– Umsatzzuwächse im Digitalgeschäft können dramatische Kostensteigerungen und Erlösrückgänge im Magazin-Geschäft nur teilweise kompensieren
– Zweistelliges Umsatzplus bei den nicht-traditionellen Geschäftsfeldern
– KI-Einsatz mit vielen Chancen – Schutz der Leistungen der Verlage gegen Ausbeutung durch KI-Presse
– Diskriminierungsfreie Förderung von Zeitschriften und Zeitungen muss die Politik jetzt auf den Weg bringen
Umsatzplus positiv entwickelt. Allein die Umsätze mit diesen neuen Geschäftsmodellen machten fast fünf Milliarden Euro aus, ein Plus von elf Prozent gegenüber 2021. Wie der Medienverband der freien Presse (MVFP) heute auf seiner Jahrespressekonferenz in Berlin hervorhob, haben die Zeitschriftenverlage in Deutschland allerdings die hart erarbeiteten Erlöszuwächse aus der Transformation der Geschäftsprozesse die hoch zweistellig gestiegenen Energie- und Papierpreise, explodierende Logistikkosten sowie die weitere Verteuerung der Zustellung im traditionellen Magazin-Geschäft nicht kompensieren können. Zusätzlich habe die hohe Inflation das Konsum- und Werbeklima sehr deutlich eingetrübt und die Umsätze auf den klassischen Geschäftsfeldern unter Druck gesetzt.
„Die Entwicklung des letzten Jahres zeigt überdeutlich, dass es zur Intensivierung unserer Transformationsprozesse keine Alternative gibt. Überall in unserer Branche entstehen auf dem Fundament unserer Marken und unserer journalistischen Inhalte neue digitale Geschäftsmodelle. Damit schaffen wir die ökonomische Grundlage für eine auch in Zukunft vielfältige Presselandschaft. Diese Zukunft für den unabhängigen Journalismus der Verlage zu sichern, ist unser gesellschaftlicher Auftrag“, erklärte Philipp Welte, Vorstandsvorsitzender des MVFP und Vorstand von Hubert Burda Media, auf der Jahrespressekonferenz. Auf diesem Weg der Transformation bildeten die „in keiner Weise mehr kontrollierbaren Kostensteigerungen“ in zahlreichen Marktsegmenten ein ernstes Existenzrisiko für einzelne Produkte und in der Kombination oft auch für ganze Verlage. Welte: „Die weltweit einzigartige Vielfalt journalistischer Zeitschriftenmedien ist ernsthaft gefährdet.“ Da weder aktuell noch perspektivisch mit einer Umkehr der Kostenentwicklung und einer signifikanten Besserung des Konsumklimas zu rechnen sei, gehe es für viele aus der Welt der Zeitschriften kommenden Medienunternehmen darum, ihre bestehenden Geschäfte durch veränderte Strukturen und Prozesse abzusichern und gleichzeitig durch hohe Investitionen in Innovation und Transformation ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern.
MVFP-Vorstandsvorsitzender Philipp Welte mahnte die Politik angesichts der in dieser Dimension nie dagewesenen wirtschaftlichen Bedrohung, sich für die Zukunft der freien Presse einzusetzen: „Wir stehen vor einer realen Bedrohung des Fundaments des freien Journalismus in Deutschland. Den Herausforderungen der Digitalisierung stellen wir uns im dritten Jahrzehnt mit Erfolg, aber die Kombination aus nicht mehr beherrschbaren Steigerungen der Produktions- und der Zustellungskosten sowie der parallel laufenden Investitionen in die digitale Transformation gefährdet die Versorgung unserer Gesellschaft mit unabhängigem Journalismus. Bis zu einem Drittel der Titel aus der Welt der Zeitschriften wären in ihrer Existenz bedroht, wenn sich die ökonomischen Rahmenbedingungen nicht ändern sollten. Darin sehe ich eine zunehmend konkrete Gefahr für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, denn mit ihren über die Tagesaktualität hinausgehende nachhaltige und vertiefte Information ihrer Zielgruppen leisten die vielen Tausend Journalistinnen und Journalisten unserer Verlage einen unverzichtbaren Beitrag für die Vielfalt der Meinungen und die Verlässlichkeit von Informationen in unsere Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, dass die Politik ihrer Zusage aus dem Koalitionsvertrag entspricht und diskriminierungsfrei Zeitschriften und Zeitungen in ordnungspolitisch einwandfreier Weise fördert. Den gesellschaftlichen Konsens der Einheit der Presse jetzt politisch in Frage zu stellen und Zeitschriften aus der Förderung periodischer Presse auszuschließen, wäre ein ordnungspolitischer Irrweg.“
84 Prozent der an der aktuellen MVFP-Trendumfrage teilnehmenden Medienunternehmen halten eine Förderung auch der Zeitschriften für notwendig, um den Verlagen die Chance auf weitere Investition in die digitale Transformation zu ermöglichen. Nur so könne unter den aktuellen Bedingungen und bei Preissteigerungen, die die Verlage in keiner Weise beeinflussen können, die Finanzierung von Innovation und Transformation der unabhängigen, journalistischen Leistungen von knapp 7.000 gedruckten Zeitschriftentiteln sowie den digitalen Kanälen dieser Marken für die Zukunft sichergestellt werden.
