Die Eröffnungssprecherin der Veranstaltung Dr. Monika Griefahn*, unter anderem Gründungsmitglied von Greenpeace Deutschland, ehemalige Umweltministerin des Landes Niedersachsen, ehemaliges Mitglied des Bundestages sowie Gründerin und Geschäftsführerin des IMUK – Institut Medien, Umwelt, Kultur machte deutlich, dass die geübte Praxis von „herstellen – gebrauchen – wegwerfen“ in eine ökologische Sackgasse führt. Sie plädiert für das Cradle to Cradle (von der Wiege zur Wiege) Modell, wobei der Ansatz von „reduzieren – wiederverwenden – recyceln“ nur ein Zwischenschritt ist. Ihre Forderung: „Rethink – Reinvent – Redesign“ (überdenken – neu erfinden – neugestalten). Das sei zielführender, denn letztendlich vermeidet intelligentes Design von Produkten und die richtige Auswahl von Materialien sowie Rohstoffen ein späteres komplexes Abfallmanagement. Ihr Idealziel: „In den heutigen Braunkohlerevieren zukünftige ‚Silicon Valleys der Kreislaufwirtschaft‘ aufzubauen.“
Online weiterlesen Thüringen zahlt Reparaturbonus
Claudia Kreft von der Verbraucherzentrale Thüringen stellte das System Reparaturbonus des Landes Thüringen vor. Das Land Thüringen fördert seit 2021 Reparaturen von Elektrogeräten und Unterhaltungselektronik sowie Smartphones mit 50 Prozent der Kosten. Maximal können 100 Euro pro Haushalt und Jahr über den Reparaturbonus gezahlt werden. Exakt 17.773 Reparaturen wurden allein in den Jahren 2021 und 2021 über das Bonussystem abgerechnet – das entspricht 3 Millionen Euro an Reparaturkosten. In der Folge konnten Geräte, deren Reparatur aus Sicht der Besitzer und Besitzerinnen zu teuer gewesen wäre, weiter verwendet werden und nicht im Abfall oder bestenfalls im Recycling enden.
Reparaturen sorgen dafür, dass die Potenziale der Kreislaufwirtschaft stärker ausgeschöpft werden
Steffen Vangerow, Geschäftsführer des Reparaturunternehmens Vangerow GmbH und Vorstand der Initiative „Runder Tisch Reparatur“ machte in seinem Vortrag deutlich, dass ein freier Reparaturmarkt und ein universelles Recht auf Reparatur unbedingt notwendig seien, um die Potenziale der Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen. Besondere Herausforderung für Reparateure ist dabei besonders, dass Ersatzteilpreise häufig sehr hoch sind und bleiben, während die Preise für Neugeräte nahezu kontinuierlich sinken. Hier – aber auch bei anderen Themen – sieht er die Hersteller in der Pflicht, für Abhilfe zu sorgen. Von der Politik erwartet er Schritte, um irreführende Öko-Label abzuschaffen. Doch auch die Verbraucherinnen und Verbraucher sind seiner Meinung nach gefordert. Der langjährige Trend hin zu Discountern und zum Online-Handel mache es reparierenden Fachhändlern zunehmend schwer, kostendeckend zu wirtschaften und somit Reparaturen zu gewährleisten.
Neue Isoliertechnik für Kühlgeräte ist effektiv und vermeidet nicht recyclebaren Abfall
Ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist die BluRox Technologie, die Viola Linke, Head of Global Communication & Brand Management bei der Liebherr Hausgeräte GmbH vorstellte. Anstelle des bei Kühl- und Gefriergeräten üblicherweise eingesetzten herkömmlichen Polyurethanschaums nutzt BluRoX eine deutlich effektivere Form der Kälteisolierung: ein Vakuum. Fein gemahlenes Lavagestein, sogenannter Perlit, stabilisiert das vakuumierte Bauteil. Das ermöglicht zirkuläres Produktdesign und vermeidet nicht recyclebaren Abfall.
