Dr. Mischak: Eine Erfolgsgeschichte, die noch nicht zu Ende geschrieben ist

  • Festveranstaltung in der Alsfelder Stadthalle
  • Professor Hinte hält Festvortrag

Sozialraumorientierte Jugendarbeit – auf den ersten Blick ein sperriger Begriff, mit dem die wenigsten etwas anfangen können, doch dahinter verbirgt sich ein Konzept, das im Vogelsbergkreis seit genau zehn Jahren umgesetzt wird und das sich zu einer „Erfolgsgeschichte entwickelt hat, die noch lange nicht zu Ende geschrieben ist“, wie Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak betont. Gemeinsam mit rund 250 Gäste blickt er in der Alsfelder Stadthalle auf zehn Jahre Sozialraumorientierte Jugendhilfe im Vogelsbergkreis zurück. Die große Anzahl der Gäste – für Dr. Mischak ein „Beweis, dass wir in den vergangenen zehn Jahren sehr viel richtig gemacht haben“.

Der Jugenddezernent, das erklärt er in einer Podiumsdiskussion im zweiten Teil des Abends, ist überzeugt vom sozialräumlichen Ansatz. „Wir unterstützen den Menschen in seinen Stärken, wir beurteilen ihn nicht defizitär-orientiert. Wir fragen uns: Was kann der Mensch gut? Und wie kann ich ihn dabei unterstützen? Unsere Aufgabe ist es, die Ressourcen der Jugendlichen bestens zu nutzen, gleichzeitig unterstützen wir sie, ihren eigenen Weg zu finden.“

„Die Idee der sozialräumlichen Arbeit hat uns inspiriert“, erinnert sich der designierte Leiter des Vogelsberger Jugendamtes, Helmut Benner, an die Anfänge. „Es hat Hand und Fuß, was wir in den vergangenen zehn Jahren gemacht haben“, so sein Resümee. Größte Herausforderung dabei: „Wir müssen uns professionell zurücknehmen, das fällt schwer.“ Man müsse Dinge akzeptieren, nicht alles über einen pädagogischen Kamm scheren.

Diesen Aspekt unterstreicht auch Prof. Dr. Wolfgang Hinte, der „Vater der Sozialraumorientierung“, der sich in seinem humorvollen und kurzweiligen Festvortrag sehr kritisch mit Erziehung und vor allem „erzieherischer Besserwisserei“ auseinandersetzt. „Die Klage der Erwachsenen über die Jugend – das ist doch ein alter Hut.“ Es habe doch noch nie geklappt, dass sich eine Generation so entwickele wie gewünscht. „Wenn ich an meine Kindheit denke – was haben wir alles durchgesetzt gegen den Willen der Eltern: Schundliteratur wie Fix und Foxi oder Tarzan.“ Man habe die Heftchen unter der Bettdecke gelesen, die Eltern „dachten an den Untergang des Abendlandes“. Oder dann die Bravo, es habe gar wissenschaftliche Untersuchungen gegeben, die zu dem Schluss gekommen seien, dass diese Zeitschrift die Jugend verderbe.

Nichts von all dem, was seit seiner Kindheit und Jugend als Ergebnis solcher wissenschaftlichen Erhebungen veröffentlich worden sei, habe sich bewahrheitet. „Doch wir glauben stets der Wissenschaft“, moniert Prof. Hinte, „ich plädiere dafür, den Erziehungsstil abzulegen.“ Ganz wichtig: „Wir dürfen den Menschen nicht etikettieren, wenn wir ihn sehen.“ Der nicht-erzieherische Blick verurteile den Menschen nicht, man müsse lernen, den Menschen zu sehen und ihn so zu belassen.

„Eine Gesellschaft braucht Regeln“, führt Hinte weiter aus und plädiert dafür, die Menschen nicht zu erziehen, sondern ihnen Regeln für das Zusammensein zu setzen. Sozialraumorientierung sei der Versuch, ein gutes Zusammenleben zu produzieren. „Wir müssen gute Arrangements binden, damit dies gelingt, und wir müssen den Willen der Kinder ernst nehmen.“

„Kein Kind will einen betreuten Heimplatz. Kein Kind will erzieherische Hilfe. Es will mit Freunden spielen, es will Abenteuer erleben, es will lachen… Ich bin dafür, auch den Willen der Kinder wirken zu lassen“, so Hinte. Man müsse der Lebendigkeit der Kinder gerecht werden, die Vogelsberger Kinder- und Jugendhilfe mache dies – und zwar hervorragend. Man berücksichtige den Lebensentwurf der Menschen und schaffe Arrangements. „Dazu braucht man Personal, das sich dieser Sprunghaftigkeit stellt. Sie haben hier sehr professionelles Personal, das auf diese Lebendigkeit eingeht“, lobt der Professor. Die vielen Menschen, die mit dem Konzept der sozialraumorientierten Jugendhilfe arbeiteten, „können stolz sein, dass sie im Vogelsbergkreis arbeiten, sie arbeiten an einer wichtigen Innovation“. Der Vogelsberg sei in diesem Bereich weit vorn. „Wer die Speerspitze des Fortschritts erleben will, kommt in den Vogelsberg“, ruft Hinte aus.

Abgerundet wird die Festveranstaltung durch ein Grußwort von Gerhild Hoos-Jacob, der Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses. Alle hätten Großartiges geleistet. Mit der Sozialraumorientierung sei im ländlichen Raum eine Infrastruktur geschaffen worden, die es anderswo nicht gibt, lobt Hoos-Jacob. In einer kleinen Talkrunde unter der Leitung von Christian Kornmann, der auch durch das Programm führt, stellen Prof. Hinte. Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak, Helmut Benner und Cornelia Seim-Eichenauer, Vorsitzende der AG 78, noch einmal die praktische Arbeit in der Jugendhilfe vor. Musikalisch umrahmt wird der Abend von der Gruppe „Social Affairs“, einem eigens für diese Festveranstaltung arrangierten gemeinsamen Projekt der Musikschule Alsfeld und der Lauterbacher Musikschule.

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