Schnelles Aufladen wie bei einem „klassischen“ Tankstellenbesuch
Die Wissenschaftler hinter der Schnellladetechnik sind Dr. Roland Tiedemann, Professor für Leistungselektronik und sein Team um den wissenschaftlichen Mitarbeiter Clemens Kerssen und viele Studierende. Ihr Ziel ist es, eine Ladestation technisch so zu entwerfen, dass mehrere Elektrofahrzeuge gleichzeitig und schnell geladen werden können. Zeitlich soll sich für die Nutzer:innen nichts von einem herkömmlichen Tankstellenstopp für Verbrennerfahrzeuge unterscheiden. Tiedemann dazu: „Der Grundgedanke besteht für uns darin, dass wir eine Ladeleistung erzeugen, die ein Elektrofahrzeug in wenigen Minuten voll auflädt.“
Der Prototyp FE-Alpha: Science-Fiction aus Lübeck
In einem grauen, circa 1,85 Meter großen Blechschrank im Labor des Fachgebiets EMLE verbirgt sich der Prototyp „FE-Alpha“, wie die Forschenden ihn liebevoll nennen. Der Prototyp ist voll funktionstüchtig. „FE-Alpha kann mit 100 kW den BMW i3 knapp unter einer halben Stunde laden. Aber wir sind auch lange nicht bei der Volllast“, erklärt der stellvertretende Leiter des Fachgebiets, Clemens Kerssen. Roland Tiedemann ergänzt: „Wie schnell das Auto vollgeladen ist, hängt immer von seiner Größe ab. Der NISSAN LEAF zum Beispiel hat 40 kWh und wäre in vier Minuten geladen. Wenn die Batterien und Kabel dafür ausgelegt wären, dann könnten wir auch mit 1000kW Leistung laden.“ Das Fahrzeug bestimmt, wie schnell geladen wird. Das derzeitige Ziel besteht für die Forschenden darin, 400 kW zu erreichen, wie es auch ihr Projekttitel „Power 400“ verrät.
Ein Pufferspeicher entlastet das Netz
Prof. Tiedemann erklärt den Pufferspeicher. Es handelt sich dabei um eine Batterie, die im Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie, ISIT entwickelt wird: „Den (Pufferspeicher…Anm. d. R.) kann man sich vorstellen wie einen Stausee. Aus dem Stromnetz rieselt immer mehr Wasser hinein und füllt den Stausee auf. Wenn wir den Stausee öffnen, lädt das Auto auf.“ Die Zwischenspeicherung entlastet das Stromnetz, denn „wenn man 400kW aus dem Netz an eine Ladesäule anschließt, dann gehen die Lichter aus“, gibt Tiedemann zu bedenken. Diese dezentralen Speicher könnten, so die Forschenden, ebenfalls als dezentrale Energiespeisung für Industrieunternehmen und erneuerbare Energien genutzt werden.
Ein Test-Gebäude für FE-Alpha
Mit der aktuellen 100 kW Ladeleistung des Prototypen FE-Alpha geben sich die Forschenden nicht zufrieden. „Die Idee von unserem Ladesystem ist (…), dass wir die Leistung beliebig erhöhen können, auch dank der Aufnahmekapazität der entwickelten Speichertechnologie in den E-Fahrzeugen.“ Deshalb kooperieren in diesem Forschungsprojekt Hersteller für Batteriezellen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen eng miteinander. „In Power 400 arbeiten wir mit dem renommierten Fraunhofer ISIT, der FH Kiel, der Custom Cells Itzehoe und der Netz Lübeck GmbH zusammen und das ist nur der Anfang“, beschreibt Prof. Tiedemann. Und weiter führt er aus: „Die Technik wird so erweitert, dass die Autos auch mit 1000 kW geladen werden können. So könnten zehn Autos gleichzeitig laden, ohne das Versorgungsstromnetz zu destabilisieren.“
Aktuell entsteht ein Test-Gebäude auf dem Gelände der Netz Lübeck GmbH. Damit kann Power 400 vom Labormaßstab auf den Industriemaßstab wachsen und sich der breiten Öffentlichkeit präsentieren. „Power 400 ist ein wichtiger Schritt zur Dekarbonisierung des öffentlichen Verkehrssystems und damit ein Beitrag zum Klimaschutz“, sagt der Professor für Elektromobilität und Leistungselektronik an der TH Lübeck.
Video: Prof. Tiedemann erklärt, was hinter FE-Alpha steckt:
https://www.youtube.com/watch?v=1Tu4tjVGdT0
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