Kindermissionswerk veröffentlicht unabhängige Untersuchung zum Fall Pilz

Keine Anhaltspunkte für sexuellen Missbrauch an Minderjährigen in der Amtszeit von Winfried Pilz – Jedoch Grenzverletzungen gegenüber Erwachsenen in Macht- oder Abhängigkeitsverhältnissen – Empfehlungen der Untersuchung werden umgesetzt 

Aachen. Das Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ hat heute die Ergebnisse der externen, unabhängigen Untersuchung zur Amtszeit von Pfarrer Winfried Pilz der Jahre 2000 bis 2010 veröffentlicht. Mit der Untersuchung sollte etwaiges sexuell missbräuchliches Verhalten des ehemaligen Präsidenten in den Blick genommen werden. Der gesamte, rund 130 Seiten umfassende Bericht der Rechtsanwältin und Mediatorin Dr. Bettina Janssen, Köln, kann hier eingesehen werden: https://www.sternsinger.de/…

In der Untersuchung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Pilz während seiner Amtszeit sexuellen Missbrauch an Minderjährigen begangen hat. Es gibt jedoch im Hinblick auf vier erwachsene, (ehemalige) männliche Mitarbeiter des Kindermissionswerks Hinweise auf sexualbezogene Grenzverletzungen durch Pfarrer Pilz. In den Ergebnissen der Untersuchung wird deutlich, dass Winfried Pilz über eine große Autorität und Machtfülle verfügte, die keiner wirksamen Kontrolle unterlag. Zudem gab es damals für Mitarbeitende keine niederschwelligen Melde-, Beschwerde- oder Beratungsmöglichkeiten, um Missstände zu melden. Schließlich dokumentiert die Untersuchung, auf welche Schwierigkeiten und Hindernisse Aufarbeitung bis heute in der Kirche stößt. Die Ergebnisse der Untersuchung enthalten konkrete Empfehlungen für das Kindermissionswerk, die umgesetzt werden sollen. Außerdem sind in der Untersuchung zahlreiche weitere Empfehlungen formuliert, die sich „nicht ausschließlich an das Kindermissionswerk, sondern an alle (richten), die sich mit der Problematik von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt beschäftigen.“

Umgang mit Missbrauchstäter Wintz

Die Untersuchung beleuchtet auch den Umgang von Pfarrer Pilz und der weiteren Leitung des Kindermissionswerks mit dem aus dem Bistum Aachen stammenden Missbrauchstäter Pfarrer Dieter Wintz. Es wird deutlich, dass von Seiten des Kindermissionswerkes die ehrenamtliche Zusammenarbeit mit Wintz nach Missbrauchsvorwürfen bereits im Jahre 2003 hätte beendet werden müssen. Dies geschah jedoch erst im Jahre 2006.

Pfarrer Dirk Bingener, Präsident des Kindermissionswerks, stellt bei der Übergabe des Gutachtens fest: „Mit dieser Untersuchung ist es Frau Dr. Janssen gelungen, ein genaues Bild des machtmissbräuchlichen Verhaltens von Winfried Pilz sowie der Faktoren zu zeichnen, die dies ermöglichten. Im Fall Dieter Wintz zeigt sie zudem auf, welche Versäumnisse diesbezüglich zu verantworten sind.“

Empfehlungen der Untersuchung für das Kindermissionswerk werden umgesetzt

Bingener betont weiter, dass die Feststellungen im Gutachten nun konkrete Schritte zur Folge haben müssen: „Aufarbeitungsgutachten schließen ja nichts ab, sondern sie fordern die Umsetzung notwendiger Veränderungen ein. So werden wir die Empfehlungen im Gutachten, beispielsweise die Entwicklung eines umfassenden Verhaltenskodexes für Führungskräfte und Mitarbeitende sowie die Überprüfung und den Ausbau von Beschwerde- und Meldewegen, zusätzlich zu unseren bestehenden Maßnahmen forcieren. Alle Empfehlungen fügen sich gut in die seit 2021 laufenden Modernisierungs- und Professionalisierungsprozesse des Kindermissionswerkes ein.“ 

Weitere Empfehlungen auf Basis der Untersuchungsergebnisse zum Umgang mit Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt über das Kindermissionswerk hinaus

Die Erkenntnisse aus dem Gutachten führen zudem zu Empfehlungen, die über das Kindermissionswerk hinausgehen. So weisen sie unter anderem darauf hin, dass es mehr Personal in den Interventionsstellen der Bistümer braucht, eine engere und koordiniertere Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen kirchlichen Institutionen sowie weitere namentliche Aufrufe von Missbrauchstätern, damit Betroffene ermutigt werden, sich zu melden. 

