13 internationale Kulturprojekte in der neunten Runde des Internationalen Koproduktionsfonds des Goethe-Instituts gefördert

Mit dem Internationalen Koproduktionsfonds fördert das Goethe-Institut seit 2016 kollaborative Arbeitsprozesse sowie Neuproduktionen in den Bereichen Musik, Theater, Tanz und Performance, die im internationalen Kulturaustausch entstehen. In der mittlerweile neunten Runde wählte eine internationale Jury nun 13 Koproduktionsprojekte von deutschen und internationalen Künstler*innen u. a. aus Kolumbien, Ghana, Rumänien, China, den Palästinensischen Gebieten, Honduras und Japan aus. Die Partner*innen werden ab September 2020 gemeinsam neue Produktionen entwickeln.

Von insgesamt 120 Bewerbungen wählte die Jury, bestehend aus Gurur Ertem (Soziologin, Tänzerin und Choreografin), Meike Fechner (Geschäftsführerin ASSITEJ Deutschland), Katalin Erdödi (Freie Dramaturgin und Kuratorin im Bereich Performance), Arno Raffeiner (Freier Autor und Musikjournalist) und Christoph Bartmann (Leiter des Goethe-Instituts Warschau) folgende Koproduktionen aus:

Musik:

„LENdscapes“

„LENdscapes“ ist ein Projekt im Bereich der zeitgenössischen Musik und deren Vermittlung. Es bringt zwei Musikformationen aus zwei Staaten zu einer ungewöhnlichen Koalition zusammen: das litauische Ensemble LENsemble und das deutsche Lautsprecherorchester BLO, bestehend aus 34 Akusmonium-Lautsprechern und deren Klangregisseur*innen. Bei einem Konzert wird der Frage der Austauschbarkeit von realen Musiker*innen durch virtuelle Musiker*innen nachgegangen. Vier Komponisten aus Deutschland und Litauen liefern dazu eigens komponierte Musik. Laienmusiker*innen können in den Monaten vor dem Konzert im Internet ausgewählte Passagen einstudieren und am Konzerttag zusammen mit den Lautsprechern musizieren.

Beteiligte: LENsemble (Litauen), pgnm (Deutschland), GAIDA Festival (Litauen), Musikmesse Festival (Deutschland)

„Kame – nozoki“

„Kame – nozoki“ bezeichnet das sehr helle Blau, das bei der Färbung von Textilien mit der Indigopflanze entsteht und das allererste Erscheinen des Indigos in der Färbewanne. Diese erste Spur einer Idee oder Vision ist die Grundlage für das Projekt, das an der Schnittstelle von Konzert und Theater changiert und die Organistin Jun Sagawa und die Nō-Sängerin Ryoko Aoki unter der Regie von Lea Letzel zusammenbringt. Aufführungsorte sind die Kapelle der Doshisha Elementary und Highschool in Kyoto (Japan) und die Kunst-Station St. Peter in Köln (Deutschland).

Beteiligte: Jun Sagawa (Japan), Ryoko Aoki (Japan), Lea Letzel (Deutschland)

Theater:

„A Broken Theatre – A Broken Dream“

Im Sommer 2018 wurde das Saeed al-Mishal Theater in Gaza Stadt durch einen Luftangriff zerstört. Diese Zerstörung ist der Ausgangspunkt für das Theaterprojekt „A Broken Theatre – A Broken Dream“, das in Palästina, Deutschland und Österreich aufgeführt werden soll. Schriftsteller*innen und Theaterschaffende aus Gaza entwickeln Texte, Berichte, Gedichte und Szenen für ein Theaterstück mit fünf Performer*innen. Diese Performance entdeckt und erzählt Geschichten, die sowohl konkret als auch metaphorisch unter den Ruinen des Theaters begraben wurden; sie thematisiert, was in einem solchen Theater heute oder zukünftig aufgeführt werden würde. Theater hat viele Bedeutungen in einer Lebenswelt, die durch Krieg und Gewalt erschüttert ist: es bietet eine Plattform für künstlerische und literarische Strategien jenseits von politischen Spannungen und kreiert einen sicheren Raum für künstlerischen Ausdruck und Reflexionen.

Beteiligte: Bozour Theater Collective (Palästinensische Gebiete), Clemens Bechtel (Deutschland)

„Proyecto Caravana“

Das Stück „Proyecto Caravana“ erkundet das Phänomen der Migration unter Verwendung zeitgenössischer Techniken von Puppenspiel und Objekttheater. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen honduranischen Schauspieler*innen vom Teatro Taller Tegucigalpa, der deutschen Puppenspielerin Esther Falk (Mitglied des nachhaltig-integrativen Kulturvereins Labyrinth), der österreichischen Schauspielerin Clara Siersch und dem US-amerikanischen Dramatiker Carlos Morton. In drei Produktionsphasen, die jeweils an einem anderen Ort stattfinden werden, entsteht eine performative „Karawane“, die in Mittelamerika, Mexiko, USA und Deutschland präsentiert wird.

