- Unternehmen steuern ESG-Maßnahmen vor allem auf Führungsebene
- Umsetzung erfolgt durch klare Vorgaben – und über die Vergütungssysteme
Klima- und Umweltschutz erfordern es, Gesetzgeber und Investoren wollen es, der ökonomische Erfolg belohnt es: das nachhaltige Wirtschaften. Die Themen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung – kurz: ESG für Environmental, Social, Corporate Governance – gewinnen weiter an Bedeutung. Welchen Stellenwert ESG in den 28 befragten DAX- und MDAX-Unternehmen einnimmt und welche Instrumente sie nutzen, um ihre Ziele zu erreichen, darüber gibt jetzt die aktuelle Lurse Befragung „Nachhaltigkeit (ESG) in der Vergütung“ Auskunft.
Dabei ging es vor allem um drei Aspekte: Welche strategische Relevanz haben Nachhaltigkeitsaspekte in den jeweiligen Unternehmen? Wie sind sie in der Unternehmenssteuerung verankert? Und vor allem – wie schlagen sie sich in den Vergütungssystemen nieder?
Unternehmen zeigen Verantwortungsbewusstsein
„Nachhaltigkeit ist das große Thema unserer Zeit“, sagt Maximilian Evers, Partner bei Lurse. „Es sind nicht nur nationale und internationale Regularien, wie die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die mehr Engagement in Sachen Klima- und Umweltschutz, sozialer Gerechtigkeit und guter Unternehmensführung verlangen. Auch institutionelle Investoren, Stimmrechtsberater und Ratingagenturen machen dieses Engagement zunehmend zur Grundlage ihrer Anlageentscheidungen. Darüber hinaus belegen zahlreiche Studien: Unternehmen, die sich an ESG-Richtlinien und -Standards halten, sind nachweislich erfolgreicher als vergleichbare Firmen, die dies nicht tun.“
Die Ergebnisse zeigen, dass die deutschen Großunternehmen sich ihrer Vorbildfunktion sehr bewusst sind. Als mit Abstand wichtigstes Motiv, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu befassen, nannten der Großteil der Befragten den Wunsch, Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft übernehmen zu wollen. Vorgaben des Gesetzgebers und die Vermeidung von Risiken für Umwelt, Beschäftigte und Investitionen gaben für etwa die Hälfte den Ausschlag. Für ungefähr ein Drittel spielten die Erwartungen von Anlegern und die ihrer Kund:innen und Geschäftspartner:innen eine Rolle.
Auf die Frage nach der generellen Bedeutung von ESG-Themen hin, räumen 27 der 28 Unternehmen ihr einen hohen oder sehr hohen Stellenwert ein. Ausnahmslos alle erkennen die Relevanz der Nachhaltigkeitsberichterstattung und betrachten diese als wichtig (21 %) bis sehr wichtig (79 %). Allen drei Dimensionen von ESG wird dabei eine annähernd gleichwertige Bedeutung beigemessen. Innerhalb des Umweltaspekts (E) steht der Kampf gegen den Klimawandel im Vordergrund, während Arbeitsbedingungen und Gleichberechtigung bzw. Diversity im sozialen Bereich (S) von großer Bedeutung sind. Im Bereich der Unternehmensführung (G) spielen verantwortungsbewusste Geschäftspraktiken und Risikomanagement eine herausragende Rolle.
Managementaufgabe ESG
Lurse fragte auch danach, wie die jeweiligen Nachhaltigkeitsziele in der Unternehmenssteuerung verankert sind. So gab eine überwiegende Mehrheit der Unternehmen an, ESG fest in ihrer Unternehmensstrategie verankert zu haben. „Es zeigt sich, das ESG-Themen Großteils als „Chefsache“ betrachtet werden“, sagt Maximilian Evers. Knapp 9 von 10 Unternehmen antworteten, dass ihre Verpflichtungen zu nachhaltigem Wirtschaften in den Zielen der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes festgelegt sind. Mehr als zwei Drittel machen zudem ihrem nachgelagerten Management feste Vorgaben in puncto Nachhaltigkeit.
