Diskussionsrunde mit dem Handwerk: Immer wieder geht es auch um Wertschätzung

Es gab so einige Punkte zu besprechen beim „Runden Tisch Handwerk“, zu dem die Grünen-Landtagsabgeordnete Dr. Susanne Aschhoff und Elke Zimmer weitere Parteikollegen sowie Vertreter des regionalen Handwerks geladen hatten: Fachkräftesicherung, Nachwuchsgewinnung, Bürokratieabbau, Transformationsthemen – und immer wieder: Wertschätzung. Die Themen zogen sich durch alle Gewerke und damit reihum den Tisch, an dem die Obermeister verschiedener Innungen, der Präsident und der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald sowie Vorstandsmitglieder des Branchenverbandes Bauwirtschaft Baden-Württemberg Platz nahmen und dort neben den Gastgeberinnen auch auf die Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen, den Landtagsabgeordneten Martin Grath sowie die Mannheimer Stadträtin Nina Wellenreuther trafen. 

Zum Bürokratismus

Die Politikerinnen und Politiker vom Bündnis 90/Die Grünen waren zur Diskussion gekommen und um zu hören, was sie vielfach schon wussten. „Vier von 12,5 Stunden verbringen Handwerksbetriebe mit Bürokratismus“, sagte Martin Grath, handwerkspolitischer Sprecher der Grünen Fraktion und als Biobäcker selbst im Handwerk tätig. Bei den Handwerksvertretern am Tisch stieß er mit seiner Kritik auf offene Ohren. Vielfach herrsche das Gefühl vor, sich mehr mit Bestimmungen zu befassen, anstatt seinen eigentlichen Beruf auszuüben. Nur ein Beispiel ist das Baugewerbe. „Wir haben auf europäischer Ebene 3.400 Bauvorschriften“, sagte Sven Gundacker, Geschäftsstellenleiter bei der Bauwirtschaft Baden-Württemberg in Mannheim. „Das macht nicht nur die handwerkliche Berufsausbildung schwierig, sondern nimmt unseren Handwerkern die Freude an ihrem Handwerk.“

Auch Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen sah die Notwendigkeit zum Bürokratieabbau. Deshalb prüfe man im Wirtschaftsministerium anhand von Praxischecks wie Antragsformulare gestrafft werden könnten. „Wir gehen jeden einzelnen Schritt durch und schauen, welcher Schritt ist notwendig und welchen kann man streichen“, sagte sie. Auch im Hinblick auf das Gründungsverhalten im Handwerk forderte sie, die Rahmenbedingungen zu erleichtern. „Wir haben an den Unis ganz viele Studenten mit Gründungsideen – an den Berufsschulen aber kaum“, meinte sie und folgerte: „Handwerker haben andere Schwerpunkte – sie sind kreativ und produktiv. Wenn man sie immer mit Bürokratie belastet, dann leidet das.“

Zur Ausbildung

Einigkeit herrschte unter den Teilnehmenden auch darüber, dass die verschiedenen Bildungswege als gleichwertig betrachtet werden müssen. Im Zuge dessen wurde auch die generelle Wertschätzung für das Handwerk thematisiert. „Ich wünsche mir, dass Handwerk nicht als minderwertig angesehen wird“, sagte Jochen Vowinkel, Obermeister der Raumausstatter- und Sattler-Innung Rhein-Neckar, dessen Betrieb im vergangenen Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiern konnte. Auch Steffen Haug, Obermeister der Schreiner- Innung Region Mannheim betonte: „Wertschätzung ist die wichtigste Sache, um Leute ins Handwerk zu bekommen.“ Dies beginne bei den Auszubildenden, ziehe sich aber weiter fort. „Wir haben gute, funktionierende Schreinereien, die zumachen müssen, weil ihnen der Nachwuchs fehlt“, sagte er. „Viele im Handwerk sind sehr verunsichert und sorgen sich vor der Zukunft.“

Für Stephan Kolb, Obermeister der Innung für Elektro- und Informationstechnik Kurpfalz, beginnt das Dilemma bereits in den Schulen und davor. Schon in den Kindergärten gebe es keinen verlässlichen Ablauf, unter anderem auch bei der Verfügbarkeit von Plätzen, obwohl diese seit 1996 gesetzlich zugesichert seien. Insbesondere bei der Integration ausländischer Kinder werde dies zunehmend zum Problem, wie der Fall in der Gräfenau-Grundschule in Ludwigshafen zeige, wo auch dieses Jahr wieder 44 Kinder die erste Klasse wiederholen müssten, weil sie nur unzureichend Deutsch sprächen. „Wir brauchen diese Menschen später aber“, betonte Kolb. Aus seiner Sicht sinnvoll seien leistungsgerechte Schulen wie beispielsweise Gesamtschulen. Dr. Susanne Aschhoff stimmte zu, dass viel früher mit der Bildungsarbeit begonnen werden müsse. Mannheim betrachtete sie bei der Schulstruktur aber als vorbildlich. „Da gibt es andere Städte, beispielsweise Tübingen, die fast nur noch Gymnasien haben“, so ihr Hinweis.

