Jedes Jahr vergibt der Rat für Formgebung in Mailand den internationalen Newcomer-Preis „one&twenty“, bisher bekannt als „ein&zwanzig“, für herausragende Entwürfe junger Designer*innen. Unter den 545 Einreichungen der Designstudierenden und Absolvent*innen prämiert eine renommierte Jury die 21 besten Produkt- und Projektideen. Eines der Projekte erhält außerdem die Sonderauszeichnung „Best of Best“.
Best of Best: Biozement – Baustoff aus dem Labor
Der noch vielerorts unbekannte Biozement weist einige Vorteile gegenüber dem klassischen Zement auf, der mit immensen Folgen für das Klima in der Baubranche eingesetzt wird. Zum einen benötigt dessen Herstellung große Mengen an Hitze und somit Energie. Zum anderen wird bei der chemischen Reaktion im Zementofen Kohlendioxid freigesetzt. Biozement muss nicht gebrannt werden und emittiert weniger CO2, da es mithilfe eines Bakteriums hergestellt wird, das Urea abbaut und Kalk herstellt. Ein Rohstoff wie Sand vermischt mit Calciumchlorid erhärtet mithilfe dieses Prozesses ohne Brennvorgang. Gerlach und Huhnholz verzichteten für ihren Entwurf zudem auf Sand. Dieser wird durch die hohe Zement- und Betonproduktion immer knapper – weltweit werden jährlich circa 50 Milliarden Tonnen Sand verbraucht, so ein UN-Bericht. Stattdessen recycelten die Designer*innen Ziegelsteine, die auf ihrem Hochschulgelände nicht mehr gebraucht wurden.
Forschungsprojekt: vom Material zum Möbelstück
Julia Huhnholz und Friedrich Gerlach widmeten sich dem Biozement im Zuge ihres Designstudiums – ohne vorherige Erfahrungen in der Mikrobiologie. Zunächst erforschte das Duo die Zement-Alternative und entwickelte im zweiten Schritt in monatelangen Versuchen eine komplexe Maschine, die ihnen half, die mehrstufige Produktion zu vereinfachen. Die Bakterien müssen unter anderem alle zwei Stunden „gefüttert“ werden. Im Nachgang erarbeiteten Gerlach und Huhnholz Methoden zur Formgebung von Biozement. Die geschwungenen Konturen ihres Möbelstücks erreichten sie durch eigens hergestellte Schalen, die sie im 3D-Druck fertigten – in diesen erhärtet die Biozement-Masse. „Unser Ziel war es, dieses Material durch unser Objekt erlebbar und verständlich zu machen“, so das Duo.
Lutz Dietzold, Geschäftsführer des Rat für Formgebung, ist überzeugt: „Immer mehr Unternehmen müssen dem Ruf nach ressourcenschonenden Materialalternativen folgen und ihre Produktionsprozesse überdenken. Deswegen sind die Impulse der Jungdesigner*innen auch für die Einrichtungsbranche relevant und richtungsweisend.“
„The Essence of Biocement“ sowie die weiteren 20 Winner-Projekte sind noch bis zum 23. April in der mailändischen Zona Tortona (Via Tortona 31, Opificio 31) ausgestellt. Das Design der Ausstellung stammt von dem dänischen Studio TABLEAU.