Das Geschäftsjahr 2022 der Zeitschriftenbranche
Im Geschäftsjahr 2022 bleibt der Gesamtumsatz der Zeitschriftenverlage unter Einbeziehung nicht publizistischer (sonstiger) Geschäftsfelder mit 19,3 Milliarden Euro über alle Gattungen – Publikumspresse, Fachpresse und konfessionelle Presse – fast stabil (2021: 19,4 Mrd. Euro). Entscheidend dafür war das Wachstum der Fachmedien bei Veranstaltungen und Digitalumsätzen. Dort stieg der Umsatz dieser Gattung von 7,99 Mrd. Euro auf 8,33 Mrd. Bei den Publikumstiteln gab es Rückgänge in den Geschäftsbereichen Print-Anzeigenmarkt und Print-Vertrieb von 3,5 Prozent bzw. 4,0 Prozent. Das gute Umsatzwachstum beim digitalen Werbegeschäft (+10%), im Digitalvertrieb (+15%) und bei Paid Content (+12%) konnten dabei die Erlösrückgänge, vor allem aber die massiven Kostensteigerungen nicht ausgleichen.
Zweistelliges Umsatzplus bei den sonstigen Geschäftsfeldern
Die bereits zum fünften Mal von der Schickler Unternehmensberatung im Auftrag des MVFP ermittelten Umsatzerlöse der MVFP-Mitgliedsverlage in den Bereichen Veranstaltungen, Bildung, Software sowie Services, Stellen- und Transaktionsplattformen zeigen, dass die Transformation voranschreitet. So haben sich 2022 die Umsätze in nahezu allen Bereichen der sonstigen Geschäftsfelder erneut erhöht. Insgesamt erwirtschafteten die Verlage mit einem Plus von elf Prozent 4,91 Mrd. Euro nach 4,42 Mrd. Euro in 2021. Den weitaus größten Anteil machten mit 2,40 Mrd. Euro (2021: 2,54 Mrd. Euro) die Transaktionsplattformen aus, also jene Erlöse, die über Kanäle wie E-Commerce, Vergleichsportale und Online-Rubriken-Märkte erzielt wurden. Über den Bereich Bildung wurden Umsätze in Höhe von 263 Mio. (2021: 202 Mio.) Euro, über Veranstaltungen 145 Mio. Euro (2021: 58 Mio. Euro) sowie über Stellen-Plattformen 1.220 Mio. (2021: 853 Mio. Euro) erzielt. Das Geschäftsfeld Software und Services steigerte seinen Umsatz auf 872 Mio. Euro (2021: 771 Mio. Euro).
„Die Verlage meistern die Herausforderungen der Transformation in diesen Krisenzeiten, indem sie die Erlösströme weiter ausbauen, die Digitalumsätze, gerade aus dem Lesermarkt, weiter steigern und Print fokussiert und profitabel betreiben – insbesondere die gedruckte Presse muss profitabel bleiben, um weiter in die digitale Transformation investiert zu können. In diesem Zusammenhang muss die Politik die Förderung der periodischen Presse, also gerade auch der Zeitschriftenpresse, sicherstellen. Darüber hinaus ist es höchste Zeit für ein Belastungsmoratorium, also Regulierung mit Augenmaß und keine weiteren Erschwernisse für die Refinanzierung der redaktionellen Angebote, etwa durch weitere Werbeverbote, Überregulierung beim Telefonmarketing, bürokratische und umsatzrelevante negative Auswüchse beim Datenschutz und Wettbewerbsnachteile gegenüber den Digitalmonopolen“, betont MVFP-Bundesgeschäftsführer Stephan Scherzer. Die von vielen Verlagen beklagten Schwächen und Qualitätsmängel bei der Zustellung müssen dringend abgestellt werden.
Ergebnisse der MVFP-Trendumfrage 2023
Für das laufende Geschäftsjahr 2023 erwarten die an der Umfrage teilnehmenden Zeitschriftenverlage, die über zwei Drittel des Branchenumsatzes repräsentieren, nur eine durchwachsene Entwicklung. Deutlichen Umsatzsteigerungen bei Paid Content (+17 Prozent), im digitalen Werbegeschäft (+16 Prozent), im Digital-Vertrieb (+12 Prozent), beim Brand Business (+8 Prozent) sowie bei Veranstaltungen (+ 14 Prozent) stehen erwartete Rückgänge im Print-Werbegeschäft von -3,8 Prozent und -3 Prozent im Print-Vertrieb gegenüber. Um zusätzliche Umsätze zu generieren, planen 56 Prozent, neue journalistische Digitalangebote auf den Markt zu bringen, 49 Prozent neue Audioangebote und 31 Prozent neue Videoformate wie Short-Clips. In neue Printprodukte wollen Medienhäuser auch weiterhin investieren. So plant ein Drittel neue Print-Sonderausgaben und ein Viertel neue periodische Printtitel zu launchen.
