25 Jahre nach Einführung der Insolvenzordnung nehmen Gläubiger erstmals ein Insolvenzgericht in Regress

Seit Jahrzehnten beklagen Gläubiger wie Restrukturierungsexperten öffentlich, dass Anträge auf Eröffnung von Insolvenzverfahren durch Schuldner verschleppt werden. Mit dem Amtsgericht Münster steht nun zum ersten Mal seit Einführung der Insolvenzordnung (InsO) im Jahr 1999 ein Insolvenzgericht im Fokus einer eskalierenden Auseinandersetzung: Das dort im Jahr 2007 eröffnete Verfahren über das Vermögen der alma-Küchen Aloys Meyer GmbH & Co. KG wurde und wird verschleppt. Gläubiger wie auch der Insolvenzverwalter des Küchenherstellers alma, Heinrich Fritz Stellmach, verklagen einen Rechtspfleger wegen Amtsmissbrauchs auf Schadensersatz.

Als zuständiges Kontrollorgan hatte zunächst der Gläubigerausschuss den Insolvenzverwalter im November 2023 einstimmig beauftragt, diesen Rechtspfleger am Amtsgericht Münster nach über sechs Jahren „gänzlicher Untätigkeit“ wegen Verfahrensverschleppung im Rahmen seiner Amtshaftung auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Seit Dezember 2023 ist der entsprechende Prozess beim Landgericht Münster rechtshängig. Darüber hinaus haben jeweils Mitglieder des Gläubigerausschusses selbst und der Insolvenzverwalter jetzt beim Amtsgericht Münster einen Befangenheitsantrag gegen den Rechtspfleger eingereicht.

„Seit Jahresende 2013 kann dieses Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Verwertung des vorhandenen Vermögens abgeschlossen werden. Die von mir Mitte des Jahres 2017 eingereichte Schlussrechnung hat der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts Münster bis heute nicht bearbeitet“, erläutert Insolvenzverwalter Stellmach.

„Mitte des Jahres 2017 haben wir beim Amtsgericht Münster beantragt, im Rahmen eines Verteilungsplans eine verbindliche Quote von 25 Prozent in Höhe von über einer Millionen Euro an die Gläubiger auszuschütten“, ergänzt der Sprecher des Gläubigerausschusses, Rechtsanwalt Dieter Ungelenk für den Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG). „Seit einer Dekade wird der Abschluss einer erfolgreichen Sanierung verschoben, verzögert, verschleppt. Nach diversen Versuchen einer vernünftigen Verständigung müssen die Mitglieder des Gläubigerausschusses diesen Justizskandal als Angriff auf die Gläubigerrechte und die Gläubigerautonomie interpretieren“.

Zum Insolvenzverfahren

Als Insolvenzverwalter des Direktvermarkters alma-Küchen verhandelte Heinrich Fritz Stellmach innerhalb weniger Monate eine übertragende Sanierung, mit der im Jahr 2008 160 von rund 240 Arbeitsplätzen und 14 Verkaufshäuser gesichert wurden.

Seit Ende des Jahres 2013 ist das Verfahren hinsichtlich der Verwertung des vorhandenen Vermögens abschlussreif. Doch der zuständige Rechtspfleger lehnte Kassenprüfungsberichte einer bundesweit anerkannten  und renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ohne sachliche Begründung ab.

Die Mitte des Jahres 2017 eingereichte Schlussrechnung mit einer überdurchschnittlich hohen Insolvenzquote von 25 Prozent ist trotz Rügen des Insolvenzverwalters wie des Gläubigerausschusses, Androhung einer Untätigkeitsklage oder Dialogangeboten bis heute nicht bearbeitet. So lehnte einzig der zuständige Rechtspfleger den Dialog mit dem Amtsgericht Münster zum Jahreswechsel 2022 / 2023 ab. Der Insolvenzverwalter hat Insolvenzforderungen in Höhe von 4,3 Millionen Euro festgestellt.

Seit Jahren beschäftigt das Gebaren dieses Rechtspflegers die Beschwerdekammer des Landgerichts Münster, weil sich dieser einen eigenen Rechtsbereich schafft, statt geltendes Recht und Gesetz anzuwenden.

Sammelklage der Arbeitnehmer: innen gegen das Land Nordrhein-Westfalen

Für Arbeitnehmer wie für Kleingläubiger des Verfahrens bereitet derzeit Rechtsanwalt Dr. Robert Sieren aus der Anwaltskanzlei Cherek & Partner in Osnabrück eine Sammelklage auf Schadensersatz gegen das Land Nordrhein-Westfalen und den Rechtspfleger vor.

Professor Dr. Stefan Smid, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht an der Juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, stellt in einem Gutachten zu den Entscheidungen des Rechtspflegers fest, dass dieser „nach allgemeiner Lebenserfahrung mit der Besorgnis der Befangenheit belastet ist“.

„Dieser Rechtspfleger mischt sich in wirtschaftliche Ermessenspielräume ein und überschreitet klar seine Kompetenzen“, fasst der renommierte Insolvenzexperte Professor Dr. Hans Haarmeyer sein Gutachten in diesem Verfahren zusammen. „Dieser Rechtspfleger schadet dem Ansehen der Justiz, die bislang nicht willens oder in der Lage war, diesen rechtswidrigen Handlungen Einhalt zu gebieten“.

Kurzfristig hat der Rechtspfleger nach Jahren der Untätigkeit im Nachgang zu der Schadensersatzklage beim Landgericht Münster entschieden, einen Sachverständigen etwaige Schadensersatzansprüche der Masse gegen den Insolvenzverwalter prüfen zu lassen.

Im wohlverstandenen Interesse der Gesamtgläubigerschaft hofft der Insolvenzverwalter dennoch auf eine kurzfristige Entscheidung des Gerichtes: „Unser Ziel ist es, gemeinsam mit einem neu ernannten Rechtspfleger so schnell wie möglich den  Abschluss des Insolvenzverfahrens herbeizuführen“ so Stellmach.

„Sollte der von uns abgelehnte  Rechtspfleger seine Amtsführung fortsetzen dürfen, so droht allen Beteiligten, dass sich dieses Verfahren um weitere Jahre verzögert. Das wäre für alle Gläubiger ein in der Historie der Insolvenzordnung bislang einzigartiges Debakel“, so der Sprecher des Gläubigerausschusses abschließend.

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