Im Kampf gegen den Klimawandel: Wasserwirtschaft braucht redundante und resiliente Strukturen

Besorgniserregende Nachrichten kommen derzeit aus Italien und Frankreich. Anhaltende Trockenheit in diesem Winter und der Ausblick auf einen wiederholten Dürre-Sommer drohen einen ernsthaften Wassermangel erneut Realität werden zu lassen. Schon jetzt ist die Bevölkerung in Teilen zum Wassersparen aufgerufen. Im letzten Sommer hatte die Regierung in Italien bereits den Notstand für fünf Regionen ausgerufen. Kein Problem für uns? Ein Blick auf die klimatischen Entwicklungen in Bayern zeigt deutlich: Auch hier gefährdet der Klimawandel die dauerhafte Sicherstellung der Wasserversorgung. „Mit dem sogenannten Jahrhundertsommer 2003 und vermehrt in den Jahren seit 2018 mit mehreren Trockenjahren in Folge wird der Wasserstress und die damit verbundenen Schwierigkeiten, vor allem in den Sommermonaten ausreichend Trinkwasser bereit zu stellen, immer deutlicher“, erläutert Markus Rauh, Vorstandsmitglied des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. – VBEW im Vorfeld des diesjährigen Expertentreffens der bayerischen Wasserwirtschaft. Entsprechende Anpassungsmaßnahmen müssen daher mit Nachdruck vorangetrieben werden. Gefordert sind Politik, Wasserwirtschaft und die gesamte Gesellschaft mit ihrem Verbrauchsverhalten.

Aktuelle Zahlen bestätigen den Trend

Im Niedrigwasser-Lagebericht vom 02. März 2023 resümiert das Bayerische Landesamt für Umwelt: Das bisherige Winterhalbjahr ist zu trocken, zu warm und zu schneearm. Auch die langfristige Bilanz fällt ernüchternd aus. Ein Vergleich der durchschnittlichen Grundwasserneubildung des Referenzzeitraums 1971 bis 2000 mit dem des Zeitraums 2011 bis 2020 zeigt ein Defizit von 19% bei der Grundwasserneubildung in Bayern. Die Grundwasservorkommen werden regelmäßig nicht ausreichend aufgefüllt. Ein Trend, der Folgen haben wird, denn das bayerische Trinkwasser wird zu rund 90% aus Grundwasser gewonnen. Ein abnehmendes Wasserdargebot bedeutet: Brunnen und Quellen versiegen. Wasser wird mancherorts knapp werden. Die Konsequenzen sind nicht überall gleich. Der wasserarme Norden Bayerns steht dabei vor größeren Herausforderungen als der noch wasserreichere Süden. Die Wasserversorger müssen ihre Vorsorge- und Versorgungsstrategie daran ausrichten.

Schwächung des Trinkwasserschutzes in letzter Minute abgewendet

Mit Blick auf die klimatische Entwicklung kommt auch einer Priorisierung bei der Wassernutzung verstärkt Bedeutung zu. Dabei muss der Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung unbedingt gewährleistet werden und im nächsten Schritt mit den Möglichkeiten zur Bewässerung für die Nahrungsmittelproduktion in Einklang gebracht werden. Vor dem Hintergrund eines abnehmenden Dargebots kommt dem Schutz der Ressource eine noch höhere Bedeutung zu. Die in letzter Minute von den Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler eingebrachten Änderungsanträge zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms waren daher besorgniserregend. „Wir mussten in Kombination der Anträge den Grundwasserschutz und die Stellung von Trinkwasser in Bayern als gefährdet ansehen und sind entsprechend aktiv geworden. Dass die Staatsregierung die Änderungsanträge am 28.03.2023 zurückgezogen hat, war eine notwendige Korrektur im Sinne einer nachhaltigen Trinkwasserversorgung und zeigt auf, dass die Staatsregierung unseren fachlichen Argumenten Rechnung getragen hat“, freut sich Markus Rauh. Grundwasser sollte demnach nicht länger ´bevorzugt´, sondern nur noch `insbesondere` der Trinkwasserversorgung dienen. Auch der dauerhafte Erhalt von Wasserschutzgebieten wäre entfallen. Mit Blick auf die langen Schutzgebietsverfahren, die vielen offenen Verfahren und die verhältnismäßig kleinen Wasserschutzgebiete wäre dies aber fatal gewesen. „Nur wenn wir unsere oberflächennahen Wasserressourcen qualitativ und quantitativ schützen und auch sanieren, können wir langfristig eine bedarfsgerechte Trinkwasserversorgung sicherstellen, ohne dabei immer öfter mit dem Tiefengrundwasser unsere eiserne Reserve für die nachfolgenden Generationen anzapfen zu müssen. Dabei müssen wir auch bereit sein, neue Wege zu gehen. Nicht alles, was in der Wasserversorgung in der Vergangenheit „putzig“ war, wird dem Dauerstress durch den Klimawandel standhalten“, erklärt Detlef Fischer Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. – VBEW.

