Mehr Menschen sind dauerhaft von Armut bedroht
2018 lebte in Deutschland fast jede/r Sechste (15,8 Prozent) unterhalb der Armutsrisikoschwelle. Diese lag 2018 bei 1.040 Euro monatlich für einen Ein-Personen-Haushalt, bei einem Ein-Eltern-Haushalt mit einem Kind (unter 14 Jahre) bei rund 1.352 Euro. Der Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr (17,3 Prozent) leicht gesunken, das Armutsrisiko liegt aber deutlich über dem Niveau Ende der 1990er-Jahre (knapp 11 Prozent). Auch verfestigen sich die Armutsrisiken. Wer einmal unter die Armutsgrenze rutscht, verbleibt immer länger in diesem Einkommensbereich: Von den Personen, die im Jahr 2018 unter die Armutsrisikoschwelle fielen, waren 88 Prozent bereits in den vier Jahren zuvor (2014 bis 2017) zumindest einmal von Armut bedroht. Die Hälfte davon (44 Prozent) befand sich in diesem Zeitraum 4 Jahre durchgehend in diesem niedrigen Einkommenssegment. Damit hat sich der Anteil der dauerhaft von Armut bedrohten Personen an allen Armen in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als verdoppelt: 1998 betrug er noch 20 Prozent. Das Risiko, in Armut zu leben, ist besonders hoch für Alleinerziehende (41 Prozent), Menschen mit Hauptschulabschluss und ohne Berufsabschluss (35 Prozent) und Menschen mit Migrationshintergrund (29 Prozent).
Nur jede/r Zweite findet den eigenen Bruttolohn gerecht
Das hohe Ausmaß sozialer Ungleichheit schlägt sich auch in den Einstellungen und Wahrnehmungen der Menschen nieder. Nur knapp die Hälfte der Bevölkerung sieht das eigene (Brutto-)Einkommen als gerecht an. Vor allem niedrige Einkommen werden als ungerecht wahrgenommen. Sehr hoch ist auch der Anteil derjenigen, die sich dafür aussprechen, dass sich der Staat für den Abbau von Einkommensunterschieden engagieren soll. Das befürworten in Westdeutschland mittlerweile fast drei Viertel der Menschen (2002 war es noch weniger als die Hälfte), in Ostdeutschland sind es rund 80 Prozent.
Corona – finanziell trifft es Geringqualifizierte, Alleinerziehende, Selbstständige und Zuwander:innen
Große Unterschiede zeigen sich bei den finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie. So berichteten für Ende März bis Anfang Juli 2020 17 Prozent der an- und ungelernten Arbeiter:innen und knapp 14 Prozent der einfachen Angestellten von finanziellen Schwierigkeiten. Bei Bezieher:innen von Niedrigeinkommen war es fast jede/r Fünfte. Bei den Facharbeiter-, Meister- und qualifizierten Angestelltenberufen fielen die Anteile mit rund 9 Prozent deutlich niedriger aus. Am häufigsten waren Alleinerziehende (25 Prozent) und Selbstständige (20 Prozent) von finanziellen Problemen im Zuge der Pandemie betroffen. Auch Menschen, die nach Deutschland zugewandert sind, berichteten mit 15 Prozent fast doppelt so häufig von finanziellen Schwierigkeiten wie Menschen ohne Migrationshintergrund (8 Prozent).
Ungleiche Bildungschancen – vor und nach Corona
Nach wie vor hängen in Deutschland Bildungschancen stark von der sozialen Herkunft ab. Zwei von drei Kindern an Gymnasien haben Eltern, die selbst Abitur haben. Aber nur 8 Prozent der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten haben Eltern, die als höchsten Schulabschluss einen Hauptschulabschluss oder gar keinen allgemeinbildenden Schulabschluss besitzen.
