Markus Lüpertz in der Karlsruher Majolika Manufaktur

Mitten im Umbruch und mit neuer Geschäftsleitung leidet die traditionsreiche Karlsruher Manufaktur massiv unter den aktuellen Beschränkungen. Parallel nimmt wohl eines der größten Werke in der Geschichte der Majolika, nahezu unbeschadet von diesen Einflüssen, mehr und mehr Gestalt an. Das erste Bild aus dem 14 Werke umfassenden Gesamtkunstwerk von Markus Lüpertz für die Karlsruher U-Bahn wird derzeit vom Künstler bemalt.

Aufgrund der Größe und der Schwere des Kunstwerkes erfolgt dies im größten Atelier der Majolika auf einer speziell dafür entwickelten und gebauten XXL-Staffelei. Noch bis spät in den Abend hinein wurde am Mittwoch gehämmert, gesägt und geschweißt. Spezielle Hebewerkzeuge und Halterahmen aus Stahl wurden in Position gebracht, um die 10 Platten dieses ersten Bildes – jede davon rund 150 kg schwer – dort aufzulegen. Zwei Reihen zu je 5 Platten aus Ton mit einer Fläche von 2 mal 4 Metern und einem Gesamtgewicht  von über 1,5 Tonnen liegen nun auf der Staffelei. Der Ton ist errötet. Aus Respekt vor dem großen Künstler? Nein, nach dem ersten Brand nimmt der, beim Trocknen noch graue Ton, die rote Farbe an. Markus Lüpertz hat vorab bereits zahlreiche Glasuren ausgewählt und verschiedene Testbrände absolvieren lassen, um die endgültigen Farben – auf dem speziell für das Kunstwerk im Westerwald ausgewählten Ton – sehen zu können. Die Farbdiskrepanz zwischen den mit dem Pinsel aufgetragenen Glasuren, die sich anfühlen wie feiner Staub, und dem Ergebnis nach dem dann folgenden zweiten Brand, dem Glasur- oder Glattbrand, ist erheblich. Daher braucht der Künstler viel Phantasie und Einfühlungsvermögen, um das Ergebnis in Gedanken vorwegzunehmen.

Nun stehen neben der Staffelei zahlreiche Eimer und Schüsseln mit vielen farbigen Steinzeug-Glasuren. Glasuren, die den härtesten keramischen Brand bei 1200 Grad aushalten und die dann seidenmatt glänzen werden. So möchte es Markus Lüpertz für sein Werk. Er hat das Ergebnis bereits verinnerlicht und startet voller Energie.

Was ist bisher geschehen? Nach ausreichenden Förderzusagen und dem anschließenden offiziellen Start – mit einer kleineren Testplatte im Frühjahr 2019 – folgten mehrere Gespräche mit der KASIG, dem Bauherrn der Karlsruher U-Strab. Es ging dabei um Statik, Brandschutz, Revisionsfähigkeit, Rahmen, die sichere Anbringung und möglicherweise später einmal der Entfernung der extrem großen und schweren Keramikplatten. Ende Oktober 2019 folgte schließlich die Freigabe.

Rasch wurde eine spezielle Gipsform bei einem Spezialisten aus dem deutschen keramischen Zentrum, dem Westerwald, gefertigt, die, aufgrund der späteren Schwindung des Tones durch Trocknung und zwei Brände, um rund zehn Prozent größer als das spätere Kunstwerk sein musste, inkl. berechneter Fugen. So entstand eine Gipsform in der Größe 2,2m x 4,4 m mit einem Gewicht von rund 1,5 Tonnen.

Der ausgewählte Ton wurde extrudiert, um Lufteinschlüsse zu eliminieren. Damit er als Grundlage für das Werk dienen kann, musste er daraufhin sehr aufwändig von Hand in die Form eingedrückt und auf sieben Zentimeter Stärke aufgebaut werden. Daraus hat Markus Lüpertz zwischen den Jahren sein erstes Bild modelliert. Ton aufsetzen und Ton wegnehmen, um eine starke und ausdrucksvolle Reliefierung zu schaffen.

Nach rund 10 Wochen war der Trocknungsprozess abgeschlossen. Dann stoppte Corona auch die Majolika. Sie musste längere Zeit komplett geschlossen bleiben. Vergangene Woche nun konnte der erste Brand, der sogenannte Schrühbrand, bei 940 Grad in speziellen Gasöfen erfolgreich durchgeführt werden.

Wie geht es nun weiter? Beim Glasurbrand in den nächsten beiden Wochen erhalten die Platten ihre endgültige Größe und Farbe. Anschließend kommt der erhabene Moment und das komplette Kunstwerk wird ausgelegt, begutachtet, vermessen und für den Einbau freigegeben. Der Einbau des ersten Kunstwerkes ist entscheidend, denn er dient als Blaupause für die Arbeit an den weiteren 13 Kunstwerken. Langsam wird die Zeit knapp. Der Einbau ist sehr aufwändig und trotz ihrer umfassenden Erfahrung mit „Kunst am Bau“-Projekten, betritt auch die Fliesenfirma bei diesem einmaligen Projekt hier völliges Neuland. Nach der Abnahme des ersten Kunstwerkes durch den Künstler vor Ort, wird es sorgfältig abgedeckt und verbleibt so bis zur offiziellen Eröffnung.

Die weiteren Kunstwerke werden nach ihrer Fertigstellung ebenfalls zeitnah eingebaut und geschützt. Das gesamte Kunstwerk lebt mit und vom Überraschungseffekt. Das gab es so wohl noch nie, dass ein Künstler völlig freie Hand bekommt vom Gemeinderat und von den Förderern des Projektes. Das ist einzigartig und eine Premiere für Deutschland. Eine Initiative aus der Bürgerschaft, verbunden mit einem gemeinnützigen Verein, ermöglicht dieses außergewöhnliche Experiment.

Mit den Erkenntnissen des ersten Kunstwerkes werden anschießend zwei bis drei weitere Gipsformen aufgebaut, damit Markus Lüpertz parallel an mehreren Objekten arbeiten kann. Die Grenze zieht die Statik des ehrwürdigen Majolika-Gebäudes, denn zusammen sind es rund 3 Tonnen, welche die Form und der Ton für ein einziges Bild auf den Boden bringen.

Die gesamte Koordination mit allen Beteiligten und die Ablaufplanung wird vom Initiator und Promoter des Gesamtprojektes, Anton Goll, durchgeführt in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vorstandes des gemeinnützigen Vereines Karlsruhe Kunst Erfahren e.V.

Nun freuen sich der Verein und Markus Lüpertz, dass das alles gemeinsam mit der Majolika und Ihrem neuen Geschäftsführer, Klaus Gutkowski, weiterhin reibungslos zu schaffen ist. Die Eröffnung, kann dann, wie geplant, einige Wochen nach der offiziellen Eröffnung der U-Bahn in einem gesonderten Akt und einem außergewöhnlichen Rahmen stattfinden.

So hat Markus Lüpertz, der jetzt regelmäßig zwischen Berlin, Düsseldorf und Karlsruhe pendelt, der Stadt Karlsruhe ein großes Geschenk gemacht und sich selbst in seinem 80. Lebensjahr ein Denkmal gesetzt.

Der Verein hat an der zentralen Wand der Freunde und Förderer des Projekts noch einige wenige Plätze frei, um sich, im Rahmen unterschiedlicher Partnerschaften, bei Genesis mit einzubringen.  Weitere Informationen zum Gesamtprojekt unter www.karlsruhe-kunst-erfahren.de

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