Die one&twenty Winner 2023:
Best of Best:
Projekt: The Essence of Biocement
Designer*in: Julia Huhnholz und Friedrich Gerlach/Deutschland
https://www.friedrichgerlach.de
https://www.instagram.com/ju.huhn
Winner:
Projekt: NakedPak
Designer*in: Naama Nicotra/Israel
https://naamanicotra.com
Projekt: Woven Change, Shifting Expressions
Designer*in: Sophie Jungkvist/Schweden
https://sophiejungkvist.myportfolio.com
Projekt: E2022
Designer*in: Tim Schütze/Deutschland
http://timschuetze.com
Projekt: cellular – the breathing facade tile
Designer*in: Vivian Tamm/Deutschland
https://viviantamm.com
Projekt: GRAT
Designer*in: Jan Wagemann und Julia Ribic/Deutschland und Kroatien
https://www.jan-wagemann.de
https://www.instagram.com/juliaribic/
Projekt: Individualisierbare Urnen
Designer*in: Cora Schmidt
Projekt: Urban Coolspot
Designer*in: Julia Sulikowska/Polen
https://kh-berlin.de/projekte/projekt-detail/3630
Projekt: Maßbandleuchte
Designer*in: Josua Roters/Deutschland
https://josuaroters.de
Projekt: NOMAD – solar lamp
Designer*in: Moritz Walter und Michelle Müller/Deutschland
https://www.moritz-walter.com/nomad.html
https://www.instagram.com/m__miclle/
Projekt: DSR_01
Designer*in: David Blumberg/Deutschland
http://davidblumberg.de
Projekt: Vaask: System zur Liegend-Haarwäsche immobiler Menschen
Designer*in: Helena Kiefer/Deutschland
https://www.instagram.com/helenakiefer.design/
Projekt: Woven Forms
Designer*in: Leonie Burkhardt/Deutschland
https://www.leonieburkhardt.com
Projekt: teg-radio
Designer*in: Justus Hilfenhaus/Deutschland
http://www.justushilfenhaus.com
Projekt: AIROLID
Designer*in: Magdalena Fahrner/Deutschland
https://www.instagram.com/magdalena.fahrner/
Projekt: scoria
Designer*in: Marc Roman Page/Deutschland
https://marcromanpage.com
Projekt: Philips One – Products as a Service
Designer*in: Jakob Kohnle und Stijn van Cuijk/Deutschland und Niederlande
https://stijnvancuijk.com
Projekt: Expandable rug
Designer*in: Emma Tietze/Deutschland
https://www.linkedin.com/in/emma-tietze-9a3823249/
Projekt: Elevation Lamp
Designer*in: Alexander Schul/Deutschland
http://alexanderschul.com
Projekt: Bing!
Designer*in: Manuel Steffan/Deutschland
https://www.instagram.com/manuelsteffan_/
Projekt: 2Light
Designer*in: Felix Pape/Deutschland
https://www.instagram.com/felix_pape/
one&twenty
Mit dem international ausgeschriebenen Wettbewerb one&twenty (früher ein&zwanzig) fördert der Rat für Formgebung seit 2017 junge Designtalente: Der Award richtet sich an Designstudierende, Absolvent*innen mit innovativen und richtungsweisenden Arbeiten in den Kategorien Interior Design, Lifestyle, Eco Design, Social Design & Medical and Rehabilitation, Material and Textiles, Techniques and Processes for Design, Public Design und Digitally Supported Design. Bei den Produkten muss es sich um Prototypen handeln, die noch nicht auf dem Markt erhältlich sind. Eine internationale Fachjury zeichnet unter den Einreichungen 21 herausragende Arbeiten aus, von denen 20 als „Winner“ und ein Entwurf als „Best of Best“ prämiert wird. http://one-and-twenty.de/
Die Jury
Die 12-köpfige Jury besteht aus internationalen und namhaften Gestalter*innen:
Eva Marguerre und Marcel Besau (Studio Besau-Marguerre, Deutschland), Nina Bruun (Nina Bruun Design Studio, Dänemark), Uli Budde (ULI BUDDE DESIGN OFFICE, Deutschland), Mathias Hahn (Mathias Hahn Design Studio, Deutschland und Großbritannien), Philipp Mainzer (E15, Deutschland), Nils Holger Moormann (Nils Holger Moormann GmbH, Deutschland), Daniera ter Haar, Christoph Brach (Raw Color, Niederlande), Hanne Willmann (Studio Hanne Willmann, Deutschland), Chen Min (Chen Min Office, China), Yoko Choy (China Editor bei Wallpaper* & Co-Gründerin der Collective Contemporist, Niederlande).
Rat für Formgebung
Der Rat für Formgebung agiert seit 1953 als weltweit führendes Kompetenzzentrum für Kommunikation und Wissenstransfer im Bereich Design, Marke und Innovation. Mit internationalen Angeboten, Nachwuchsförderungen und Mitgliedschaften ist er Teil der globalen Design-Community und trägt seit jeher dazu bei, Austausch und Netzwerke weltweit zu etablieren. Durch Events, Kongresse, Wettbewerbe, Jurysitzungen und Expertenkreise vernetzt der Rat für Formgebung seine Mitglieder und zahlreiche weitere internationale Design- und Markenexpert*innen, fördert den Diskurs und liefert wichtige Impulse für die globale Wirtschaft. Seinem Mitgliederkreis gehören aktuell mehr als 350 Unternehmen an. https://www.german-design-council.de
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