Aufräumarbeiten gehen nur schleppend voran, Asbest und andere giftige Stoffe verursachen gesundheitliche Schäden. Über 3 Millionen Menschen leben noch immer in Zelt- oder Containerlagern; oft sind sie dort nicht ausreichend versorgt. Es fehlt insbesondere an sozialen und psychologischen Angeboten, um das Erlebte verarbeiten zu können.
In der Türkei wird das Versagen des Staates kaum aufgearbeitet. Anita Starosta, medico-Referentin für Syrien und die Türkei: "An vielen Orten kam Hilfe spät oder nie an. Stattdessen wurden zivilgesellschaftliche Organisationen, die Hilfe leisten, stark eingeschränkt. Vor kurzem wurden in Adiyaman Container beschlagnahmt, in denen psychosoziale Beratung stattfinden sollte."
In Syrien haben internationale Hilfslieferungen die vom Erdbeben betroffenen Provinzen Idlib und Afrin erst Tage nach dem Erdbeben erreicht – zu spät, um noch Überlebende zu bergen. Die Vereinten Nationen haben ihre Hilfsprogramme im letzten Jahr weiter reduziert, manche wurden eingestellt. Einen Plan für den Wiederaufbau gibt es nicht, dieser findet nur vereinzelt auf private Initiative statt. Profitiert hat Diktator Assad. "Er konnte sich über die Kontrolle der Hilfslieferungen rehabilitieren", so Starosta.
Im Nordosten von Syrien hat die Türkei in den vergangenen Monaten immer wieder die zivile Infrastruktur bombardiert: Die zentrale Gasförderanlage und Elektrizitätswerke wurden zerstört, ebenso eine Diabetes-Klinik in Kobane und Saatgutlager. Die türkischen Angriffe gefährden die Versorgung der Bevölkerung in der Region ebenso wie die von Millionen Binnenvertriebenen infolge des syrischen Krieges und des Erdbebens.
UN-Schätzungen zufolge waren in Syrien 8,8 Millionen Menschen vom Erdbeben betroffen, in der Türkei nach offiziellen Angaben 14 Millionen Menschen in elf Provinzen.
Langfristige Hilfsprojekte im Erdbebengebiet
Seit Jahrzehnten arbeitet medico international in der vom Erdbeben betroffenen Region mit Partnerorganisationen zusammen. Dank knapp 3,5 Mio. Euro Spenden war es unmittelbar nach dem Beben möglich, Nothilfemaßnahmen zu unterstützen. Inzwischen fördert medico Projekte, die langfristig wirken: Wiederaufbau, Bleibeperspektiven für dörfliche Gemeinschaften, psychosoziale Betreuung von Frauen und Kindern sowie medizinische Versorgung.
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