Dass die Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen in manchen Elternhäusern nicht angekommen sei, bestätigte auch Landtagsabgeordnete Elke Zimmer aus ihrer Erfahrung als frühere Berufsschullehrerin. „Es macht mir gesellschaftlich große Sorgen, dass Eltern sich rechtfertigen müssen, wenn ihr Kind ‚nur‘ eine Ausbildung macht“, sagte die Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg. Dabei biete das Handwerk in seiner Berufsvielfalt für jeden die passende Aufgabe. „Früher hieß es: In der Schule nicht aufgepasst, dann wirst du Gipser. Das ist längst nicht mehr so. Wir bieten viele Möglichkeiten auch für Abiturienten“, sagte Achim Bauer, Obermeister der Stuckateur- und Gipser-Innung Mannheim.

Klaus Hofmann, Präsident der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald, betrachtete die Bildung als ganzheitliches Thema. „Wir müssen Bildung insgesamt fördern“, betonte er. In Bezug auf die Bildungsakademie der Handwerkskammer, in der Handwerkslehrlinge die überbetriebliche Ausbildung absolvieren, bat er die Politik um Unterstützung und Investitionshilfen. „Es geht dabei nicht nur um die Instandhaltung der Gebäude, sondern auch um die Ausstattung, damit die Ausbildung den neuesten Standards entsprechend kann“, so der Kammerpräsident. Der aktuell eingestellte Betrag reiche bei Weitem nicht aus. Der Investitionsbedarf in den Bildungsstätten liege bundesweit vielmehr beim 20-fachen Faktor. Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen hob hervor, dass „Stand jetzt“ 120 Millionen Euro für Bildungsstätten im Haushalt eingestellt seien. „Das ist ein Bereich, den wir noch einmal priorisiert haben. In vielen anderen Bereichen wurde gekürzt“, sagte sie.

Kritisch betrachteten die Vertreter des Handwerks den Entwurf zum Berufsvalidierungsgesetz, einhergehend mit der Sorge, dass dieses die Ausbildung unattraktiver mache. „Unser duales Bildungssystem ist eines der besten der Welt“, sagte der Obermeister der Friseur und Kosmetik Innung Mannheim – Stadt und Land, Salvatore Iaci. Es sei zumindest angezeigt, die Altersgrenze zu erhöhen, regte er an.

Zur Transformation

Dringende Nachbesserungen empfehlen die Handwerksvertreter beim Gebäudeenergiegesetz. „Das GEG ist so komplex, dass es nicht nur der Bürger nicht versteht, sondern auch der Profi aus dem Handwerk nicht“, sagte Thorsten Badent, Obermeister der Schornsteinfegerinnung für den Regierungsbezirk Karlsruhe. Auch die Handhabung bei den Fördermitteln sei so komplex, dass dies abschrecke. „Wir müssen das Vertrauen der Bürger wieder herstellen und brauchen verlässliche Fördermittel“, so der Gebäudeenergieberater. Achim Bauer kritisierte, dass das GEG als Heizungsgesetz „verunglimpft“ werde. „Wir weisen seit Jahren auf die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes bei der energetischen Sanierung hin“, so der Obermeister der Stuckateur- und Gipser-Innung. Auch die Gebäudehülle müsse mit einbezogen werden. Ebenso wichtig sei eine ganzheitliche Beratung und das Mitnehmen aller Betroffenen. „Wir sollten das Thema regional angehen und den Druck wegnehmen“, sagte Thorsten Badent. „Wenn wir sagen: ‚Du kannst‘ anstelle von ‚Du musst‘, kommen wir viel weiter.“ Stadträtin Nina Wellenreuther verwies auf den runden Tisch mit Mannheims Wirtschaftsbürgermeister Thorsten Riehle. Es solle ein Wärmeplan aufgestellt werden, der sowohl die unterschiedlichen Gegebenheiten bei Gebäuden und Heizsystemen als auch die Finanzierung und Fördermöglichkeiten berücksichtige – im Austausch mit allen Beteiligten.

Auch im Mobilitätssektor stünden Umwälzungen bevor. „Es ist eine der größten Veränderungen, die wir im Automobilhandwerk je erlebt haben“, so Dietmar Clysters, Obermeister der Kfz-Innung Rhein-Neckar-Odenwald. Ein wichtiger Aspekt sei die Technologie-Offenheit. „Kein Weg führt an E-Mobilität vorbei. Aber wir brauchen noch mehr – wie Wasserstoff“, sagte er. „Ich würde mir von der Politik wünschen, in Zukunft mehr und früher miteinander zu reden.“ Diesen Wunsch teilten auch die anderen Beteiligten am „runden Tisch Handwerk“. Das Konzept solle daher beibehalten werden. „Wir hatten Kommune, Land und Bund zusammen mit Vertretern des Handwerks an einem Tisch, was dem Austausch eine besondere Tiefe und Qualität gab“, resümierte Martin Grath.

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