Besessen von Ärzten und Klistieren

Kranksein muss man sich leisten können. Das ist heute nicht anders als vor rund 350 Jahren, als Molière, der die französische Typen-Komödie salonfähig gemacht und wie kaum ein anderer geprägt hat, sein letztes Stück »Der eingebildete Kranke« schrieb. Bis heute ist es sein erfolgreichstes. Die Geschichte um den reichen Argan, der sich unaufhörlich einredet krank zu sein, und von seinen gut an ihm verdienenden Ärzten und Apothekern darin bestärkt wird, zeigt verblüffende Parallelen ins Heute auf.
Denn unser gnadenlos auf Wirtschaftlichkeit getrimmtes Gesundheitssystem hilft bevorzugt denen, die es sich leisten können, und überzeugt den einen oder anderen verunsicherten Patienten gern davon, zusätzliche, natürlich teuer bezahlte Leistungen in Anspruch zu nehmen. Immer stärker führen diese Ungerechtigkeiten dazu, dass das Gesundheitssystem selbst ein schwerkranker Patient ist.
Regisseurin Susanne Lietzow (zuletzt am Theater Heilbronn mit »Funny Money«) bringt die Komödie »Der eingebildete Kranke« in ihrer eigenen Übersetzung und Fassung auf die große Bühne. Die Premiere ist am 29. Juni 2024 um 19.30 Uhr. Wieder zeichnet Aurel Lenfert für das Bühnenbild verantwortlich. Als zusätzliche Partner hat sie sich Kostümbildnerin Jasna Bošniak und Musiker Oliver Welter mit ins Boot geholt. Nils Brück ist in der Rolle des Hypochonders Argan zu erleben, der vor allem finanziell zur Ader gelassen und auf die harte Tour von seinen neurotischen Leiden kuriert wird.

Zum Inhalt
Argans Gedanken kreisen nur um sich selbst und sein körperliches Wohlergehen. Pausenlos beschäftigt er sich mit seinem Puls, seinen Eingeweiden und der Beschaffenheit seiner Ausscheidungen. Er ist ein Hypochonder wie er im Buche steht, fühlt sich sterbenskrank und ist besessen von Ärzten und den Klistieren, die sie ihm verordnen: gegen Blähungen, zur Ausräumung der Därme, zum Schlafen und zur Stärkung des Herzens. Mit seinem Egozentrismus und seinen eingebildeten Krankheiten terrorisiert er seine Umwelt. Einzig sein Dienstmädchen Toinette fragt ihn ein ums andere Mal ganz unverblümt: »Was fehlt ihnen eigentlich?«. Sie rechnet ihm vor, dass Ärzte und Apotheker sich eine goldene Nase an ihm verdienen. Doch das stört den reichen Argan nicht. Kranksein und die Konsultation von Doktoren und Pharmazeuten ist sein Lebensinhalt. Seine Obsession geht soweit, dass er seine ältere Tochter Angélique mit dem angehenden Doktor Diafoirus verheiraten möchte, einem ungehobelten jungen Mann, der nur totes Wissen auswendig lernt, moderne medizinische Erkenntnisse etwa über die Existenz eines Blutkreislaufs negiert und seine versprochene Braut zur Verlobung zu einer Obduktion mitnehmen möchte. Angélique graust es bei dem Gedanken an eine Ehe mit ihm, zumal sie in Cléante verliebt ist. Aber es führt kein Weg an dem Willen ihres Vaters vorbei, der unbedingt einen Arzt als Schwiegersohn haben will, weil das gut für ihn ist.  Wenn sich Angelique nicht fügen sollte, dann müsse sie ins Kloster, droht Argan. Das wiederum käme ihrer Stiefmutter und seiner zweiten Frau Béline sehr recht, die alles daransetzt, Argans Töchter von dem ihnen zustehenden Erbe zu verdrängen und sich selbst in einem neuen Testament als Alleinerbin einsetzen zu lassen. Sie bedauert ihren »armen, kranken« Argan und geht ihm um den Bart. Doch nicht nur Toinette, auch Argans Bruder Béralde, der übrigens Ärzte hasst, wittern hinter dem scheinheiligen Gebaren eine durchtriebene Taktik.

 Verrückte Bühne, schräge Perücken und opulente Kostüme
Regisseurin Susanne Lietzow freut sich über die prallen Charaktere, die Molière entworfen hat und die sie inszenieren darf: »Jede Figur ist wunderschön«, sagt sie. Die Opulenz findet sich auch in den vom Rokoko inspirierten Kostümen und Perücken von Jasna Bošnjak wieder.  Aurel Lenferts Bühne wird von einer überdimensionalen Toilette bestimmt – der Thron, von dem aus Argan seine Familie tyrannisiert. Den Boden der Bühne hat der Malersaal in einen »psychedelischen Marmor« (Lenfert) verwandelt, Sinnbild für die Rebellion, die im Hause des »eingebildeten Kranken« vor allem von den Frauen, allen voran vom Dienstmädchen Toinette (Sarah Finkel) ausgeht.

Molière starb in der Hauptrolle während der Vorstellung
Molière schrieb diese Komödie in drei Akten im Jahre 1672/73 und arbeitete sich nicht nur an dem Egozentrismus betuchter Zeitgenossen ab, sondern auch an der Unfähigkeit der Mediziner seiner Zeit. Damals tobte unter anderem an der medizinischen Fakultät in Paris ein Streit um die Existenz des Blutkreislaufes, und die Ärzteschaft in der französischen Hauptstadt verschloss sich tatsächlich mehrheitlich den neuen Erkenntnissen. Stattdessen berief man sich auf die immer gleichen Behandlungsmethoden wie Aderlässe und Einläufe und versteckte sich hinter lateinischen Fachbegriffen.
Die Tragik der Geschichte ist, dass Molière, der selbst in der Uraufführung von »Der eingebildete Kranke« den Argan spielte, schwer an Lungentuberkulose erkrankt war. In der vierten Vorstellung am 10. Februar 1673 erlitt er einen Blutsturz und starb wenig später noch im Kostüm. So blieb diese Komödie sein letztes Theaterstück, und es wurde eines seiner erfolgreichsten. Bis heute sind diese wunderbar verrückten Charaktere nicht von den Theaterbühnen der Welt wegzudenken.  

Premiere am 29. Juni 2024, 19.30 Uhr, Großes Haus des Theaters Heilbronn
Der eingebildete Kranke
von Molière
in der Übersetzung und Fassung von Susanne Lietzow

Regie: Susanne Lietzow
Bühne: Aurel Lenfert
Kostüme: Jasna Bošnjak
Musik: Oliver Welter
Licht: Niko Bock
Dramaturgie: Katrin Aissen

Es spielen:
Argan: Nils Brück
Béline, Argans zweite Frau: Juliane Schwabe
Angélique, Tochter des Argan: Regina Speiseder
Louison, kleine Tochter des Argan: Judith Lilly Raab
Béralde, Bruder des Argan: Oliver Firit
Cléante, in Angelique verliebt: Lennart Olafsson
Doktor Diafoirus, Arzt: Stefan Eichberg
Thomas Diafoirus, sein Sohn in Angélique verliebt: Felix Lydike
Doktor Purgon, Arzt des Argan: Gabriel Kemmether
Magister Fleurant, Apotheker: Pablo Guaneme Pinilla
Herr de Bonnefoy, Notar: Tobias D. Weber
T
oinette, Dienerin bei Argan: Sarah Finkel

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