Nach Auffassung Riehles ist es der Politik bisher nur lückenhaft gelungen, die Entlastungen gerecht zu verteilen: „Zwar sind vor allem durch Einmalzahlungen die schärfsten Krisen ein wenig abgemildert worden. Letztendlich sind sie aber Tropfen auf den heißen Stein, weil die Stagflation vor allem bei denjenigen durchschlägt, die bereits zuvor in prekären Verhältnissen waren, keine Rücklagen bilden oder auf das Sparbuch zurückgreifen können. Dass Mitte des Monats das Essen rationiert wird, Licht ausgeschaltet werden muss und Küchengeräte nur noch selten laufen können, ist für einen wachsenden Anteil von Familien bittere Realität. Die süffisanten Spartipps vom Pullover beim Kerzenschein oder dem Waschlappen statt der Dusche müssen immer mehr Menschen ernstnehmen. Es geht hier also nicht um vorübergehende Sorgen, sondern um strukturelle und immer tiefgreifendere Existenzängste, die weit über eine Armut im finanziellen Sinn hinausgeht. Viel eher geht es da um die Not, ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Dasein nicht länger praktizieren zu können, weil die Ressourcen für Teilhabe fehlen. Sogar die, die eigentlich dachten, nicht mehr tiefer sinken zu können, werden nun eines Besseren belehrt. Und alle, die sich noch vor einem Jahr sicher im Sattel eines gewissen Komforts sahen, sind jetzt erstmalig darauf angewiesen, zum Pfandleihhaus zu gehen, Sachvermögen zu verkaufen oder „Tafeln“ nutzen zu müssen“, so Riehle, der in der Beratung immer öfter mit der Frage konfrontiert wird, wo es zur nächsten Obdachlosenunterkunft geht: „Es ist ein Ausmaß an Bedürftigkeit erreicht, dass man nicht mehr mit der Gießkanne bewältigen kann. Nun braucht es vielmehr Engagement für all jene, die ganz unten angelangt sind und sich mit Perspektivlosigkeit, Resignation und Depression herumschlagen müssen“, sagt der Berater.
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