Trotz der aktuellen Energiekrise stehen die Turbinenhersteller in Europa aktuell unter Druck. Arbeitsplätze werden abgebaut und die Firmen laufen Gefahr, Marktanteile an die chinesische Konkurrenz zu verlieren. Gründe für diese Entwicklung sind vor allem die anhaltenden Engpässe in den Lieferketten (auch aufgrund der früheren Zero-Covid-Politik und jetzt stark steigender Corona-Fallzahlen in China), der russische Angriffskrieg in der Ukraine und gestiegene Kosten für Rohstoffe wie Stahl und Kupfer seit 2020. Aber auch die strengen und langwierigen Vergabe- und Genehmigungsverfahren machen den Herstellern zu schaffen. Hinzu kommt, dass chinesische Produzenten sich über Zeit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der europäischen Konkurrenz aufgebaut haben – während die chinesischen Turbinenpreise seit 2020 trotz der Rohstoffinflation fallen, sind die Preise global im Durchschnitt seither gestiegen. Dieser Vorteil basiert darauf, dass die chinesischen Hersteller die effizienteste, konzentrierteste und kostengünstigste Lieferkette aufgebaut haben. Auch sind die chinesischen Produzenten aufgrund der inländischen Nachfrage derzeit nicht auf die internationale Expansion angewiesen.
Nordex, Ørsted und Vestas gut aufgestellt
Aber es gibt auch europäische Produzenten, die gut für die Zukunft aufgestellt sind. Das liegt zum einen an den technologischen Fortschritten, zum anderen wächst in Europa das Bewusstsein der Menschen und Regierungen für die Notwendigkeit von grünen Energien. Ein Pionier in der Massenproduktion von Onshore Windenergieanlagen kommt aus Deutschland. Nordex entwickelt, produziert und vermarktet bereits seit 1985 Windkraftanlagen auf der ganzen Welt. 2021 konnte das Unternehmen 100 % seiner Produktion auf erneuerbare Energien umstellen. Mittlerweile hat das Unternehmen in mehr als 40 Ländern Windkraftanlagen installiert und gehört zu den 10 größten Herstellern der Welt. 2020 wurden durch die von Nordex angefertigten Windkrafträder rund 60 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart.
Weitere Unternehmen, die in diesem Segment führend und somit wettbewerbsfähig sind, sind Ørsted und Vestas. Ørsted ist eines der größten Unternehmen in der Windkraft-Branche. Es produziert und betreibt Windkraftanlagen für die Onshore- und Offshore-Nutzung und unterhält daneben Solarparks sowie Anlagen zur Gewinnung von Bioenergie und grünem Wasserstoff. 2020 wurde Ørsted zur nachhaltigsten Firma weltweit gewählt. Einer der Gründe dafür ist die 80 %-ige Reduktion der CO2-Emissionen seit 2006. Zudem ist es das einzige Energieunternehmen in der Welt mit einem wissenschaftlich basierten Netto-Null-Emissionsziel, das von der Science Based Targets Initiative bestätigt wurde. Ein unglaublicher Wandel für ein Unternehmen, das früher für ein Drittel aller CO2-Emissionen Dänemarks verantwortlich war. Denn das Kerngeschäft von Ørsted, früher noch mit dem Namen DONG (Danish Oil and Natural Gas), war die Energiegewinnung durch Öl und Gas. Im Jahr 2017 wurde das Öl- und Gasgeschäft endgültig aufgegeben und der Fokus auf Offshore-Windparks gelegt. Investor*innen und auch Ørsted erkannten, dass die Erzeugung von Windenergie auf lange Sicht eine ernsthafte Konkurrenz für die fossile Brennstoffindustrie darstellt.
Es sind aber nicht nur die finanziellen Aspekte und die zukunftssichere Technologie, die das Unternehmen antreiben. Der Vorstandsvorsitzende Henrik Poulsen verfolgt die Vision, die ganze Welt mit grüner Energie zu versorgen. Und die Aktivitäten von Ørsted geben Anlass dazu, dies als ein ernsthaftes Ziel zu betrachten. Mit einem Marktanteil von 25 % in der Offshore-Windindustrie ist Ørsted eine interessante Wahl für Investoren.
Vestas gehört zu den bekanntesten Unternehmen überhaupt im Bereich der Windkraft. Es wurde am Ende des 2. Weltkrieg 1945 in Dänemark als Familienunternehmen gegründet und ist seit den 70er-Jahren technologischer Vorreiter in der Gewinnung von Strom aus Windenergie. Die Anlagen von Vestas gehören zu den effizientesten kommerziell verfügbaren Modellen und werden stetig in neuen Regionen eingesetzt. 2021 versorgen die Windkraftanlagen von Vestas mehr als 86 Länder mit Windstrom. Bereits 2018 hat es als erstes Unternehmen auf der Welt Anlagen mit einer Gesamtleistung von 100 GW installiert. Bei perfekten Bedingungen würde das ausreichen, um 12,5 % des gesamten Energieverbrauchs der EU einzuspeisen. Mitte 2022 ist Vestas nach wie vor Marktführer.
Bei Vestas gibt es allerdings auch einige Kontroversen. Seit 2012 ist das Unternehmen an einem Windparkprojekt in Kenia beteiligt, bei dem angeblich illegal Land von der lokalen Bevölkerung erlangt wurde. 2021 wurde den zuständigen Behörden die Schuld dafür zugesprochen, allerdings auch erwähnt, dass die beteiligten Firmen ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen sind. Es sind Gespräche mit den betroffenen Gemeinschaften im Gang, um negative Auswirkungen zu mildern. Außerdem kommt beim Bau der Windkraftturbinen in der Regel SF6 Gas zum Einsatz (Schwefelhexafluorid). Dieses Gas hat einen 23,500x stärkeren Treibhauseffekt als CO2 und es kommt häufig zu Lecks. Vestas forscht hier aktiv an Alternativen.
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