Ähnlich wie beim gerade verabschiedeten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz stünden Einzelmaßnahmen mit kurzfristiger und lediglich partikularer Wirkung im Vordergrund, kritisiert Bauernfeind: „Mit den vorgestellten Eckpunkten liegt uns ein weiterer Flickenteppich aus dem Bundesgesundheitsministerium vor. Es ist kein Gesamtkonzept zu erkennen und leider kein nachhaltiger Effekt auf die Versorgungssituation zu erwarten. Zudem wird die Frage der Finanzierung vollständig außer Acht gelassen“, kritisiert Bauernfeind.
„Die AOK hat in der Vergangenheit gezeigt, wie die Arzneimittelausschreibungen zur Stärkung der Versorgung genutzt werden können“, betont der Kassen-Chef. Abrechnungsdaten der GKV für das Jahr 2021 zeigen, dass die dokumentierten Lieferausfälle bei der Versorgung mit Rabattverträgen bei nur 1,2 Prozent lagen, während im patentfreien „Nichtvertragsmarkt“ die Ausfälle mit 4 Prozent mehr als dreimal so hoch waren. „Es ist daher zumindest positiv, dass der Bundesgesundheitsminister die verpflichtende und versorgungsnahe Lagerhaltung von Vertragsarzneimitteln nun endlich vorschreiben möchte“, betont Bauernfeind. „Die AOK nutzt eine solche verpflichtende Lagerhalterung bereits seit mehreren Jahren und hat hier gute Erfahrungen gemacht, um kurzfristige Engpässe aufzufangen.“ Ebenfalls positiv bewertet Bauernfeind die zusätzlichen Informationsrechte des BfArM gegenüber pharmazeutischen Unternehmen: „Wir müssen endlich Transparenz entlang der gesamten Lieferkette sicherstellen, um Lieferschwierigkeiten rechtzeitig zu identifizieren. Die Blockadehaltung der pharmazeutischen Industrie für ein verpflichtendes Frühwarnsystem muss jetzt enden.“
Handlungsbedarf sieht Bauernfeind bei der Diversifizierung der Lieferkette: „Die AOK hat mit dem Ziel in Richtung mehr Versorgungssicherheit in der Vergangenheit versucht, über die Arzneimittelausschreibungen Hersteller zu bonifizieren, die in der EU oder in der Freihandelszone der EU produzieren“. Dieses Standort-Kriterium wurde jedoch nach einer Klage pharmazeutischer Hersteller vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gestoppt. „Die AOK Baden-Württemberg will schon lange weg vom erzwungenen Vertragsabschluss mit dem günstigsten Anbieter. Daher sind Maßnahmen in dieser Richtung grundsätzlich zu begrüßen. Zu überarbeiten ist vor allem das europäische Vergaberecht, das uns in der Vergangenheit ausgebremst hat. Als Verhandlungsführerin bei den Arzneimittelausschreibungen für die AOK-Gemeinschaft stehen wir sehr gerne für Beratungen und einen offenen Dialog zur Verfügung. Es kommt jetzt ganz wesentlich auf die Ausgestaltung an. Die pharmazeutischen Unternehmen müssen stärker in die Pflicht genommen werden, für eine sichere und sogleich nachhaltige Produktion zu sorgen und sich ihrer Verantwortung zu stellen. Das Versteckspielen hinter dem seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig vorgebrachten Preis-Argument muss aufhören, denn dieses geht zulasten der Patientinnen und Patienten, ohne diesen einen realen Versorgungsnutzen zu eröffnen.“
Die AOK Baden-Württemberg versichert über 4,5 Millionen Menschen im Land und verfügt über ein Haushaltsvolumen von über 20 Milliarden Euro.
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