Der BGH hat in einem aktuellen Urteil seine bisherige Rechtsprechung zur Reichweite der Regelungen im Zusammenhang mit Dienstbarkeiten justiert. Auf einen wie auch immer zwischen den Parteien außerhalb der Bestellungsurkunde besprochenen Zweck kommt es nicht an. Zum Geh- und Fahrtrecht hat er klargestellt, dass sich die Reichweite der Befugnisse aus einer Interessenabwägung ergeben muss, die nicht statisch am Zeitpunkt der Bestellung des Rechts festhängt.
Leitsatz:
a) Aus dem als gesetzliche Folge der Bestellung einer Grunddienstbarkeit entstandenen Begleitschuldverhältnis kann sich ergeben, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks auch eine (deckungsgleiche) Baulast übernehmen muss.
b) Eine solche Verpflichtung setzt unter anderem voraus, dass die Grunddienstbarkeit nach ihrem Inhalt und Umfang die von einer Bebauung herrührenden Nutzungen umfasst, was bei einem uneingeschränkten Geh- und Fahrtrecht regelmäßig anzunehmen ist; es ist nicht erforderlich, dass die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt wurde, die Bebauung des herrschenden Grundstücks zu ermöglichen.
Sachverhalt:
Ein ursprünglich einheitliches Grundstück war 1928 aufgeteilt worden. Das vordere Flurstück wurde zu Gunsten der hinten liegenden Flurstücke, die gebildet wurden, mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrtrechts belastet. Die Eigentümerin eines der hinten liegenden Grundstücke beabsichtigte nun, ein Wohnhaus zu errichten und verlangte von der Eigentümerin des vorne liegenden und mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstücks die Abgabe einer sogenannten Baulasterklärung zugunsten der Grundstücke der Klägerin, die Voraussetzung einer baurechtlichen Genehmigung war.
Entscheidung:
Der BGH hält fest, dass gesetzliche Folge der Bestellung einer Grunddienstbarkeit ein sogenanntes „Begleitschuldverhältnis“ ist, aus dem sich ergeben kann, dass der Eigentümer eines dienenden Grundstücks auch gegebenenfalls weitere Belastungen übernehmen muss. Dies sei anhand einer beiderseitigen Interessenabwägung festzustellen. So sei u.a. zu prüfen, ob eine Übernahme einer Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung des herrschenden Grundstücks ist, ob eine Befreiung von dem Erfordernis einer Baulast denkbar und durchsetzbar ist, ob beispielsweise auch bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit bereits Regelungsbedarf im Hinblick auf eine solche Baulast bestanden hat und selbstverständlich auch, ob Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen würde.
Das oben genannte Begleitschuldverhältnis hat dienende Funktion und umreißt Rechte und Pflichten des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks. Für den Dienstbarkeitsumfang sei das jeweilige Bedürfnis des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks maßgebend, was gegebenenfalls zu Nebenpflichten des jeweiligen Eigentümers des belasteten Grundstücks führen kann. Das Bedürfnis des Berechtigten könne nachträglich wachsen und dadurch der Umfang der Rechte und Pflichten aus der Dienstbarkeit steigen.
Das müsse die Grenzen der Nutzung des dienenden Grundstücks grundsätzlich einhalten und dürfe nicht zu einer unvorhersehbaren willkürlichen Änderung der Benutzung des herrschenden Grundstücks führen. Letztlich komme es auf eine Abwägung der wechselseitigen Interessen und damit auf die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben an.
In diesem Rahmen geht der BGH davon aus, dass ein inhaltlich uneingeschränktes und unbefristetes Geh- und Fahrtrecht die Zuwegung grundsätzlich für jede zulässige Nutzung des herrschenden Grundstücks ermöglichen soll. Einer Zweckvereinbarung bei Bestellung der Dienstbarkeit bedarf es insoweit nicht. Dazu gehören auch Bedarfssteigerungen des herrschenden Grundstücks bis zur Grenze willkürlicher Benutzungsänderungen und unvorhersehbarer Entwicklungen. Das Geh- und Fahrtrecht nehme z.B. auch an baurechtlichen Entwicklungen der Umgebungsgrundstücke teil (z.B. nachträglicher Bebauungsplan, nachträgliches Baurecht durch Umgebungsbebauung etc.).
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