Zeitenwende für die Kliniken – Reform prallt auf Realität

Leitthema oder Leidthema? In Dresden trafen sich in der vorigen Woche mehr als 200 kaufmännische Führungskräfte der Krankenhäuser, Rehakliniken und Pflegeheime zur 65. Jahrestagung des VKD. Ihr Leitthema: „Zeitenwende für die Kliniken – mit der Reform zukunftssicher?“. Es wird lebendig, inspirierend, auch natürlich bei diesem Thema kritisch, wenn Praktiker ihre Realität vor Ort mit den bisher bekannten Reformplänen vergleichen, ihre eigene Sicht der Dinge und auch ihre Vorschläge einbringen.

„Was passiert im kommenden Jahr und in den nächsten Jahren, wenn heute nicht richtig gehandelt wird? Der VKD hat durch den Praxisbezug in vielen Fragen oft Jahre im Voraus eine Einschätzung der weiteren Entwicklung abgeben können, die im Positiven wie leider auch im Negativen sehr häufig eingetreten ist“, sagt VKD-Präsident Dr. Josef Düllings in seiner Eröffnungsrede. Eine Reform sei im VKD nicht nur unstrittig, das habe der Verband seit Jahren gefordert. Wie diese am Ende aussehen werde, hänge auch davon ab, welche Prioritäten die Politik in Bund und Ländern setze.

Wie die Krankenhausversorgung im Jahr 2030 aussehen würde, stellte Prof. Dr. Boris Augurzky vom RWI Essen vor. Zur traurigen Ausgangslage erklärte er: Die Fallzahlen seien immer noch niedrig – es gebe etwa 13 Prozent weniger Fälle, die Kosten dagegen seien gestiegen. Das kommende Jahr werde noch schwieriger werden. Bereits im nächsten Jahr sei zu erwarten, dass 80 Prozent aller Krankenhäuser ein negatives Jahresergebnis ausweisen.

Was das Jahr 2030 betreffe: Die großen Trends würden unabhängig von der anstehenden Reform laufen. Dazu gehörten Ressourcenknappheit, Kapitalknappheit, Ambulantisierung der Medizin, der technologische Wandel, medizinische Innovationen.

Ändern würden sich die politischen Rahmenbedingungen: Optimierung der Strukturen, mehr Gestaltungsfreiheit vor allem im ländlichen Raum, effektive Patientensteuerung. Notwendig sei u.a. eine qualifizierte Zuwanderung für den Personalbereich.

Aktuelle Lage kritisch beleuchtet

In der folgenden Podiumsdiskussion unter der fachlich professionellen Moderation von VKD-Pressesprecher Dr. Falko Milski diskutierten Prof. Dr. Augurzky, Dr. Josef Düllings, Erik Bodendieck, Präsident der Landesärztekammer Sachsen, Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG, Dr. Kristin Klaudia Kaufmann, Gesundheitsbürgermeisterin Dresdens, PD Dr. Michael A. Weber, Präsident des VLK. Zugeschaltet war Dr. Wulf-Dietrich Leber vom GKV-SV.

Wir haben keine Angst vor planvollen Entwicklungen, betonte Dr. Gaß mit Verweis auf die Positionspapiere der DKG. Man sei in der Praxis bereits viel weiter als immer dargestellt. Die Sorge sei aber, dass aus politischer Taktik heraus ein kalter Strukturwandel laufen soll.

Während Dr. Düllings das neue Planungssystem in Nordrhein-Westfalen positiv bewertete, meinte Dr. Leber, es tauge nicht einmal als „Starterpaket“. Die Reform könne man nur gegen die Länder umsetzen. In NRW sei das nur der Anfang einer Entwicklung. Einen Bereinigungsprozess gebe es noch nicht.

Auf die Frage nach der vom BMG kürzlich veröffentlichten und in der Praxis stark kritisierten Qualitätsanalyse zur Schlaganfallversorgung, erklärte Dr. Weber, „Was wir jetzt erleben, ist eine Kampagne.“ Ihm stünden die Haare zu Berge, was da behauptet werde. 90 Prozent aller Schlaganfallpatienten kämen bereits in Stroke Units.

Herr Bodendieck bemängelte, dass ambulante und stationäre Leistungen zum Teil in der Qualitätsdebatte getrennt dargestellt würden. Das deutsche Gesundheitswesen sei sehr komplex. Jede Seite werde mal „vorgeführt“. Das führe zu Frust auf allen Seiten.

Die Frage nach finanzieller Unterstützung der Häuser brennt natürlich in der aktuellen Situation allen Führungskräften unter den Nägeln. Sind hier die kommunalen Kliniken besser dran als die anderen? Dr. Kaufmann verwies darauf, dass es einen Versorgungsauftrag für jede Region gebe. Für die öffentliche Hand sei das allerdings eine manifeste Gefahr, denn das treffe auf leere öffentliche Kassen.

Vorschläge kamen auch aus dem Fachpublikum. Betont wurde u.a. die Notwendigkeit eigener Auswirkungsanalysen, wie sie von der Fachgruppe psychiatrische Einrichtungen des VKD bereits erarbeitet wurden. Kritik kam an der Anmaßung der Politik, sich in die interne Organisation der Kliniken einzumischen.

Erfolgreiche und lange Verbandsgeschichte

Dass der VKD und seine Mitglieder über viele Jahrzehnte immer wieder kritisch gesundheitspolitische Entscheidungen begleitet und zahlreiche Vorschläge für Entwicklungen vorgelegt haben, in wichtigen Zukunftsthemen die Initiative ergriffen, zeigte der Vortrag des Verbandspräsidenten unter dem Titel „Was war – was wird“ – ein Jubiläumsvortrag, denn der Verband feierte im Rahmen seiner Jahrestagung auch sein 120. Gründungsjubiläum. In Dresden war der Verband 1903 gegründet worden.

Beispiele für sein durchaus erfolgreiches Wirken seien u.a. die VKD-Kritik an der Prüfpraxis des MDK, die zum MDK-Reformgesetz den Anstoß gab. Auch die Forderung nach einem Investitionsprogramm zum Aufbau einer digitalen Infrastruktur für die Krankenhäuser, die vielfach unterstützt und ebenfalls erfolgreich war, gehörte dazu.

Für die Zeitenwende gebe es zwei Optionen: Ein Weiter so, das in ein kaltes Kliniksterben führe und Kollateralschäden akzeptiere, oder das Wahrnehmen der Daseinsvorsorge für die Bürger, Investitionen zur Strukturkonzentration und Digitalisierung sowie die Prüfung der Qualität nach Evidenz der Fachgesellschaften.

Qualität der Krankenhausreform nur mit Einbeziehung der Praktiker

Eine Tagung, die deutlich zeigte, wie wertvoll und notwendig es ist, die Praktiker in Gesetzgebungsvorhaben wie das Reformgesetz für die Krankenhäuser intensiv einzubeziehen.

Der springende Punkt für die Krankenhäuser ist aktuell ohnehin das zwingend notwendige Vorschaltgesetz zur wirtschaftlichen Stabilisierung. Eine Zusage gibt es nach wie vor nicht. Die Ampelregierung lässt die Gesundheitsversorgung sehenden Auges in eine Katastrophe laufen. Und das ist angesichts der hohen Zahl insolvenzgefährdeter Häuser, die sich stetig vergrößert, keine Panikmache. Wenn selbst der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, jetzt bereits von „Schweiß und Tränen“ für die Wirtschaft spricht, sind die Krankenhäuser als Infrastruktur für Leben und Gesundheit der Menschen derzeit bereits noch schlimmer dran.

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