Fast alle Befragten setzen bei der Durchsetzung ihrer Nachhaltigkeitskriterien auf konkrete Ziele und Messgrößen (KPI). Bei etwa 4 von 5 Unternehmen gibt es zudem klare interne Richtlinien und Handlungsanweisungen, etwa zu Produktionsstandards oder Einkaufsrichtlinien. Knapp zwei Drittel haben sich auch zur Einhaltung international anerkannter Standards verpflichtet, wie sie beispielsweise durch ISO oder durch die Vereinten Nationen vorgegeben werden. Zudem lässt die Hälfte der befragten Unternehmen ihre Nachhaltigkeitspraxis regelmäßig durch Audits oder Zertifizierungen überprüfen.
Nachhaltigkeitsaspekte im Vergütungssystem
Unternehmen, die ESG-Prinzipien in ihre Unternehmenssteuerung integrieren, müssen letztlich sicherstellen, dass diese Prinzipien ebenfalls in den Vergütungssystemen reflektiert werden. Deshalb fragte Lurse auch danach, ob und wie die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien sich auf die (variable) Vergütung einzelner Mitarbeitergruppen auswirkt.
Dies ist aktuell vor allem im Management der Fall. Ohne Ausnahme gaben alle Befragten an, dass die Vergütung von Vorständen unter anderem von ihren Leistungen in puncto ESG abhängt. Mehr als ein Drittel der Unternehmen lassen ESG-Kriterien auch in die Vergütung anderer Mitarbeitergruppen einfließen oder planen dies für die Zukunft. Dabei zeigt sich, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Vergütung auf den unteren Management-Ebenen tendenziell abnimmt.
Die Verankerung von ESG-Zielen erfolgt in 8 von 10 Fällen durch deren Berücksichtigung in der langfristigen variablen Vergütung (LTI), gefolgt vom Jahresbonus (55 %). Die Gewichtung der ESG-Ziele innerhalb der jeweiligen Bonuskomponente variiert im Durchschnitt von 15 % auf den unteren bis hin zu über 30 % auf den Top-Managementebenen. Eine Malus-Regelung zur (rückwirkenden) Minderung bei Verstoß gegen Nachhaltigkeitskriterien wurde lediglich von zwei Unternehmen berichtet.
Die Definition der ESG-Ziele erfolgt bei allen Unternehmen in Form klarer, quantitativer KPIs und Kennzahlen mit entsprechenden Zielerreichungsgraden. Knapp die Hälfte formuliert darüber hinaus qualitative Ziele wie die Erfüllung bestimmter Standards. Ein Drittel orientiert sich bei der Zielfindung auch an den EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS). Analog der Priorisierung in der Unternehmensstrategie dominieren auch in den Zielen der Manager die Aspekte Klimawandel (insb. CO2 Ausstoß, Reduktion, Neutralität), Arbeitsbedingungen und Diversity (Quoten), sowie verantwortungsbewusste Geschäftspraktiken.
Zwei Drittel der befragten Unternehmen schätzen, dass die gesetzten Ziele entweder erfüllt (52 %) oder übererfüllt werden (24 %). Dabei verhält sich die Zielerreichung der Nachhaltigkeitskriterien im Vergleich zu den übrigen (Finanz-)Zielen vergleichbar (29 %) oder sogar besser (33 %).
„Wenn es darum geht, ESG-Ziele mit der Vergütung zu verknüpfen, stehen die Unternehmen vor allem vor drei Herausforderungen,“ erklärt Maximilian Evers. „Sie müssen konkrete Vorgaben formulieren und Beurteilungskriterien festlegen, mit denen sie deren Einhaltung messen können. Und sie müssen das richtige Maß dafür finden, inwieweit es die Vergütung beeinflusst, wenn die Nachhaltigkeitsziele erreicht oder verfehlt werden.“ Alles in allem sind die deutschen Unternehmen auf einem guten Weg in Richtung Nachhaltigkeit.
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