• Bundesregierung plant deutliche Verringerung von Pflicht-Lebensmittelkontrollen
• Verbände warnen vor weiterer Verschärfung der Personalsituation in den Ämtern
• Länderkammer könnte bereits am 18. September über Reform abstimmen
Amtstierärzte, Lebensmittelkontrolleure und Verbraucherschützer haben den Bundesrat aufgefordert, die von der Bundesregierung geplante Reform der Lebensmittelüberwachung im Bundesrat zu stoppen. Das Vorhaben von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, das die Länderkammer bereits im September verabschieden könnte, würde eine deutliche Schwächung der Lebensmittelsicherheit in Deutschland mit sich bringen, erklärten der Bundesverband der beamteten Tierärzte (BbT), der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands (BVLK) und die Verbraucherorganisation foodwatch am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin. Entgegen den Aussagen des Bundeslandwirtschaftsministeriums hätte eine Verabschiedung des Klöckner-Entwurfs eine drastische Reduktion der vorgeschriebenen Zahl von Betriebskontrollen (Plankontrollen) zur Folge. Die personelle Situation in den ohnehin oft unterbesetzten Ämtern würde sich weiter verschärfen.
„Bei einer voraussehbaren Reduzierung der Plankontrollen um bis zu 30 Prozent ist von einem Rückschritt beim vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutz auszugehen. Eine Fokussierung auf Anlasskontrollen bedeutet, den Lebensmittelrechtsverstößen und damit der Gefährdung der Verbraucher hinterherzulaufen“, sagte Dr. Holger Vogel, Präsident des Bundesverbandes der beamteten Tierärzte.
„Eine Verringerung der Kontrollhäufigkeit sollte immer das Ergebnis einer guten Unternehmerleistung und nicht der Kassenlage der öffentlichen Hand geschuldet sein“, erklärte Maik Maschke, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands e.V. (BVLK).
„Keine Landesregierung darf diesem fehlgeleiteten Klöckner-Entwurf im Bundesrat zustimmen, dem zufolge sogar Skandalbetriebe aus der Kategorie des Wurstherstellers Wilke deutlich seltener kontrolliert werden müssten als bisher“, forderte Martin Rücker, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch. „Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner täuscht die Öffentlichkeit, indem sie ihre Reform als Stärkung der Kontrollen verkauft: Das glatte Gegenteil ist der Fall. Die Lebensmittelüberwachung benötigt unabhängige Strukturen, Transparenz, einen konsequenten Vollzug und endlich die nötigen Stellen, um ihren Aufgaben nachkommen zu können – stattdessen sollen nun einfach die Vorgaben soweit reduziert werden, bis sich der notorische Personalmangel statistisch kaschieren lässt. Hier müssen die Länder ihr Veto einlegen.“
Wie oft die Behörden so genannte Plankontrollen in den Lebensmittelbetrieben durchführen müssen, regelt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift Rahmen-Überwachung (AVV RÜb). Abhängig von der Risikoeinstufung eines Betriebes ist festgelegt, wie viele Pflichtkontrollen eine Behörde dort durchführen muss. Die Vorschrift wird von Bundesregierung und Bundesrat verabschiedet. Ende Juli hatte das Bundeskabinett auf Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine Neufassung der AVV RÜb beschlossen und den Ländern zur Zustimmung übersandt. Bereits am 18. September könnte der Bundesrat über die Reform entscheiden. Der Klöckner-Entwurf sieht insbesondere für Betriebe in den höheren Risikoklassen eine Reduktion der verpflichtenden Kontrollen vor: Wo bisher beispielsweise tägliche Besuche vorgeschrieben waren, soll künftig nur noch wöchentlich kontrolliert werden; Betriebe in der zweiten Risikoklasse fallen von wöchentlichen auf monatliche Pflichtkontrollen zurück.
Mehr Informationen und Quellen:
Warum die geplante Reform eine gravierende Schwächung der Lebensmittelüberwachung in Deutschland bedeutet: www.foodwatch.org/fileadmin/-DE/Themen/Lebensmittelkontrollen/2020-08-28_Hintergrund_zur_Reform_der_AVV_RUEb.pdf
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