqualität für Gäste und Einheimische zu sichern, sensible Naturräume zu schützen und mehr Wertschöpfung in den dezentralen Regionen zu generieren.
Ein Service, der gut genutzt wird: Über 2 Millionen Mal wurde der Ausflugsticker Oberbayern bereits aufgerufen. Im Juli 2020 wurde das Angebot von der Bayern Tourismus Marketing GmbH auf das gesamte Bundesland ausgeweitet; im April 2021 ein neues System des Ausflugtickers Bayern gelauncht. Auf der Plattform www.ausflugsticker.bayern finden Interessierte nun bayernweit Ziele mit geringer Auslastung, eine große Übersichtskarte, in die man hineinzoomen und klicken kann, mit zahlreichen Meldungen zur Situation vor Ort, Auslastungsdaten des aktuellen Tages sowie eine siebentägige Vorausschau. Sie sehen, wo es am Wochenende zu voll werden könnte, bis wann etwa eine Anreise auf einem beliebten Wanderparkplatz empfohlen wird und wo es etwa wegen Straßensperrungen oder geschlossenen Attraktionen Sinn macht, umzudisponieren. “Die Entwicklung ist natürlich noch nicht abgeschlossen. Hinweise, wo es noch hakt, und Verbesserungsvorschläge helfen uns beim weiteren Ausbau”, erklärt Oswald Pehel weiter. Denn der Ausflugsticker wird stetig weiterentwickelt: Ein nächster, wichtiger Schritt wird es sein, Verkehrs-/Mobilitäts-, ÖPNV- und Wetter-Daten zu integrieren, wie etwa die Fahrzeug-Erfassung an Parkplätzen. “Die Plattform steht nun”, freut sich Pehel. “Wir haben die Rahmenbedingungen geschaffen – jetzt müssen alle Beteiligten, ob Touristiker oder Leistungsträger vor Ort, den Ausflugsticker mit wertvollen Hinweisen und Tipps befüllen um so flächendeckend einen Betrag zur Besucherlenkung zu leisten.” (Eine Übersicht über die Funktionen des Ausflusgtickers finden Sie hier.)
Geheimtipps statt Hotspots
Bisher wird der Ausflugsticker von den Touristikern vor Ort gepflegt. Einer der vielen Menschen, die das Portal tagesaktuell mit Tipps und Infos füllen, ist Winfried Burger. Der stellvertretende Leiter von München Tourismus (https://www.muenchen.travel/) lebt seit über 20 Jahren in der Landeshauptstadt und kennt natürlich auch viele schöne Orte abseits des Trubels. So wird im Ausflugsticker bewusst der weniger frequentierte nördliche Bereich des Englischen Gartens als Ausflugstipp vorgeschlagen oder die Nord-Süd-Passage, eine „Wanderung für jede Jahreszeit voller Natur und Kultur“. Mit diesen Angeboten und einer Reihe dezentraler Stadtführungen lädt München schon länger dazu ein, Attraktionen auch außerhalb des Zentrums anzusteuern, und will damit für eine Entzerrung der Besucherströme sorgen. Für Burger ist Besucherlenkung zwar ein aktuelles, aber auch langfristig wichtiges Thema: „Das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheitsabstand wird sicher noch auf längere Zeit groß sein. Dazu kommt aber auch das zunehmende Interesse der Gäste an neuen Entdeckungen und nicht so ausgetretenen Pfaden.“
Besucherlenkung nachhaltig
Mit dem Ausflugsticker leisten die Touristiker nicht nur einen Beitrag zur Zufriedenheit der Gäste, sondern auch für die Umwelt. Denn diese gerät durch die zunehmenden Besucherströme immer mehr in Mitleidenschaft. Um die Besucher- und vor allem Verkehrsströme zu lenken, sitzen derzeit an vielen Orten in Oberbayern Vertreter aus Touristik, Politik und Verwaltung zusammen, so auch in der Alpenregion Tegernsee Schliersee (ATS), wo etwa Modelle für digitale Verkehrslenkung mit Echtzeitdaten entwickelt werden sollen. Der Deutsche Alpenverein geht noch einen Schritt weiter. Unter dem Motto „Es geht nicht nur darum zu sagen, wo man hinfahren kann, sondern auch wie“ startet der Deutsche Alpenverein München & Oberland bald ein besonderes Projekt: Der Münchner Bergbus soll ab Frühsommer 2021 die Landeshauptstadt mit beliebten Ausflugszielen im Alpenraum verbinden und so die Regionen und die Umwelt gleichermaßen entlasten. Bergsportaktive und Erholungssuchende erhalten so eine neue, nachhaltigere und umweltfreundlichere Alternative zur Anreise mit dem eigenen PKW und tragen damit zu einer Entlastung der Verkehrssituation bei.
Lenken durch Leitprodukte
Besucherlenkung fängt bereits mit der Angebotsentwicklung und -kommunikation, nicht erst bei der Anreise, meint Oswald Pehel. Den Touristikern kommt auch dabei eine wichtige Rolle zu. Sie müssen neben den Top-Attraktionen vermehrt die versteckten Schätze präsentieren. Schließlich kann man auch durch neue Produkte für Entzerrung sorgen. Bestes Beispiel dafür ist das aktuelle Leitprodukt des TOM e.V., die Wasser-Radlwege. 1.200 Kilometer werden von diesem Fernradweg abgedeckt, der sich über drei Hauptschleifen durch ganz Oberbayern erstreckt. Die Routen orientieren sich an den Städten Oberbayerns und führen von diesen in die Umgebung. So kann der Gast bereits die Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln planen und der Einheimische kann ganz nachhaltig und entspannt quasi von der Haustüre aus starten. „Egal ob in den Bergen, in München oder an den oberbayerischen Seen“, so Pehel weiter. „Wir sollten alle offen für neue Wege und Orte sein, denn nur so bleiben wir neugierig und entdecken viele ungeahnte Facetten Oberbayerns“.
Factsheets:
Hier geht´s zum Factsheet ‘Warum Besucherlenkung’
Hier geht´s zum Factsheet ‘Der Ausflugsticker Bayern im Überblick’
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