Beteiligte: Asociación Teatro Taller Tegucigalpa (Honduras), Esther Falk (Deutschland), Clara Siersch (Österreich), Carlos Morton (USA)

„Muncă ≠ Arbeit“

Ausgehend von ihren persönlichen Erfahrungen untersuchen die Kollektive REPLIKA und CKK die Situation von rumänischen Arbeitsmigrant*innen in Deutschland. In Workshops (u. a. mit Jugendlichen) werden verschiedene Perspektiven erkundet und darauf aufbauend experimentelle Theaterformate (Radio- und  Theaterperformances) entwickelt. In der aktuellen Corona-Pandemie fragen die beiden Kollektive, ob eine Relevanzverschiebung hin zu Entschleunigung, Wertschätzung, moralischer Verantwortung und Nachhaltigkeit dauerhaft umgesetzt wird und was eine positive Identifikation mit Arbeit bedeutet.

Beteiligte: REPLIKA (Rumänien), Citizen.KANE.Kollektiv (Deutschland)

Tanz:

„A Pit on the Mountain“

90 Tage lang werden sieben Künstler*innen aus Brasilien, Deutschland und China im Rahmen einer Residenz in Stone Village wohnen, einem Dorf in Ji’nan, China, das derzeit urbanistisch neu gestaltet wird. Die Künstler*innen werden die im Wandel stehende Landschaft, die Kommerzialisierung des Ortes und sich verändernde kulturelle Tradition bei täglichen Auftritten im öffentlichen Raum performativ erkunden. Die Uraufführung der dabei entstehenden Produktion „A Pit on the Mountain“ findet im Rahmen des Beijing Fringe Festival 2020 statt.

Beteiligte: Ning Li (China), Daniel Palva de Miranda (Deutschland), Sija Chen (Frankreich), Pedro Henrique Rezende Moreira (Portugal), Gabriela Cordovez da Costa Franco (Brasilien), Sanyuan Yan (China)

Interdisziplinär:

„Iwakura“

Die audiovisuelle Performance des Videokünstlers Ali Mahmut Demirel und des Ambient-Musikers Kazuya Nagaya ist von der japanischen Mythologie inspiriert. Durch die Verbindung des organischen Videomaterials Alis und der vom Zen-Buddhismus inspirierten Musik Kazuyas schicken die Künstler die Besucher*innen auf eine Entdeckungsreise zu den magischen Felsformationen „Iwakura“. Im Vordergrund steht die Erkundung alternativer Narrative der Welt, um neue Formen transkulturellen Dialogs zu finden. In der Wiederentdeckung der Verbindung des Menschen zu seiner natürlichen Umgebung soll die Menschheit sich selbst neu wertschätzen lernen.

Beteiligte: Maurice Jones (Japan), Ali Mahmut Demirel (Deutschland), Kazuya Nagaya (Japan)

„Every Active Entity“

Anton Wilhelm Amo (ca. 1703-1753) war der erste schwarze Philosoph, der an einer deutschen Universität studiert und gelehrt hat. Sein Leben und Denken sind mit der Geschichte der Aufklärung wie mit der Geschichte des Kolonialismus untrennbar verwoben. Sein Werk, in dem er die Legitimität kolonialer Herrschaft in Frage stellte, ist jedoch bis heute nur wenigen bekannt. Mit der Theaterproduktion „Every Active Entity“ wird der Versuch unternommen, Amos Platz in der Geschichte neu zu vermessen. Die Theaterperformance widmet sich ausgesuchten Aspekten aus Amos Werk, sowie biografischen und historischen Motiven.

Beteiligte: Ekua Ekumah (Ghana), Theater des Ostens (Deutschland), Vivian Boateng (Ghana)

„Manila Zoo“

Das von der philippinischen Choreografin Eisa Jocson und der deutschen Musikerin Charlotte Simon geleitete Performance-Projekt erforscht das Verhältnis von Mensch und Tier, von Arbeit und Isolation, von Blick und Spektakel. Ausgangspunkt ist das gemeinsame Interesse an Tieren und deren Darstellung in der Populärkultur, insbesondere die Welt von Disney und die ihr innewohnenden Ideologien von Arbeit und Zuneigung sowie die konstante Anthropomorphisierung der Tiere. „Manila Zoo“ erforscht unter anderem mittels Klangperformances die Rolle philippinischer Künstler*innen in Disneyland, die als Tierdarsteller*innen das Fundament des Kapitalismus, Reichtum und Wohlstand mit aufbauen, während sie als Wanderarbeiter*innen in Existenznöte gedrängt werden. Das Projekt verbindet die von Mensch und Tier unter Zwängen und in Gefangenschaft geteilten Psychosen und verwandelt diese in ein kollektives Aufbegehren. Dabei entstehen drei unterschiedliche Varianten des Stücks: eine digitale Version, eine kombinierte Bühnen- und Online-Performance sowie eine Bühnenversion.

