Zwischen Windeln und Deadline

Die moderne Arbeitswelt hat sich im Laufe der Jahre verändert, und mit ihr auch die Rollen der Eltern. Heutzutage sind vor allem immer mehr Mütter berufstätig, während sie gleichzeitig ihre Familien managen. Anlässlich des Tages der berufstätigen Eltern wirft ARAG Experte Tobias Klingelhöfer einen Blick auf den Balanceakt berufstätiger Eltern und zeigt auf, welche Möglichkeiten es gibt, Beruf und Kinder besser zu vereinen.

Am 16. September ist der Tag der berufstätigen Eltern. Wie viele arbeitenden Eltern gibt es in Deutschland überhaupt?
Tobias Klingelhöfer:
 Wenn Kinder auf die Welt kommen, ist es längst nicht mehr üblich, aus dem Job auszusteigen. Drei von vier Müttern mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren sind laut Statistischem Bundesamt erwerbstätig. Bei Männern in derselben familiären Situation arbeiten sogar über 90 Prozent. Aber nach wie vor sind es traditionell die Frauen, die den Spagat zwischen Kinderbetreuung und Job hinbekommen müssen: 66 Prozent aller erwerbstätigen Frauen mit minderjährigen Kindern arbeiten daher in Teilzeit. Bei den Vätern sind es nur rund sechs Prozent. Immerhin gibt es dabei eine leichte Annäherung, denn 2009 lag die Teilzeitquote bei Müttern noch bei knapp 70 Prozent und die bei Vätern bei rund fünf Prozent.

Nicht zu vergessen die Alleinerziehenden. Für sie ist es wohl die größte Herausforderung, Job und Nachwuchs unter einen Hut zu bringen. Auch hier sind vor allem Frauen betroffen: 2019 waren rund 87 Prozent der erwerbstätigen Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern Frauen, 75 Prozent davon erwerbstätig. Von rund einer Million überwiegend alleinerziehender Frauen arbeitet mehr als jede Vierte sogar in Vollzeit. Bei Elternpaaren ist nur jede dritte Frau voll berufstätig, wenn Kinder unter 18 Jahren im Haus leben.

Welche Arbeitsmodelle könnten für berufstätige Eltern interessant sein?
Tobias Klingelhöfer:
 Es gibt verschiedene Arbeitszeitmodelle, die sich in der Art der Arbeitszeitgestaltung und der Flexibilität unterscheiden. Immer mehr Arbeitnehmer und Arbeitgeber verabschieden sich von klassischen Strukturen. Stattdessen werden flexible Arbeitszeitmodelle immer beliebter, da sie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ermöglichen. Eine der Lösungen, die sich in den letzten Jahren und vor allem während der Corona-Krise immer mehr durchgesetzt hat, ist das Homeoffice. Es ermöglicht Eltern, ihre beruflichen Verpflichtungen von zu Hause zu erfüllen und so mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Zudem sparen Eltern Zeit und Kosten für den Arbeitsweg. Die Trennung von Arbeit und Privatleben kann aber schwierig sein. Eltern müssen möglicherweise klare Grenzen setzen, um Ablenkungen zu minimieren. Auch die soziale Isolation kann für manche ein Problem sein, da der persönliche Kontakt zu Kollegen fehlt.

Bereits gängig und für berufstätige Eltern von Vorteil ist das Gleitzeit-Modell. Hierbei wird wie bei der festen Arbeitszeit während eines vorgegeben Zeitrahmens gearbeitet. Dieser ist allerdings weiter gefasst. So können Angestellte selbst entscheiden, wann sie ihre täglichen Arbeitsstunden verrichten. Einige Arbeitgeber kombinieren das Gleitzeit-Modell mit einer Kernarbeitszeit, innerhalb der alle Arbeitnehmer anwesend sein müssen. Und dann gibt es da noch die Vertrauensarbeitszeit. Sie kommt ganz ohne festgelegte Arbeitszeit aus, was berufstätigen Eltern natürlich die größte Flexibilität bietet. Arbeitnehmer können die Zeiteinteilung selbstständig vornehmen, sie müssen nur das definierte Arbeitspensum schaffen.

