Volksbund birgt den einmillionsten Kriegstoten in Litauen

Kelme, Berlin, Kassel, den 28.9. Es ist ein Meilenstein in der Arbeit des Volksbundes, ein trauriges Jubiläum und doch ein Erfolg: Heute haben die Umbetter des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. nahe Kelme, Litauen, symbolisch den einmillionsten Kriegstoten seit 1992 in Osteuropa ausgebettet. Das Bundesarchiv, mit dem der Volksbund eng zusammenarbeitet, hat den Toten identifiziert.

Neue Zeitrechnung

Die Zahl von einer Million kann natürlich nur eine symbolische sein. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Abschluss des Kriegsgräberabkommens zwischen der Bundesrepublik und der Russischen Föderation begann eine neue Zeitrechnung und damit auch eine neue Zählung. Dieses Kriegsgräberabkommen war ein Modell für zahlreiche Länder in Osteuropa. Dort fanden – und finden – die Experten die weitaus meisten Kriegstoten. 

Bis zum Herbst wollte der Volksbund die Wegmarke von einer Million geborgener Kriegstoter erreicht haben. Dieses Ziel kam Anfang September in Sicht. Bei der Sondierung der Grablage nahe Kelme im Norden Litauens hatten die Experten erkannt, dass dort ein Toter mit einer vollständigen deutschen Erkennungsmarke – zusammen mit zwei weiteren Gefallenen – begraben liegt. Die Grabung konnte nun vorbereitet werden.

Recherche des Bundesarchivs

Das Foto der Erkennungsmarke ging an das Bundesarchiv in Berlin. Dort recherchierten die Fachleute der Abteilung Personenbezogene Auskünfte und konnten die Identität des Toten ermitteln. Mit Hilfe der Verzeichnisse und Datenbanken fand man die entsprechende Wehrmachts-Einheit: Danach handelt es sich um einen Sanitätsgefreiten aus dem heutigen Sachsen-Anhalt, der im April 1943 zur Wehrmacht eingezogen und in der 5. Kompanie der Panzer-Aufklärungs-Ersatz und Ausbildungs-Abteilung 1 eingesetzt war.

Im nächsten Schritt wird das Bundesarchiv beginnen, Angehörige zu ermitteln, um sie zu informieren und ihnen die Erkennungsmarke auszuhändigen. Außerdem werden Todeszeitpunkt und Todesort festgestellt und der Sterbefall angezeigt. Dies ist das übliche Vorgehen der Kooperation von Volksbund und Bundesarchiv bei Kriegsgräberrecherchen. 

Dem Gräbernachweis des Volksbundes liegt weder eine Verlustmeldung noch ein sonstiger Grablagehinweis vor. Deshalb handelt es sich höchstwahrscheinlich um einen bislang Vermissten. Der nächste Schritt nach der Bergung ist die Protokollierung der Funde im Rahmen der Gebeinaufnahme.

Identifizierung von Kriegstoten – aufwändig und zeitintensiv

„Dass hier ein Toter so rasch identifiziert werden kann, ist die absolute Ausnahme“, sagt Arne Schrader, Leiter der Abteilung Kriegsgräberdienst im Volksbund. „Das war nur möglich, weil wir diese Ausbettung symbolisch für den einmillionsten Geborgenen vorbereitet und eine Erkennungsmarke gefunden haben. Bei 12.000 bis 15.000 Toten, die wir pro Jahr exhumieren, ist der Weg bis zu einer möglichen Identifizierung und zur Suche nach Angehörigen deutlich länger. Zu der Zahl der eine Million Geborgenen seit dem Fall des Eisernen Vorhanges gehört allerdings auch die bittere Erkenntnis, dass der Volksbund im gleichen Zeitraum vorhandene Meldungen zu Gräbern von mehr als 670.000 Kriegstoten im Ausland überprüft hat, die entweder nicht mehr zu finden oder nicht zu bergen waren, beispielsweise wegen Überbauung.“

Eine Million – jeder einzelne ein Verlust

Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan verfolgte die Exhumierung und sagte dazu: „Eine Million Menschen – das ist die Bevölkerung einer Großstadt. Die riesige Zahl darf nicht dazu führen, dass die einzelnen Menschen ihre Bedeutung verlieren. Jeder einzelne ist ein Verlust und hat eine Lücke in einer Familie, in einem Freundeskreis hinterlassen.“

Bundesarchiv-Präsident Michael Hollmann erklärte: „Das Bundesarchiv bewahrt rund 75 Kilometer personenbezogene Wehrmachts-Unterlagen auf. Diese Meldungen, Listen oder Karteien sind Voraussetzung dafür, dass Schicksale von Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg aufgeklärt werden können – sei es bei Kriegsgräberrecherchen oder Anfragen von Privatpersonen. So bleibt die Erinnerung an die Schrecken des Krieges lebendig.“

Staatlicher Auftrag – privater Verein

Die Aufgabe des Volksbundes, Kriegstote im Ausland zu finden, sie zu bergen, würdig zu bestatten und ihre Gräber zu pflegen, ist noch lange nicht erfüllt. Darum setzt er sich mit dem „Eine-Million-Projekt“ ein zweites ehrgeiziges Ziel: Bis zum Herbst will er eine Million Euro an Spenden sammeln. Der Volksbund arbeitet zwar im Auftrag der Bundesregierung, doch als humanitäre Organisation erfüllt er seinen Aufgabe – anders als vergleichbare Institutionen in anderen Ländern – als Verein. Der Volksbund finanziert seine Arbeit überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Auf mehr als 830 Kriegsgräberstätten in 46 Ländern pflegt der Volksbund aktuell die Gräber von mehr als 2,8 Millionen Kriegstoten.

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