Beteiligte: Maria Frances Ysabel Jocson (Philippinen), Charlotte Simon (Deutschland), Taipei Arts Festival / Taipei Performing Arts Center (Taiwan), Künstlerhaus Mousonturm (Deutschland)

„Colonialism – A Musical Oral History Performance for Children“

Der Künstler Sven Kacirek und die Künstlerin Grace Wangari sind der Überzeugung, dass elementare Kenntnisse über die Kolonialzeit eine grundlegende Voraussetzung sind, um aktuelle politische und soziologische Entwicklungen verstehen zu können. Kinder aus Kenia und Deutschland erzählten ihnen, dass die Kolonialgeschichte in der Schule nur am Rande erwähnt werde. Aus diesem Grund wollen die beiden Künstler*innen an einer musikalischen Oral History Performance über die Kolonialzeit von 1870 bis 1970 für Kinder zwischen 8 und 12 Jahren arbeiten. Der Fokus wird dabei stark auf afrikanische Perspektiven gerichtet sein.

Beteiligte: Grace Wangari (Kenia), Sven Kacirek (Deutschland)

„Bones Rising“

Ausgehend vom namibischen Volksmärchen „Human Bones“ entsteht eine multimediale Präsentation, eine zeitgenössische Transposition traditioneller Storytelling-Praktiken mit Hilfe von Körpertheater, Sound Design, Fotografie, Video und Augmented Reality-Techniken. Dafür arbeiten Kunstschaffende aus Namibia, Deutschland, Simbabwe und Kamerun eng zusammen. Die Nachwirkungen der geteilten Kolonialgeschichte sollen für Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 16 Jahren sichtbar gemacht werden. Das Projekt bietet zudem weiteren Kulturschaffenden und Künstler*innen in den afrikanischen Partnerländern die Möglichkeit, den Einsatz neuer Medientechnologien in der Performance-Kunst weiterzuentwickeln.

Beteiligte: VM BORN STARS PRODUCTIONS CC (Namibia), Urban Dialogues (Deutschland), Arch Indigo Group (Zimbabwe), CAPACMA-PROC (Kamerun)

„P for Pischevsky“

Der Fall Mikhail Pischevskys, der nach einer Party für Homosexuelle in Minsk ermordet wurde, ist Ausgangspunkt und Gegenstand dieser Theaterperformance. Aus Originalprotokollen der Prozessanhörungen und Techno-Tracks entsteht die verzerrte Nachstellung der Gerichtsanhörung auf einer Tanzfläche. Die Schauspieler*innen und die Zuschauer*innen interagieren dabei in verschiedenen Rollen miteinander und mit Hologrammen.

Beteiligte: HUNCHtheatre Belarus / Delo Pi_ Campaign Against Homophobi (Weißrussland), CHEAP (Deutschland)

„Awera“

Die Koproduktion zwischen der kolumbianischen Musikerin und interdisziplinären Künstlerin Natalia Escobar, auch Poison Arrow genannt, und Künstler*in und Filmemacher*in Simon(e) Paetau aus Deutschland schafft ein Gesamtkunstwerk in Form einer audiovisuellen Live-Performance und einer abendfüllenden LP-Aufnahme. Diese Arbeit wird auf den Geschichten und Erfahrungen basieren, die sie mit einer Gruppe von indigenen Transgender-Kaffeepflücker*innen in Santuario, Kolumbien, gesammelt haben, die wegen ihrer Transidentität von den Embera-Chami- und Embera-Katio-Stämmen verstoßen wurden. Die Trans-Embera-Frauen wollen eine neue Gemeinschaft aufbauen. Um ihre Geschlechtsidentität und ihre kulturelle Gemeinschaft zu behaupten, setzen sie bewusst traditionelle Musik, Tanz und Kleidung ein und zeigen unterschiedliche Wege auf, eine Frau und gleichzeitig eine Embera zu sein.

Beteiligte: Natalia Sanchez Escobar (Kolumbien), Simon(e) Paetau (Deutschland)

Die nächsten Bewerbungsfristen für den Internationalen Koproduktionsfonds für Projekte, die 2021 starten, sind am 15. Oktober 2020 und 15. April 2021.

Weitere Informationen unter: www.goethe.de/ikf

Mit dem „Internationalen Koproduktionsfonds“ des Goethe-Instituts werden Koproduktionen von Künstler*innen in den Bereichen Theater, Tanz, Musik und Performance gefördert, was auch hybride und interdisziplinäre Formate einschließt. Zu den Vergabekriterien zählen neben einer hohen künstlerischen Qualität das Innovationspotential, die Relevanz der beteiligten Künstler*innen in ihren Szenen, der Bezug auf aktuelle gesellschaftliche Diskurse sowie die Nachvollziehbarkeit des Finanzplans. Bewerben können sich Künstler*innen sowie Ensembles und Initiativen im Ausland und in Deutschland. Aus der gemeinsamen Bewerbung muss klar hervorgehen, dass bereits gute Arbeitskontakte bestehen und ein beidseitiges Interesse an der gemeinsamen Produktion vorliegt. Die Bewerbung erfolgt durch den/die ausländische*n Partner*in. Begleitet wird die Ausschreibung von den örtlichen Goethe-Instituten weltweit. Der Fonds fördert nicht nur die Produktionsentwicklung, sondern ermöglicht auch regionale Künstler*innentreffen, die durch die lokalen Goethe-Institute durchgeführt, den Austausch und die Nachhaltigkeit der Projekte sichern.

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