Wie sieht es mit der klassischen Teilzeit aus? Darf das jeder Arbeitnehmer in Anspruch nehmen?
Tobias Klingelhöfer:
 In 2019 gab es in Deutschland 12 Millionen Beschäftigte in Teilzeit, Tendenz leicht steigend. Obwohl nicht alle Teilzeitbeschäftigten freiwillig verkürzt arbeiten, gewinnt dieses Arbeitszeitmodell gerade bei berufstätigen Eltern an Bedeutung. Teilzeitarbeit bietet eine gewisse Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung und reduziert oft die tägliche Pendelzeit, indem man beispielsweise Stoßzeiten im Verkehr vermeiden kann. Allerdings geht Teilzeitarbeit meist mit einem geringeren Einkommen und mit Einbußen bei der Altersvorsorge einher, da die Arbeitsstunden reduziert sind. Darüber hinaus kann es in einigen Branchen und Positionen schwierig sein, eine Teilzeitbeschäftigung zu finden, die den beruflichen Ambitionen entspricht. Gerade in Führungspositionen kann es schwierig sein, die Arbeitszeit zu verringern. Daher kann ich nur dazu raten, möglichst früh das Gespräch mit dem Chef oder der Personalabteilung zu suchen.

Aber prinzipiell hat in Deutschland jeder Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf eine Arbeitszeitverringerung. Dazu müssen zwei grundlegende Voraussetzungen erfüllt sein: Das jeweilige Arbeitsverhältnis muss bereits seit mehr als sechs Monaten bestehen und in dem Unternehmen müssen mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt sein.

Ist Jobsharing ein geeignetes Modell für berufstätige Eltern?
Tobias Klingelhöfer:
 Jobsharing ist eine eher selten umgesetzte Variante für flexibleres Arbeiten. Es ermöglicht zwei oder mehr Mitarbeitern, eine Vollzeitposition zu teilen. Dadurch wird die Arbeitsbelastung aufgeteilt und berufstätige Eltern können sich sogar gegenseitig bei der Kinderbetreuung unterstützen. Die Koordination und Kommunikation zwischen den Jobsharern erfordert allerdings eine sorgfältige Planung. Auch dieses Modell ist nicht für alle Branchen geeignet und es könnte die Karriereentwicklung beeinträchtigen.

Wie unterstützt der Staat berufstätige Eltern im Balanceakt zwischen Job und Kind?
Tobias Klingelhöfer:
 Berufstätige Eltern haben zunächst einmal Anspruch auf Elternzeit und Elterngeld , um ihre Familien finanziell zu unterstützen. Diese Leistungen ermöglichen es unter anderem, eine berufliche Pause einzulegen und sich intensiver der Kinderbetreuung zu widmen. Während der Elternzeit haben sie Anspruch auf Elterngeld und sie sind vor einer Kündigung geschützt. Die Elternzeit kann übrigens bis zum dritten Lebensjahr des Kindes genommen werden.

Wenn parallel beide Eltern in Teilzeit arbeiten, gibt es auch noch den Partnerschaftsbonus. Und dazu hat das Bundessozialgericht gerade ein ganz aktuelles Urteil gefällt (Az.: B 10 EG 2/22 R), wonach der Bonus auch dann gezahlt werden muss, wenn der Elternteil, der den Bonus bezieht, langfristig erkrankt.

Es gibt auch Unternehmen, die spezielle Bonuszahlungen oder monetäre Vorteile für berufstätige Eltern anbieten. Dies kann beispielsweise die Kostenübernahme für Kinderbetreuungseinrichtungen oder zusätzliche Urlaubstage sein.

Und dann sind da ja noch der Kinderfreibetrag und eine Kinderfreigrenze, die die steuerliche Belastung von Eltern reduzieren. Diese Freibeträge und Grenzen erhöhen sich mit der Anzahl der Kinder. Und natürlich können berufstätige Eltern ihre Kinder in der Familienversicherung der Krankenkasse versichern, ohne zusätzliche Beiträge zahlen zu müssen, solange bestimmte Einkommensgrenzen eingehalten werden.

Und für alle Eltern gilt: Unabhängig vom Einkommen erhalten sie Kindergeld . Seit Januar 2023 sind das 250 Euro für jedes Kind. Reicht das Einkommen nicht aus, um den Bedarf des Kindes zu decken, bekommen Eltern auch noch einen Kinderzuschlag. Die Höhe variiert je nach Einkommen und Anzahl der Kinder.

Weitere interessante Informationen unter:
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