Galvanische Chromschichten werden im dekorativen Sanitärbereich zum Beispiel für Wasserhähne oder Duschköpfe verwendet, aber auch für funktionale Produkte in der Industrie, etwa im Automobilbau, in der Stahlindustrie und im Maschinenbau. Für all diese Produkte wurden bislang Materialien verwendet, die nach der Chemikalienverordnung der EU „REACH“ („Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“ – Deutsch: „Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien“) wegen ihrer toxikologischen und umweltgefährdenden Eigenschaften als „besonders besorgniserregend“ eingestuft wurden. Die Industrie wurde verpflichtet, an Ersatzprozessen und -materialien zu forschen. Unbedenkliche Materialien existieren zwar bereits, doch sind sie noch nicht konkurrenzfähig: Ihre Farbe bleibt mit der Zeit nicht konstant, sie sind nicht so korrosionsbeständig und verschleißen schneller als die derzeit verwendeten Chromschichten. Zudem können schon kleinste Veränderungen während des Herstellungsprozesses zu ungewollten Eigenschaften des Materials führen.
Materialien zu entwickeln und herzustellen, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und gleichzeitig industrietauglich und damit konkurrenzfähig sind, ist kompliziert und langwierig. Bisher wird zur Optimierung einer galvanischen Schicht meist nach dem Trial-and-Error- Prinzip vorgegangen: Produktionsparameter werden so lange verändert, bis eine befriedigende Lösung gefunden ist – und das kostet Zeit.
Mit dem von der TU Ilmenau initiierten großangelegten Forschungsprojekt DigiChrom [„Digitale Werkzeuge zur Verbesserung galvanischer Schichten am Beispiel Chrom(III)-basierter Prozesse“] tritt digitalisierte Materialforschung anstelle der bislang intuitiven und unsystematischen experimentellen Methoden. Elf Partner aus Forschung und Industrie unter der Leitung des führenden deutschen Herstellers von Sanitärprodukten Hansgrohe wollen die Entwicklung und Herstellung von neuen, gesundheitlich unbedenklichen Materialien und Produkten effizienter machen. Die Hauptaufgabe des Wissenschaftlerteams des Fachgebiets Elektrochemie und Galvanotechnik der TU Ilmenau ist es dabei, experimentell gewonnene Daten systematisch zu erfassen, mit Daten aus digitalen Simulationen zu kombinieren und mit Metadaten aufzuwerten. Die Erzeugung genauer, reproduzierbarer und vollständiger Datensätze, mit denen die Künstliche Intelligenz, das Machine Learning, später „gefüttert“ werden soll, ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe. Es wird eine solch große Anzahl an Daten benötigt, dass dafür über 1000 Experimente gemacht werden müssen. Ist das DigiChrom-Projekt erfolgreich, steht der Industrie eine ungleich höhere Anzahl an Daten zur Verfügung, die die Entwicklung und Herstellung ihrer Produkte drastisch beschleunigen wird.
Schon im Vorfeld des DigiChrom-Projekts hat die TU Ilmenau gemeinsam mit dem Unternehmen Hansgrohe durch den Einsatz neuester wissenschaftlicher Methoden wie der Röntgenfluoreszenzanalyse und der Rasterelektronenmikroskopie bei den optischen Eigenschaften wie Glanz und Farbwert der dekorativen Schichten von Sanitärprodukten hervorragende Ergebnisse erzielt. Prof. Andreas Bund, Leiter des Fachgebiets Elektrochemie und Galvanotechnik und Initiator des Projekts, ist daher von den neuen Möglichkeiten der digitalisierten Materialforschung überzeugt: „Unser Ziel ist es die, im Herstellungsprozess auftretenden Schwankungen, was Farbe und Glanz angeht, um 75 Prozent zu reduzieren, die Abriebbeständigkeit der Schichten zu verdoppeln und dabei sogar noch die Kosten zu halbieren. Sind wir erfolgreich, sollen die Ergebnisse des DigiChrom-Projekts direkt in industrielle Anwendungen einfließen. Und dann werden wir die für Chromschichten entwickelte neue Methode auch auf Verfahren für andere Materialien übertragen.“
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