„Die Käufer haben die Zügel in der Hand“

Auf dem Immobilienmarkt ist nichts mehr so, wie es mal war. Wegen steigender Zinsen und fallender Preise schwankt die Stimmung bei Käufern, Verkäufern und Maklern zwischen Vorsicht und Verzweiflung. Viele Menschen vermuten, dass es mit ihrem Einkommen niemals für eine Immobilie reichen wird. Aber das stimmt nicht, sagt Achim Amann. Der Immobilienprofi ist Geschäftsführer von BLP Investments und Vorstandsmitglied des IVD Berlin-Brandenburg. Wir haben mit ihm über die aktuelle Lage gesprochen.

Herr Amann, müssen sich die meisten Menschen vom Traum des Wohneigentums verabschieden?

Nein, das nicht. Wir haben gerade den Übergang von einem Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt hinter uns. Das heißt, dass die Verkäufer sich nicht mehr zwischen etlichen Angeboten entscheiden können, sondern für die Käufer sogar mehrere Objekte zur Auswahl stehen. Sie haben jetzt also die Zügel in der Hand. Solche Situationen hat es schon früher gegeben und sie werden auch in Zukunft wieder auftreten. Wir befinden uns also am Beginn eines neuen Zyklus.

Was bedeutet das genau?

Dass wir uns für die kommenden Jahre an ein neues Normal gewöhnen müssen. Früher lagen die Zinsen bei einem Prozent, heute bei vier Prozent. Die meisten Experten rechnen auch nicht damit, dass es 2023 oder 2024 eine deutliche Senkung gibt, weil uns die Inflation noch einige Zeit begleiten wird. Damit haben sich einige Käufer bereits abgefunden. Ich würde sogar behaupten, dass vier Prozent ein seriöser Zinssatz ist. Das Level, auf dem wir uns in den letzten beiden Dekaden bewegt haben, war im Grunde nicht normal.

Aber mit einem durchschnittlichen Einkommen bleibt es trotzdem schwierig?

Das wird auch in Zukunft weiterhin stark von der Lage abhängen. Für ein Haus oder eine größere Eigentumswohnung in einer Großstadt müssen sich Käufer mitunter über Jahrzehnte festlegen, aber noch sehe ich den Kauf einer Immobilie für die meisten Menschen nicht als utopisch. Je weiter man sich Richtung Speckgürtel oder in ländliche Gegenden bewegt, desto einfacher wird es. Es kommt natürlich auch darauf an, ob eine Immobilie zur Eigennutzung, zur Altersvorsorge oder für ein passives Einkommen dienen soll. Mit rund 20.000 Euro ließe sich beispielsweise schon eine Einzimmerwohnung finanzieren, für die eine monatliche Miete von 1.000 Euro realistisch ist.

Warum stehen Verkäufer gerade besonders unter Druck?

Die Käufer haben sich viel schneller der neuen Situation angepasst als die Verkäufer. Wer jetzt eine Immobilie anbietet, muss mit Verlusten von 15 oder 20 Prozent im Vergleich zum Spitzenjahr 2021 rechnen – das wollen viele aber noch nicht wahrhaben, oder sie wollen auf bessere Zeiten warten. Allen, die mit einem Verkaufsgedanken spielen, würde ich dennoch raten, diesen lieber gleich umzusetzen. Sollten die Zinsen auf sechs Prozent steigen, müssten sie nämlich sogar mit Einbußen von rund 30 Prozent rechnen. Und aufgrund der enormen Preisentwicklung der letzten zehn Jahre wäre der Gewinn immer noch ausgezeichnet. Zudem sollten sie auch immer die Inflation bedenken: Was nützt es, auf steigende Verkaufspreise zu warten, wenn das Geld dann weniger Wert ist?

Wie haben sich die letzten Monate bei Ihnen als Makler bemerkbar gemacht?

Die Transaktionen sind generell, wie erwartet, zurückgegangen. Das merken wir nicht nur in unserem Haus, sondern bekommen es auch durch Gespräche mit Kollegen mit. Wobei es auch große Unterschiede zwischen den Preissegmenten gibt. Immobilien im mittleren Segment, also von 500.000 bis 1.000.000 Euro, waren in den letzten Monaten deutlich schwieriger zu verkaufen. Das führen wir auf die steigenden Lebenshaltungskosten zurück, und auch auf eine geringere Bereitschaft, Kompromisse bei der Lage zu machen. In den Segmenten darunter und darüber ist der Markt aber relativ stabil, und insbesondere zum Ende des zweiten Quartals haben die Kaufanfragen allgemein wieder zugenommen. Und was wir auch gespürt haben: Die Menschen suchen in diesen Umbruchszeiten verstärkt nach professioneller Beratung, egal ob es zum Kaufabschluss kommt oder nicht. Das betrifft vor allem auch Eigennutzer, die sich über Fördermöglichkeiten informieren.

Das ist für Sie also das neue Normal?

Nun, ganz neu ist die Situation nicht. Förderprogramme mit Summen in Milliardenhöhe und entsprechendem Andrang gab es auch nach der Wiedervereinigung. Heute geht es vor allem um Immobilien, die energetisch auf dem aktuellen Stand sind und von der KfW gefördert werden können. Viele Leute bekommen dadurch eine gute Monatsrate mit 1 bis 1,5 Prozent Zinsen und mit wenig Eigenkapital. Damit helfen sie nicht nur der Umwelt, sondern durch besseres Raumklima und weniger Pollenbelastung auch der eigenen Gesundheit. Die Menschen interessieren sich aber auch verstärkt wieder für Neubauten, den gesunkenen Baukosten sei Dank. Ich hoffe nur, dass es mit den Baugenehmigungen wieder besser wird. In der Vergangenheit ging die Zahl nämlich immer weiter zurück.

Hat die Immobilienwelt die Talsohle also schon durchschritten? Wird jetzt alles besser?

Mit solchen Voraussagen bin ich immer vorsichtig. Durch unerwartete Ereignisse wie den Krieg in der Ukraine müssen wir manchmal alle Prognosen über den Haufen werfen. Man bekommt aber einen recht guten Blick auf mögliche Entwicklungen, wenn man auf Amerika schaut. Was dort auf dem Immobilienmarkt passiert, schwappt oft sechs bis zwölf Monate später auch über den großen Teich zu uns. Durch unsere Kooperation mit Keller Williams haben wir hier jetzt sehr verlässliche Einblicke. Der Consumer Confidence Index etwa bewegt sich seit 2020 eher nach unten. Und auch, dass der Preis-Index über den monatlich neuen Objekten steht, ist für uns ein interessantes Indiz. Das würde bedeuten, dass wir mit noch weiter fallenden Immobilienpreisen rechnen müssen. Grund zur Panik besteht deshalb aber nicht. Auch wenn wir den Tiefpunkt noch nicht ganz erreicht haben, kann es danach nur eine Richtung geben: wieder nach oben.

 

Über die Black Label Immobilien/BLP Investments GmbH

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