Refurbished-Boom ist Ausdruck des Zeitgeistes
Eine weitere Form der Abfallvermeidung ist es, wenn gebrauchte, eventuell auch defekte, elektronische Geräte nicht in den Müll oder bestenfalls ins Recycling gelangen, sondern wieder aufgearbeitet werden und so weiterhin „ihren Dienst“ absolvieren. Spezialisiert auf dieses sogenannte „Refurbishing“ hat sich das Unternehmen asgoodasnew – auf der gfu Insights & Trends vertreten durch seinen CMO Dr. Tim Seewöster. Er sieht die Refurbish-Branche als starkes Wachstumssegment – sogar schneller wachsend als der allgemeine E-Commerce Markt. Inzwischen hätten bereits 22 Prozent der Konsumenten Refurbished-Produkte gekauft, bei der Generation Z, also denjenigen die zwischen 1997 und 2012 zur Welt gekommen sind, sind es sogar mehr als 30 Prozent. „Es gibt einen Refurbished-Zeitgeist, der nicht mehr verschwinden wird“, so Seewöster. Neben dem eingesparten Budget, das für die große Mehrheit der Kaufenden (80 %) ausschlaggebend sei, sind es Service, Qualität und bei rund der Hälfte auch Umweltaspekte, die die Kaufentscheidung zugunsten professionell aufgearbeiteter Produkte beeinflusst.
Verbreitete Unkenntnis über Entsorgungsmöglichkeiten für ausgediente Geräte – stattdessen wird zuhause gehortet
Doch längst nicht jedes vorerst ausgediente Produkt gelangt auch tatsächlich in die Wieder-Aufarbeitung oder dann doch ins Recycling. Eine von der Strategieberatung Oliver Wyman gemeinsam mit der gfu durchgeführten europäischen Verbraucherbefragung zeigte, dass rund ein Drittel der ausgedienten Geräte der Kategorien Consumer Electronics, Waschmaschinen und Küchengeräte in Deutschland nicht dem Recycling zugeführt werden, sondern häufig in den Haushalten „schlummern“. Und sogar 43 Prozent der Smartphones gelangen nicht zurück in den Wertstoffkreislauf. Das sind dramatische Zahlen, die von Dr. Sara Warneke, Geschäftsführerin der Branchenorganisation gfu Consumer & Home Electronics, zusammen mit Dr. Martin Schulte, Partner der Strategieberatung Oliver Wyman, aufgezeigt wurden. Denn in den gehorteten Smartphones sind wertvolle Rohstoffe enthalten. Allein 12 Tonnen Gold liegen somit unbeachtet und ungenutzt in Schubladen und Schränken.
Moderiert wurden die gfu Insights & Trends von Geraldine de Bastion, Politikwissenschaftlerin sowie CEO und Gründerin von Konnektiv, einer Berliner Agentur für digitale Transformation. Alle Beiträge und auch die Moderation wurden auf Englisch gehalten, um über das – mehrheitlich deutschsprachige – Publikum vor Ort in Berlin hinaus eine internationale Zuhörerschaft zu erreichen, die sich per Livestream zuschalten konnte.
Alle Präsentationen sowie ein Rückblick auf die Veranstaltung werden kurzfristig hier abrufbar sein.
gfu Insights & Trends war zugleich die Auftaktveranstaltung des IFA Innovations Media Briefing (IMB), das am 5. und 6. Juli 2023 ebenfalls im bcc stattfindet.
*Der ursprünglich angekündigte Eröffnungssprecher Prof. Dr. Michael Braungart musste wegen überschneidender Termine bei seiner Lehrtätigkeit an der Leuphana-Universität Lüneburg leider absagen.
Die 1973 als Gesellschaft zur Förderung der Unterhaltungselektronik in Deutschland gegründete gfu ist Veranstalterin der IFA und firmiert heute als gfu – Consumer & Home Electronics GmbH. Führende Marken der Consumer Electronics- und Hausgeräte-Branchen sind die Gesellschafter der gfu. Ziel der gfu ist es, über Trends und Entwicklungen der Branchen zu informieren sowie Messen zu veranstalten.
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