Regionale und überregionale Strukturen vernetzen

Die leitungsgebundene Wasserversorgung in Bayern steht vor großen Aufgaben. Die langfristige Gewährleistung der Versorgungssicherheit setzt auch eine strukturelle Weiterentwicklung unserer Branche voraus. Hier braucht es eine ehrliche Bestandsaufnahme. Dabei heißt es nicht klein gegen groß, regional gegen überregional. Es gilt, die Vorteile der vorhandenen Strukturen mit den Anforderungen an eine effiziente und zunehmend komplexere Wasserwirtschaft zu kombinieren. Die Schaffung überregionaler Versorgungsstrukturen ist ein wichtiger Baustein zur dauerhaften Sicherstellung der Wasserversorgung in Bayern „Wir müssen redundante und resiliente Systeme schaffen und das am besten gemeinsam. Auch deshalb freuen wir uns heute in Schweinfurt zu Gast zu sein, denn die Stadtwerke Schweinfurt sind mit der Verbundleitung Mainfranken ein tolles Beispiel für interkommunale Zusammenarbeit. Auch neue Talsperren dürfen kein Tabuthema mehr sein.“, sagt Detlef Fischer.

Stadtwerke Schweinfurt: Verbundleitung sichert Wasserversorgung in der Region

„In der Tat kann die 2021 in Betrieb gegangene 26 km lange Trinkwasserverbundleitung als Projekt mit Vorbildcharakter gelten. Sie ist das Ergebnis vorausschauenden partnerschaftlichen Handelns und nimmt eine Vorreiterrolle sowohl in der Bayerischen Wasserstrategie ebenso wie in der kürzlich verabschiedeten Nationalen Wasserstrategie ein, die beide einen Zusammenschluss gebietsübergreifender Infrastrukturen als zentrale Säule zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung vorsehen“, erläutert Thomas Kästner, Geschäftsführer der Stadtwerke Schweinfurt GmbH. Die Verbundleitung verläuft durch insgesamt acht Gemeindegebiete und ermöglicht den Ausgleich regionaler Unterschiede bei der Wasserverfügbarkeit auf der sogenannten „Fränkischen Trockenplatte“ und bildet eine Absicherung gegen Bedarfsspitzen auch in langen Trockenphasen. Das Fundament hierfür stellen die bestehenden, gut ausgebauten Wassergewinnungskapazitäten der Stadtwerke Schweinfurt. „Die Trinkwasserverbundleitung ist ein gewichtiger Baustein, um die ortsnahe Versorgung der in Unterfranken knappen Ressource Wasser zu sichern“, erklärt Oberbürgermeister Sebastian Remelé. „Die überregionale Zusammenarbeit mit weiteren Gemeinden hat Vorbildcharakter und demonstriert den Zusammenhalt in der Region Main-Rhön“, ergänzt er.

VBEW-Fachtagung Wasser – wichtiges Branchentreffen

„Die Fachtagung Wasser ist für uns jedes Jahr ein wichtiges Branchentreffen. Auf der Agenda stehen zentrale bayerische Wasserthemen, aber auch übergeordnete Aspekte, die unsere Branche betreffen und über die unsere Unternehmen informiert sein müssen,“ so Markus Rauh. An der Tagung nehmen rund 100 Fachleute der Wasserwirtschaft, Wissenschaftler, Vertreter aus Ministerien und Behörden sowie von Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsunternehmen teil. Gastgebendes Unternehmen der Tagung ist in diesem Jahr die Stadtwerke Schweinfurt GmbH.

Über Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. – VBEW

Der VBEW repräsentiert mit seinen rund 400 Mitgliedsunternehmen die bayerische Strom-, Gas-, Fernwärme-, Wasser- und Abwasserwirtschaft. Als Interessenvertretung vertritt er gemeinsame Anliegen der Mitgliedsunternehmen und ihrer Kunden gegenüber Politik, Wirtschaft, Verwaltung sowie in der Öffentlichkeit. Ziel ist es, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für eine wirtschaftliche, zukunftsorientierte, nachhaltige und verbraucherfreundliche Energie- und Wasserversorgung zu schaffen. Zu den Mitgliedsunternehmen zählen kleine und mittlere, kommunale, private und genossen- schaftliche Energie- und Wasserversorgungsunternehmen ebenso wie Konzernunter- nehmen.

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