Um die Auswirkungen der veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen besser abfedern zu können, planen fast alle Verlage (96 Prozent) für dieses Jahr Preiserhöhungen für ihre Produkte. Jeweils 87 Prozent wollen die Digitalisierung weiterer Geschäftsbereiche bzw. die Steigerung der Digitalerlöse vorantreiben. Den enorm gestiegenen Papierpreisen wollen laut der MVFP-Trendumfrage 41 Prozent durch die vermehrte Umstellung auf digitale Ausgaben und 59 Prozent durch eine Anpassung der Auflagenstruktur begegnen.
Das Vertriebsgeschäft werde zusätzlich durch eine dringend verbesserungsbedürftige Zustellqualität bei den Abonnements belastet. Mehr als die Hälfte der Verlage beklagten häufige bzw. immer wieder auftretende Beschwerden aus dem Abonnentenstamm. Gut jeder fünfte Verlag gab an, durch die schlechte Zustellqualität der Post an Abo-Auflage zu verlieren.
Homeoffice-Arbeit ist in Verlagen gesetzt, bedarf aber einiger Nachjustierungen
Arbeiten aus dem Homeoffice hat sich in den meisten Verlagen nach der pandemiebedingten Einführung etabliert. Laut der MVFP-Trendumfrage wird aktuell in gut zwei Dritteln der Medienhäuser eine flexible Lösung mit einem festgeschriebenen Präsenzanteil im Unternehmen (40 Prozent) oder die freie Wahl zwischen Büro oder Homeoffice (29 Prozent) angeboten. Bei 13 Prozent der Verlage besteht Präsenzpflicht.
Allerdings haben sich in den zurückliegenden zwei Jahren auch einige Herausforderungen gezeigt. So gaben 71 Prozent der Verlage an, durch das Arbeiten im Homeoffice Schwierigkeiten bei der Integration neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu haben. Ebenso viele beklagten Kreativitätseinbußen aufgrund des fehlenden persönlichen und sozialen Umgangs. Fast zwei Drittel verzeichnete durch das Homeoffice eine geringere Identifizierung mit den Unternehmenszielen und -werten.
Schutz der Leistungen der Verlage gegen Ausbeutung durch KI-Presse
Die rasante Entwicklung im Bereich Künstliche Intelligenz bietet große Chancen und wird nicht nur die Transformation in der Pressebranchen enorm beschleunigen. Gleichzeitig gibt es regulatorische Herausforderungen, die die im MVFP organisierten Verlage auf die Tagesordnung setzen. Wie die MVFP-Trendumfrage zeigt, fordern 78 Prozent der teilnehmenden Verlage die Sicherstellung, dass eine Ausbeutung der Leistung der Verlage durch die konkurrierende KI-Presse unterbleibt. 76 Prozent halten eine Anpassung des Rechts für notwendig, wenn sich herausstellen sollte, dass die Verwertung der Verlagsinhalte durch konkurrierende KI-Veröffentlichungen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht verhindert werden kann. In rund jedem fünften Verlag werden KI-Lösungen bereits bei der Content-Erstellung genutzt, rund ein Drittel prüft den Einsatz.
Regulierung der Digitalmonopole und telefonische Werbung der Leserschaft unabdingbar
Für die Mitgliedsverlage ist die Herstellung und Sicherung fairer Wettbewerbsbedingungen im Verhältnis zu den Torwächterplattformen unverändert von hoher Relevanz. So fordern in der MVFP-Trendumfrage 91 Prozent eine Verpflichtung der Digitalmonopole, alle Zeitschriften und Zeitungen diskriminierungsfrei für die Nutzung des Presseverlegerrechts zu entlohnen. Eine Lösung, bei der nur ausgewählte News-Medien für ihre Inhalte bezahlt werden, findet bei Keinem Zustimmung. Acht von zehn Verlagen fordern, dass alle legalen Presseinhalte, die offiziell am Kiosk verbreitet werden dürfen, auch auf den digitalen Monopolplattformen diskriminierungsfrei zugänglich sein müssen.
In der weiteren Monopolisierung der wirtschafts- und werberelevanten Datenverarbeitung durch Digitalplattformen wie Apple und Google sehen 80 Prozent der Umfrageteilnehmer eine Gefahr für das digitale Verlagsgeschäft, der mit Wettbewerbsrecht und Regulierung begegnet werden muss.
Die Bestätigungslösung für das Telefonmarketing, das für den Erhalt der Abonnement-Auflagen so wichtig ist und einen relevanten Beitrag zur Finanzierung der Redaktionen erzielt, beinhaltet für 60 Prozent der Verlage ein hohes Gefährdungsrisiko insbesondere für Publikumszeitschriften. Schließlich bilden die Erlöse aus Abonnements die wirtschaftliche Basis der freien Presse.
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