Das Arbeiten in Zyklen ist für Friedrichs Werk grundlegend: Friedrich überträgt die Prozesse des menschlichen Lebens in die Natur. Im hannoverschen Tageszeitenzyklus steht die Entwicklung des menschlichen Lebens zwischen Geburt und Tod in Analogie zu Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend.
Der inhaltliche Zusammenhang manifestiert sich auch in der Bildkomposition: Die Lichtführung sowie die Darstellung des Gebirgszuges und der Baumkronen sind in allen vier Bildern des Tageszeitenzyklus von 1820/21 fortlaufend angelegt. Die Figuren
stehen in einem Kontrast zueinander. Dies wird besonders deutlich im Bild »Morgen« mit der Gegenüberstellung eines Fischers und zwei Wanderern, die versonnen den Sonnenuntergang betrachten. Im »Mittag« präsentiert Friedrich eine Schäferfigur, ein Motiv, das sich auch auf anderen Werken Friedrichs wiederfindet. Im »Nachmittag« ist ein Bauer auf seinem Pferdewagen zu sehen.
Die Ausstellung erlaubt neben einer kunsthistorischen Betrachtung auch die Präsentation neuer kunsttechnologischer Erkenntnisse. Inwiefern geben Infrarotaufnahmen Aufschluss über die Kompositionsweise des Künstlers? Unterschiede zwischen der Unterzeichnung und dem fertigen Werk lassen sich dabei ebenso feststellen wie der vielschichtige Farbauftrag und eine sorgfältig eingesetzte Maltechnik.
Neben dem Tageszeitenzyklus präsentiert das Landesmuseum Hannover den »Morgen (Ausfahrende Boote)« eines tageszeitlichen Schiffszyklus sowie ein zeitgenössisches Porträt Friedrichs, gemalt vom dänischen Künstlers Johann Ludwig Gebhard Lund.
Seit dem Jahr 2008 werden die Bestände des Landesmuseums Hannover einer systematischen Überprüfung hinsichtlich ihrer Provenienz unterzogen. Bei dem Werk »Morgen (Ausfahrende Boote)« ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von »NS-Raubgut« auszugehen. Es gibt Hinweise auf zwei mögliche Vorbesitzer, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Trotz intensiver Recherchen konnte die Provenienz bisher nicht lückenlos geklärt werden. Im Jahr 1935 erwarb das Museum das Bild in der Düsseldorfer Galerie von Hans Bammann. Laut Ankaufsakten befand es sich zuvor »im Besitze eines Herrn H. Kahnheimer in Frankfurt/Main«. Es konnte jedoch bisher weder eindeutig der ehemaligen Sammlung des Bankiers Herbert Kahnheimer (1897–1991) zugeordnet noch ein NS-verfolgungsbedingter Zwangsverkauf im fraglichen Zeitraum nachgewiesen werden. In früheren Bestandskatalogen des Landesmuseums Hannover wird für das Jahr 1934 der Frankfurter Kunsthändler Zacharias M. Hackenbroch (1884–1937) als Vorbesitzer genannt. Auch diese Angabe lässt sich für den »Morgen« nicht belegen.
»Es ist uns eine große Freude, diese Kabinettausstellung präsentieren zu können. Die Werkfolge der ›Vier Tageszeiten‹ bietet einen einzigartigen Einblick in Friedrichs künstlerische Vision und seine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Zyklen des Lebens. Durch die unterschiedlichen Perspektiven der Kunstgeschichte, Restaurierung und Provenienzforschung wollen wir den Besuchern ein umfassendes Verständnis dieser Meisterwerke ermöglichen. Wir danken zudem den Freunden der Landesgalerie Hannover für ihre großzügige inhaltliche wie finanzielle Unterstützung, die die Realisierung des Begleitbandes ermöglicht hat«, so Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover.
Informationen zur Ausstellung
Der Ausstellungsbesuch ist im Museumseintritt inbegriffen.
Im Rahmen der Ausstellung erscheint der Band »Tageszeiten. Caspar David Friedrich in Hannover«. Der sechste Teil der Publikationsreihe »NahSichten« wurde mit freundlicher Unterstützung der Freunde der Landesgalerie Hannover e.V. realisiert. Er ist im Museumsshop für 5,90 € erhältlich oder kann im Buchhandel für 6,95 € erworben werden.
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