In der Corona-Krise zeigt sich einmal mehr, dass auch materielle Voraussetzungen Bildungschancen beeinflussen. Augenfällig ist dies beim Zugang zu digitalen Unterrichtsformaten, für die es Computer und Tablets braucht. Familien mit höherem Einkommen besitzen im Durchschnitt mehr Endgeräte, während Familien mit niedrigen Einkommen oft nicht für jedes Kind einen Computer haben. So standen Familien mit hohem monatlichem Haushaltsnettoeinkommen (5.000 bis unter 18.000 Euro) Anfang 2020 im Durchschnitt vier PCs zur Verfügung. In der untersten Einkommensgruppe (unter 2.000 Euro) waren es durchschnittlich zwei Geräte.
Chancengleichheit bei der Bildung betrifft auch das Geschlechterverhältnis. Frauen holen auf, sind aber an der Spitze immer noch unterrepräsentiert. In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Professorinnen von 18 auf 26 Prozent gestiegen. Doch mit 21 Prozent ist nur jede fünfte der am höchsten besoldeten Professuren (C4 und W3) mit einer Frau besetzt. Der Anteil liegt damit immer noch auf traditionell niedrigem Niveau.
Corona – Homeoffice nutzen vor allem Besserverdienende
Während bis vor einem Jahr Homeoffice ein Randphänomen war und nur 5 Prozent überwiegend von zuhause aus gearbeitet haben, waren es während des ersten Lockdowns 23 Prozent. Bezogen auf diejenigen, die weiterhin beschäftigt und zum Beispiel nicht in Kurzarbeit waren, lag der Homeoffice-Anteil sogar bei knapp 30 Prozent. Einiges spricht dafür, dass Homeoffice infolge der Erfahrungen während der Corona-Krise eine neue Normalität für viele wird.
Allerdings sind die sozialen Unterschiede bei der Nutzung von Homeoffice enorm. Das liegt daran, dass einige Berufe wie Verkäufer:innen oder Busfahrer:innen nicht für Homeoffice geeignet sind – anders als typische Büroberufe wie Marketing oder Finanzdienstleistungen. Besonders selten arbeiteten Menschen in Berufen im unteren Drittel der Einkommensverteilung im ersten Lockdown von zuhause aus. So betrug in rund der Hälfte dieser Berufe der Homeoffice-Anteil weniger als 6 Prozent. Ganz anders zeigt sich das Bild bei Berufen im oberen Einkommensdrittel: Fast zwei Drittel dieser Berufsgruppen hatten einen Homeoffice-Anteil von 20 Prozent und mehr.
Anhaltende Geschlechterungleichheit
Auch wenn Elternzeit für Väter heute recht verbreitet ist, werden noch immer 90 Prozent der Elternzeitmonate von Müttern genommen. Zudem arbeiten viele Mütter in Teilzeit. Diese Arbeitsteilung hat Auswirkungen auf die finanzielle und berufliche Situation von Müttern. So stagniert beispielsweise das Berufsprestige und damit die Karriere von zweifachen Müttern nach ihrer Familiengründung nahezu gänzlich. Dagegen gewinnen kinderlose Frauen sowie Männer und Väter vom Berufseinstieg bis zum 45. Lebensjahr im Schnitt etwa 4 Prestigepunkte.
Dass viele Frauen und Männer nach der Familiengründung in alte Rollenmuster zurückfallen, liegt auch an gesellschaftlichen Normen: Fast 60 Prozent der Personen im Familienalter zwischen 24 und 43 Jahren denken, die Gesellschaft spreche einer vollzeiterwerbstätigen Mutter mit einem zweijährigen Kind ab, eine „gute Mutter“ zu sein. Demgegenüber stimmen aber nur 17 Prozent der Befragten selbst dieser Aussage zu. Die wahrgenommene gesellschaftliche Norm bildet also möglicherweise etwas anderes ab als die tatsächlichen Einstellungen in der Gesellschaft.
Der Datenreport wird herausgegeben vom Statistischen Bundesamt (Destatis), dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Zusammenarbeit mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP). Er erscheint als Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).
Die Buchausgabe ist ab April 2021 bei der Bundeszentrale für politische Bildung (www.bpb.de/shop) für 4,50 Euro erhältlich.
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