Talazoparib bei Brustkrebs: Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen

Für die Brustkrebs-Therapie wurde dieses Jahr mit Talazoparib ein weiterer Wirkstoff aus der Substanzklasse der PARP-Inhibitoren zugelassen, zu der etwa auch Olaparib und Rucaparib zählen. Voraussetzungen für den Einsatz sind das Vorliegen sogenannter BRCA1/2-Mutationen in der Keimbahn, ein HER2-negatives, lokal fortgeschrittenes oder metastasiertes Mammakarzinom sowie eine Vorbehandlung mit einem Anthrazyklin und / oder einem Taxan im neoadjuvanten, adjuvanten, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Setting – sofern für die Patientinnen und Patienten geeignet. Betroffene mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom sollten außerdem bereits eine endokrin-basierte Therapie erhalten haben, sofern diese für sie nicht ungeeignet ist.

In einer frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, ob Talazoparib diesen Patientinnen und Patienten einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie bietet. Das Fazit: Es gibt einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen. Allerdings fehlen wichtige Daten über das Befinden der Betroffenen nach einer Progression.

Tumorzellen sterben ab

PARP-Inhibitoren können für Menschen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs und einer bestimmten Keimbahnmutation eine Alternative zur Chemotherapie darstellen. Sie blockieren Poly-ADP-Ribose-Polymerasen (kurz: PARP), Enzyme zur DNA-Reparatur. Sind zugleich auch die Brustkrebs-Suszeptibilitäts-Gene 1/2 (kurz: BRCA1/2) mutiert, verfügen die Zellen über keine Möglichkeit mehr, Einzelstrangbrüche in ihrer DNA zu reparieren. Da solche DNA-Schäden in Tumorzellen nach einer Behandlung mit Zytostatika wie einem Chemotherapeutikum, einem Taxan oder Anthrazyklin gehäuft auftreten, sterben dann viele Tumorzellen ab. Voraussetzungen für den Einsatz eines PARP-Inhibitors sind daher eine entsprechende Vorbehandlung sowie die Bestimmung des Keimbahn-Mutationsstatus, denn wenn das BRCA1/2-Gen nicht mutiert ist, können die Krebszelle die PARP-Blockade umgehen.

Bewertung auf Basis einer Teilpopulation einer Multikomparatorstudie

Als zweckmäßige Vergleichstherapie hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Chemotherapie mit Capecitabin, Eribulin oder Vinorelbin oder aber eine anthrazyklin- bzw. taxanhaltige Therapie festgelegt, sofern Letzteres für die Betroffenen noch infrage kommt. Im Unterschied zu anderen eingesetzten Therapien (z. B. platinhaltigen Therapien) sind diese Wirkstoffe in Deutschland für die vorliegende Indikation zugelassen.

Die Bewertung erfolgt auf der Basis der Multikomparatorstudie EMBRACA, in der eine Teilpopulation gemäß der zweckmäßigen Vergleichstherapie behandelt wurde. Allerdings ist das Verzerrungspotenzial der Studie und ihrer Endpunkte hoch, sodass aus den Ergebnissen höchstens Anhaltspunkte für einen größeren Nutzen oder Schaden abgeleitet werden können.

Beobachtungen wurden nach Progression abgebrochen

Erschwert wurde die Bewertung durch die kurze und zwischen den Studienarmen stark unterschiedliche Beobachtungszeit für alle Endpunkte außer der Mortalität: Die Betroffenen wurden 30 Tage nach Ende der Behandlung letztmalig zu ihren Beschwerden und ihrer Lebensqualität befragt. Die Behandlung dauerte im Median im Talazoparib-Arm knapp sieben Monate, im Chemotherapie-Arm aber – aufgrund vieler früher Abbrüche wegen Progression – nur gut drei Monate. Der Rücklauf der entsprechenden Fragebögen nahm hier also im Studienverlauf stärker ab als im Talazoparib-Arm.

Diese Datenlage erlaubt keine Aussagen über die Zeit bis zur dauerhaften Verschlechterung. Insbesondere aber fehlen Daten zu der Frage, wie es den Patientinnen und Patienten nach Progression der Erkrankung geht und welche Auswirkungen die Progression auf ihre Lebensqualität hat. „Nötig wäre es, diese Veränderungen über den gesamten Studienzeitraum zu erheben, also auch nach einer Progression“, meint dazu Volker Vervölgyi, der im IQWiG als Bereichsleiter für die Nutzenbewertung von Onkologika zuständig ist. „Und machbar wäre das auch.“

Positive Effekte überwiegen

Für den Endpunkt Gesamtüberleben zeigt sich zwar kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen. In den anderen Endpunktkategorien gibt es dagegen viele positive und nur wenige negative Effekte von Talazoparib im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie. So ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität – global und in allen relevanten Funktionsskalen – besser als in den Vergleichsarmen der Studie, und zwar zum Großteil beträchtlich. Bei den nicht schwerwiegenden und nicht schweren Symptomen bzw. Folgekomplikationen, Endpunkten der Kategorie Morbidität, zeigen sich ebenfalls Vorteile in mehreren Symptomskalen, etwa bei Schmerzen oder Schlaflosigkeit. Bei den schwerwiegenden / schweren Nebenwirkungen gibt es neben positiven auch negative Effekte von Talazoparib im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie. Die Nachteile beschränken sich auf die spezifischen Nebenwirkungen Anämie und Thrombozytopenie. In der Kategorie der nicht schwerwiegenden bzw. nicht schweren Nebenwirkungen hat der neue Wirkstoff wiederum Vorteile in mehreren Endpunkten.

In der Gesamtschau gibt es einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen von Talazoparib gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie.

G BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G-BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.

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Das IQWiG ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten untersucht. Wir informieren laufend darüber, welche Vor- und Nachteile verschiedene Therapien und Diagnoseverfahren haben können

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