Bingener hebt in diesem Zusammenhang auch die weltkirchliche Perspektive hervor: „Wenn ein Täter weltkirchliche Kontakte hatte und Reisen unternommen hat, muss davon ausgegangen werden, dass es auch in den bereisten Ländern Betroffene geben kann. Ein wichtiger Schritt ist deshalb, die dort kirchlich Verantwortlichen über den jeweiligen Sachverhalt zu informieren“, so Bingener. In der Folge gehöre dazu auch die Unterstützung der Präventions-, Interventions- und Aufarbeitungsbemühungen vor Ort.

Verzicht auf „Laudato si“

Im Zusammenhang mit dem kulturellen Vermächtnis von Winfried Pilz, insbesondere dem Lied „Laudato si“, wird das Kindermissionswerk aus Respekt vor allen Menschen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, dieses Lied nicht mehr in seinen Materialien verwenden. Die bisherigen Erlöse aus den Tantiemen für die Nutzungsrechte des Liedes werden für Kinderschutzprojekte verwendet und sind dazu beim Kindermissionswerk in eine Rücklage gestellt. 

Pfarrer Bingener dankt allen Beteiligten, die die Untersuchung durchgeführt und unterstützt haben. „Mein Dank gilt allen, die in den letzten Monaten an der Erarbeitung des Gutachtens mitgewirkt haben. Zuerst Frau Dr. Janssen und ihrem Team, den aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden des Kindermissionswerks, der Stabsstelle Kinderschutz im Kindermissionswerk sowie dem Sprecher des Betroffenenrates im Bistum Aachen für die Mitarbeit an den Empfehlungen des Gutachtens. Ich wünsche mir, dass möglichst viele diese Untersuchung aufmerksam lesen und die darin enthaltenen Anfragen und Aufträge annehmen“, so Bingener.

Zum Hintergrund: 

Das Erzbistum Köln hatte in einem öffentlichen Aufruf vom 29. Juni 2022 darüber informiert, dass sich der 2019 verstorbene Pilz vor seiner Amtszeit beim Kindermissionswerk in den 70er Jahren gegenüber einer schutzbedürftigen Person sexuell missbräuchlich verhalten hat. Der Fall Pilz wurde durch die Missbrauchsstudie des Erzbistums Köln dokumentiert. Ende Juni 2022 hatte das Erzbistum mögliche weitere Betroffene dazu aufgerufen, sich bei den unabhängigen Beauftragten des Erzbistums zu melden. Das Kindermissionswerk schloss sich dem Aufruf umgehend an. 

Die nun vorliegende Untersuchung hatte das Kindermissionswerk am 29. November 2022 in Auftrag gegeben. Start der Untersuchung war im Januar 2023. In die Untersuchung von Frau Dr. Janssen flossen Akten des Kindermissionswerks, digitale Quellen, Presseberichte sowie die Informationen aus der Kommunikation mit (ehemaligen) Mitarbeitenden und Führungskräften des Hilfswerks ein. 

Das Kindermissionswerk hat sich verpflichtet, im Sommer 2024 die Öffentlichkeit darüber zu informieren, welche Empfehlungen bis dahin umgesetzt werden konnten. 

Über den Das Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger’ e.V.

Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ – das Hilfswerk der Sternsinger

Rund 1.200 Projekte für benachteiligte und Not leidende Kinder weltweit werden jährlich vom Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘ unterstützt. Einnahmen in Höhe von insgesamt rund 64 Millionen Euro standen dem Hilfswerk der Sternsinger 2022 für seine Arbeit zur Verfügung. Gefördert wurden Projekte in 91 Ländern. Neben der Förderung der Kinder-Hilfsprojekte zählen der Einsatz für die Rechte von Kindern weltweit sowie die Bildungsarbeit zu den Aufgaben.

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