Ein wirksames Landmanagement – für die Landwirtschaft, Wälder oder Siedlungen – spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der Klimakrise. Die Land-Emissionen werden allerdings in globalen Modellen zum Kohlenstoff-Kreislauf anders verrechnet als in nationalen Treibhausgasbilanzen, die zur Berichterstattung in der internationalen Klimapolitik genutzt werden. Im Vorfeld der ersten „globalen Bestandsaufnahme“ der nationalen Klimaschutz-Zusagen auf der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai gleicht eine Studie die beiden Bewertungsansätze erstmals ab. Fazit: Das Erreichen der Temperaturziele des Paris-Abkommens erfordert noch ehrgeizigere Maßnahmen als bisher angenommen. Die Studie, mitverfasst vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change), ist publiziert in der renommierten Fachzeitschrift Nature.
Zu den Klimaschutzstrategien im Bereich Landnutzung zählen etwa der Stopp der Entwaldung und eine bessere Waldbewirtschaftung. Die Regierungen haben die Bedeutung des sogenannten Sektors „Land use, land use change and forestry (LULUCF) erkannt: 118 von 143 Staaten haben in ihre nationalen Selbstverpflichtungen, die den Kern des Pariser Abkommens bilden, die Reduzierung von landgestützten Emissionen oder landgestützte CO2-Entnahmen aus der Atmosphäre aufgenommen.
Allerdings berechnet man die LULUCF-Größen (Emissionen und Entnahmen) in den nationalen Treibhausgasbilanzen anders als in den Szenarien zur Emissionsminderung. Anhand dieser Szenarien, vom Weltklimarat IPCC aus der Forschungsliteratur zusammengestellt und bewertet, beurteilt man die Fortschritte beim Begrenzen der Erderhitzung auf deutlich unter 2 Grad und möglichst 1,5 Grad Celsius. Der Methodenunterschied liegt an unterschiedlichen Definitionen von „bewirtschaftetem“ Land und von menschengemachter CO2-Entnahme auf diesem Land. Daraus resultiert eine riesige Lücke von etwa 4 bis 7 Gigatonnen CO2 weltweit pro Jahr, also mindestens 10 Prozent aller heutigen Treibhausgasemissionen.
Das Forschungsteam hat nun die IPCC-Benchmarks für Landemissionen mit den nationalen Treibhausgasbilanzen abgeglichen: Unter Verwendung des von den Staaten gewählten LULUCF-Bewertungsansatzes analysierten sie die Emissionspfade neu, die mit den Temperaturzielen des Pariser Abkommens konsistent sind. „Die Methode ermöglicht es den Staaten, ihre Benchmarks und Ziele zu aktualisieren und zu verfeinern, so dass sie ein echtes Netto-Null-Ziel ausweisen können – das mit den IPCC-Zielen zur Klima-Stabilisierung konsistent ist, aber anhand der nationalen Treibhausgasbilanzen nachverfolgt werden kann", erklärt Jan Minx, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und ein Co-Autor der Studie.
Die Analyse zeigt: Es wird schwieriger, die wichtigsten Minderungsziele zu erreichen, wenn die Berichterstattungskonventionen der Staaten in Betracht zieht. Erforderlich sind dann niedrigere Emissionen insgesamt als auch ein schnelleren Rückgang auf netto null. So müssen bei 1-5-Grad-Szenarien netto null Emissionen ein bis fünf Jahre früher erreicht werden als bisher angenommen. Die globalen Emissionen müssen bis 2030 um 3,5 bis 6 Prozent stärker gesenkt werden, und die kumulierten Emissionen bis zum Erreichen von netto null müssen um 15 bis 18 Prozent geringer ausfallen – das entspricht 55 bis 95 Gigatonnen weniger. Der Abgleich mit den nationalen Bilanzen ergibt zudem, dass der Landnutzungssektor in den 1,5- und 2-Grad-Szenarien bis Mitte des Jahrhunderts wieder steigende CO2-Emissionen aufweist und bis 2100, die Entnahmen mitbetrachtet, zu einer Netto-Emissionsquelle wird.
Das Forschungsteam betont, dass die Ergebnisse nicht im Widerspruch zu den IPCC-Benchmarks stehen, sondern diese vielmehr mit Blick auf die nationalen Bilanzen neu beleuchten. „Unsere Ergebnisse zeigen die Gefahr, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden“, sagt Matthew Gidden, Senior Researcher am Forschungsinstitut IIASA in Laxenburg bei Wien und Leitautor der Studie. „Um das Pariser Abkommen zu erfüllen, ist es entscheidend, dass die Staaten das korrekte Ziel anstreben.“ Wenn sie bei nationaler Bilanzierung auf originäre modellbasierte Benchmarks schauten, würden sie das Ziel verfehlen. Mit Blick auf die freiwilligen Selbstverpflichtungen empfiehlt Gidden, dass „die Staaten Klarheit in ihre Klimaambitionen bringen, indem sie die Ziele zum LULUCF-Sektor getrennt vom sonstigen Emissionsabbau kommunizieren“.
Quellenhinweis zur zitierten Studie:
Gidden, M., Gasser, T., Grassi, G., Forsell, N., Janssens, I., Lamb, W., Minx, J., Nicholls, Z., Steinhauser, J., Riahi, K., 2023, Aligning climate scenarios to emissions inventories shifts global benchmarks, Nature
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