Dr. Michael Zschiesche, Geschäftsführer des Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU e.V.) erläutert: „Erstaunlich ist, dass durch die Öffentlichkeitsbeteiligung Umweltschutz in Deutschland viel stärker gewährleistet wird, als bislang vermutet. Das ist jedenfalls das Ergebnis unserer neuen, umfangreichen empirischen Studie für das Umweltbundesamt, die wir gemeinsam mit der Leuphana-Uni Lüneburg und dem Ökoinstitut durchgeführt haben.“[1]
Während der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung im Mai 2020 mit dem Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) die Öffentlichkeitsbeteiligung zwar aufrechterhalten, aber auch die Standards der Beteiligung einschränken müssen. Nur wenige Zulassungsbehörden haben seit 2020 digitale Erörterungstermine ausprobiert, obwohl dies dem Ziel der Bundes- und aller Landesregierungen in Deutschland nach der Digitalisierung aller Verwaltungsprozesse entspräche. Das PlanSiG wird nach dem Willen der Bundesregierung nun 2023 auslaufen, allerdings ohne die digitale Öffentlichkeitsbeteiligung neu konzipiert zu haben. Bislang gibt es nur in wenigen Fachgesetzen – und dort auch nur unzureichend – digitale Beteiligungsregelungen. Sie sind zudem schwer zu finden und wenig anwendungsfreundlich. Das muss sich ändern.
Derzeit beherrscht in Deutschland im Infrastrukturbereich die Beschleunigungsdebatte bei Planungs- und Genehmigungsverfahren den Diskurs – auch die Beteiligung der Bevölkerung wird hierbei zunehmend als zeitfressendes Hindernis dargestellt, das es möglichst zu minimieren gelte. Diese Herangehensweise ist für die Akzeptanz von Projekten fatal und verlängert im Zweifel noch die Dauer von Genehmigungsverfahren. Zudem schwächt ein solches Vorgehen auch den Natur-, Arten- und Klimaschutz.
Hierzu die Geschäftsführerin des BUND, Antje von Broock: „Die Politik drängt die Öffentlichkeit bei Planungsprozessen immer mehr in den Hintergrund. Aber wer Projekte erfolgreich in der Fläche umsetzen will, muss Mitsprache erlauben und die Menschen beteiligen. Deshalb müssen wir Zivilgesellschaft jetzt aufpassen und unsere Rechte sichern. Daher unser Impuls für ein Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz.“
Daher schlagen NABU und BUND der Bundesregierung ein Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz (ÖBG) vor, welches:
- die Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung auch im digitalen Raum so weit wie möglich sicherstellt und ein wechselseitiges Miteinander zwischen direkter und digitaler Öffentlichkeitsbeteiligung ermöglicht,
- die Zulassungsbehörden ermutigt mit Hilfe digitaler Erfahrungen, die Öffentlichkeit künftig besser in die Planungsprozesse einzubeziehen, um so Zeit zu sparen
- und damit die Infrastrukturplanungen insgesamt effizienter und qualitativ besser macht.
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller merkt an: „Bricht der Diskurs zwischen Regierung und Gesellschaft ab, besteht die Gefahr, dass die Akzeptanz für Projekte abnimmt. Das kann nicht das Ziel sein. Das Einbeziehen der Zivilgesellschaft ist kein Hindernis für effizientere Verfahren, im Gegenteil. Der Gesetzentwurf liefert entsprechende Instrumente, wie eine moderne Öffentlichkeitsbeteiligung sowohl digital als auch in direkt und physisch stattfinden kann.“
Das ÖBG entwickelt auch die durch die Aarhus-Konvention gewährleisteten Rechte für die Öffentlichkeit und die anerkannten Umweltverbände – vor allem im digitalen Raum – weiter und liefert somit – 25 Jahre nach Unterzeichnung der Aarhus-Konvention – einen wichtigen Impuls für eine zeitgemäße Einbeziehung der Bevölkerung und zur Steigerung der Akzeptanz.
Der Entwurf des Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetzes kann heruntergeladen werden unter: www.nabu.de/oeffentlichkeitsbeteiligung
Die Studie der Leuphana-Uni Lüneburg, dem Unabhängigen Institut für Umweltfragen und dem Ökoinstitut zur Evaluation der Öffentlichkeitsbeteiligung ist abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/evaluation-der-oeffentlichkeitsbeteiligung-bessere
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