Dazu Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der GEW Thüringen: „Wir müssen den Stellenwert des Sozialkundeunterrichts aufwerten – und zwar in allen Schulformen der Sekundarstufe. In einigen anderen Bundesländern ist der Politikunterricht in der Stundentafel das viertwichtigste Fach, bei uns in Thüringen leider eines der letzten. Wer über grundlegende politische und gesellschaftliche Strukturen und Mitbestimmungsmöglichkeiten nicht ausreichend informiert ist, der ist eben weniger aufgeklärt und damit anfälliger für antidemokratische Positionen und für Verschwörungstheorien.“
Die GEW Thüringen fordert eine Stärkung des Schulfachs Sozialkunde und damit dessen Aufwertung in der Stundentafel. Das Fach muss in der Klassenstufe 5 mit zwei Wochenstunden in allen Schularten einsetzen – und zusätzlich eine gut ausgebaute Oberstufe mit Leistungskursen für das Fach angeboten werden.
Begründung:
Die Zunahme an fremdenfeindlichen, antisemitischen und populistischen Stimmungen in unserer Gesellschaft verdeutlichen leider auf anschauliche Weise, dass sich demokratisches Denken und Handeln nicht von selbst vererben. Stattdessen werden auch in einer Gesellschaft wie der bundesrepublikanischen die auf eine erfolgreiche Demokratisierungsgeschichte zurückschauen kann, immer häufiger zentrale Prinzipien der Demokratie in Frage gestellt, wenn z. B. autoritäre Führungsstrukturen in der Politik gefordert oder ein homogener „Volkswille“ unterstellt wird. Umso wichtiger ist es, dass der politische Bildungsauftrag, der in allen Schulgesetzen der Länder verankert ist, von einer obligatorischen und kontinuierlichen Politischen Bildung in einem starken Unterrichtsfach (in Thüringen Sozialkunde) ermöglicht und untermauert wird. In der Realität ist es leider so, dass die Politische Bildung in den Stundentafeln der deutschen Bundesländer überwiegend stiefmütterlich behandelt wird. So setzt Politik als Unterrichtsfach in vielen Bundesländern für Schüler:innen der Sekundarstufe I erst spät und nur mit Unterbrechungen auf dem Stundenplan ein. In sechs deutschen Bundesländern wird Politische Bildung frühestens ab der 8. Klasse unterrichtet, in Bayern erst ab der 10. Klasse. Lediglich in Nordrhein-Westfalen wird das Fach in vier aufeinanderfolgenden Schuljahren zweistündig unterrichtet.
Diesem eklatanten Mangel an Unterrichtszeit, der in Thüringen besonders groß ist, muss entgegenwirkt werden, denn um die Komplexität politischer Prozesse erschließen, verstehen, kritisch reflektieren und sich an ihnen beteiligen zu können, bedarf es ausreichender Rahmenbedingungen. Grundvoraussetzung hierfür ist die Bereitstellung von Unterrichtszeit, denn nur das dauerhafte Offenhalten von Denkräumen kann die Erziehung zur Demokratie und damit eine positive Einstellung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ermöglichen. Dies zeigt sich beispielsweise in Studienergebnissen, wonach ein höherer zeitlicher Umfang des Politikunterrichts mit einer stärkeren Bereitschaft zur politischen Partizipation von Schüler:innen einhergeht und insbesondere Schüler:innen mit einer Distanz zum "Lebensbereich Politik" von diesem Unterricht profitieren.
Die Bildungsgewerkschaft GEW THÜRINGEN ist die mitgliederstärkste Interessenvertretung in Thüringen im Bildungsbereich. Sie organisiert aktive und ehemalige Beschäftigte an den Thüringer Bildungseinrichtungen. Schwerpunkte der politischen Arbeit sind die Bildungsgerechtigkeit, die Lern- und Arbeitsbedingungen an Kitas, Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie die Angestellten-, Beamten- und Tarifpolitik. Vorsitzende ist Kathrin Vitzthum.
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