„Aus Sicht der DIVI sind die Ziele des GDNG ungemein bedeutsam“, erklärt Professor Rainer Röhrig, Leiter des Instituts für Medizinische Informatik an der Uniklinik RWTH Aachen. Es sind jedoch noch Nachbesserungen notwendig, um diese Ziele auch speziell für die Notfall- und Intensivmedizin erreichen zu können.
DIVI fordert Opt-Out-Lösung auch für die Notfall- und Intensivmedizin
„Die durch das GDNG vorgesehene Einführung einer Opt-Out-Lösung zur Erhebung von Patientendaten ist zur Beantwortung vieler wissenschaftlicher Fragen ungemein wichtig“, konstatiert Rainer Röhrig. Durch die Opt-Out-Lösung würden Fehler in den Stichproben vermieden. Bei der Einschränkung der Opt-Out-Lösung auf Forschungsvorhaben im besonderen öffentlichen Interesse wurde aber in der aktuellen Gesetzesvorlage die Versorgungsforschung vergessen. „Dabei ist eine Opt-Out-Lösung gerade bei Notfall- und Intensivpatienten erforderlich, um deren Versorgungsrealität in der Forschung untersuchen zu können“, betont Röhrig.
„In der Notaufnahme oder auf der Intensivstation sei es ethisch nicht geboten, in einer lebensbedrohlichen Situation auch noch den Patienten oder Angehörige zu bitten, eine Erlaubnis zur Datennutzung zu unterschreiben“, kommentiert Professor Uwe Janssens den Nachbesserungsbedarf des Gesetzes. Er ist Generalsekretär der DIVI und Direktor der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital Eschweiler. Als Mitglied der Sektion Ethik gibt er zu bedenken, dass es auch im Nachgang sehr schwierig sei, diese Erlaubnis einzuholen, denke man z.B. an Patienten ohne festen Wohnsitz oder auch Patienten, die trotz Akutintervention versterben. „Um Maßnahmen und Strukturen unseres Gesundheitswesens evaluieren zu können, müssen wir diese Zustände bedenken!“, so Janssens. Es sei aber hingegen ethisch geboten die Daten zur Verbesserung der Versorgung aller zu erheben. „Je mehr wir wissen, desto besser können wir unsere Patienten behandeln!“, gibt Janssens zu bedenken. Die DIVI fordert deshalb, diese Lücke zu schließen.
So sollte in Artikel 3 – §25b, Absatz 1 des GDNG als Nr. 6 ergänzt werden, dass es im öffentlichen Interesse sei, dass Maßnahmen und Strukturen im Gesundheitswesen auf Wirksamkeit und Effizienz von neutralen Forschungsinstituten evaluiert werden (zum Zweck der Versorgungsforschung).
Zudem sollte in Absatz 2 ergänzt werden, dass in dem Fall der Versorgungsforschung (6) nur dann auf eine Einwilligung verzichtet werden kann, wenn die Einholung einer Einwilligung, nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich sei. Dies ist vor allem in der Intensiv- und Notfallmedizin der Fall.
Kein unnötiger administrativer Aufwand
Es mache ebenfalls keinen Sinn, so Janssens, wie in Art 1 GDNG §6(1) Satz 2ff verlangt, dass Daten auch dann anonymisiert würden, wenn dem Kreis der datenverarbeitenden Personen die Identität der betroffenen Person bekannt sei. „Daraus entsteht ein unnötiger administrativer Aufwand. Zusätzlich können die Betroffenenrechte zur Auskunft und der Wunsch auf Sperrung der Daten für eine weitere Nutzung bei anonymisierten Daten im Gegensatz zu pseudonymisierten nicht mehr umgesetzt werden.“ Es gelte diese Definition nochmals zu überdenken.
Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten braucht einen Vertreter der Universitätsmedizin
Der Medizininformatiker Röhrig hebt zudem den Plan der Einrichtung einer Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten (DZKS) hervor. „Die Einrichtung einer DZKS ist mehr als zu begrüßen“, sagt der Mediziner. „Von der DZKS wird abhängen, ob die Ziele des Gesetzes erreicht werden können.“ Für die Freie Forschung sei es wichtig, dass diese Stelle unabhängig arbeiten könne. Vor allem müsse die DZKS in eine Gesamtstrategie aller Initiativen der deutschen und europäischen Gesundheitsforschung eingebettet werden. „Der aktuelle Gesetzentwurf sieht die Einrichtung eines Arbeitskreises vor, in dem ein Vertreter der Gesundheitsforschung sitzt“, zitiert Röhrig. Dies sei insgesamt eine sehr schwache Lösung, um Unabhängigkeit und Anbindung an Forschungsinfrastrukturen wie das Netzwerk Universitätsmedizin, die Medizininformatik-Initiative oder die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung sicherzustellen.
Daher drängt die DIVI darauf, weitere Vertreter, z.B. aus der Universitätsmedizin in die zentrale Leitung des DZKS einzubinden. „Es sollten keine weiteren Parallelstrukturen entstehen. Zudem sollte die Nutzung für die freie Forschung ohne größere administrative Hürden möglich sein!“, appelliert DIVI-Präsident Felix Walcher.
„Deutschland braucht dringend ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz – aber in überarbeiteter Version!“
„Wir müssen die eingeschlagene Entwicklung konsequent weitergehen!“, fasst DIVI-Präsident Prof. Felix Walcher die Forderungen seiner Fachgesellschaft zur Überarbeitung des GDNGs zusammen. „Wir konnten mit dem AKTIN-Notaufnahmeregister, einer Entwicklung aus der DIVI, zeigen, dass mit einer modernen IT-Architektur der dezentralen Datenhaltung auch unter strengem Datenschutz tagesaktuelle Daten zur sog. Notaufnahme-Surveilllance zur Verfügung gestellt werden können. Dieses Register liefert seit Jahren wertvolle Informationen zur Erfassung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung und ermöglicht die frühzeitige Erkennung von Auffälligkeiten. Es gibt also gute und pragmatische Lösungen, die Patientendaten für eine bessere Versorgung der gesamten Bevölkerung nutzbar machen – nun muss die Gesetzesgrundlage diese Entwicklungen zukunftsfähig unterstützen. Gleichzeitig muss jeder Patient die Nutzung seiner Daten niederschwellig ablehnen können.“
Die Forschung zu stärken, ohne das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen zu schwächen, ist in höchstem Maße erstrebenswert und zum Nutzen aller. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz muss daher unbedingt kommen. Damit diese Ziele auch für die Wissenschaftler der Intensiv- und Notfallmedizin erreicht werden können, sind die wenigen, aber wichtigen Änderungswünsche der DIVI, unumgänglich.
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