Redaktion: Sie haben ein Bürogebäude entworfen, das vollständig auf Heiztechnik verzichten kann. Wie kamen Sie auf die Idee, ein solches Gebäude zu konzipieren?
Schwarz: Der Bauherr, die Heinrich Nabholz KG, wünschte sich den Neubau einer effizienten Hauptzentrale für seine Münchener Filiale in einem bestehenden Industriegebiet. Als Inspiration diente ein Bürogebäude in Lustenau – geplant von Baumschlager Eberle Architekten. Das Konzept basiert auf einer Bauweise ohne die Verwendung einer Heizung und Lüftung. Nach einer Besichtigung des Gebäudes in Österreich und neuen Erkenntnissen der Funktionsweise war sich der Bauherr sicher, bei dem Bau seiner Hauptfiliale dem gleichen Grundkonzept zu folgen. Aufgabe war es dann, das Konzept zu transferieren und an die klimatischen Bedingungen der Breitengrade von Gräfelfing anzupassen. Zur Seite stand uns dabei der Bauphysiker Dr. Peter Widerin, der bereits bei der Planung in Lustenau beteiligt war. Entwickelt wurde ein Konzept, dessen Bauweise auf dicken Ziegelwänden basiert. Berücksichtigt wurden zudem bestimmte Anforderungen, da das Bürogebäude zu 70 Prozent extern vermietet werden soll – ein wesentlicher Unterschied zum Bau in Lustenau, der vom Bauherren selbst genutzt werden sollte und somit mehr Gestaltungsmöglichkeiten bot. Unsere Grundrissstruktur benötigte hingegen Flexibilität, um Nutzerwünschen entgegenzukommen. Grundsätzlich ist bei der Konzeption unseres Vorhabens ein zusammenhängender Raum essenziell, damit die Luft leicht zirkulieren kann. Die Umsetzung von Einzelbüros gestaltet sich daher etwas schwierig. Um dem entgegenzuwirken, haben wir das Konzept angepasst, sodass eine räumliche Trennung mit intakter Luftzirkulation gewährleistet ist.
Redaktion: Wie ist das Gebäude rein architektonisch auf das Auskommen ohne Heizung und Klimaanlage optimiert?
Schwarz: Ein wichtiger Punkt ist die Speicherfähigkeit der trägen Masse. Wir haben eine sehr dicke Geschossdecke und Wände, bestehend aus Ziegelmauerwerk, konzipiert. Energie, die in Sommernächten durch die Nachtauskühlung strömt, wird träge von der Speichermasse geschluckt, gespeichert und zeitversetzt in den Innenraum abgegeben. Bei der Konzeption des Mauerwerks hat uns die Firmengruppe Leipfinger-Bader beratend zur Seite gestanden, so dass wir hier auf die Erfahrungswerte eines für seine nachhaltigen Bauprodukte bekannten Herstellers zurückgreifen konnten. Am Ende haben wir uns für 65 Zentimeter dicke Außenwände aus zweischaligem, dämmstoffgefüllten Coriso-Mauerwerk entschieden. Die Zusammenarbeit mit Leipfinger-Bader lief dabei reibungslos.
Ein wesentliches Kennzeichen der Architektur sind die stets sichtbaren Grundmaterialien. Wände durften nur ohne vorherige Vorwandinstallation und einer somit geschaffenen Pufferzone verputzt werden. Ein aufkommender Konflikt zwischen Nutzerzufriedenheit, der technischen Notwendigkeit sowie dem Wohlbefinden. Auch Geschossdecken müssen sichtbar sein und dürfen nicht vom Innenraum versperrt sein. Eine harte Decke ohne Schallschutzabsorbationsflächen ist für die Akustik wenig förderlich. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, kamen im Luftstrom positionierte, waagerecht stehende Baffeln zum Einsatz. So konnte die nötige Querlüftung sichergestellt werden und die Akustik profitierte darüber hinaus auch.
Redaktion: Musste die Inneneinrichtung dementsprechend angepasst werden? Konnte man beispielsweise Regale vor den Wänden platzieren oder wirkt sich das nachteilig aus?
Schwarz: Regale sind grundsätzlich möglich, Einbauschränke hingegen nicht. Beachtet werden muss, dass innerhalb der Luftzone vor dem Bauteil eine freie Luftzirkulation gewährleistet ist. Sofern 30 Prozent der Wandflächen mit Möbeln versehen werden, steht dem Gebäudekonzept nichts im Wege. Auch an den Trockenbauwänden, die der Raumtrennung dienen, können Möbelstücke positioniert werden. Lediglich die Außenwände sowie die tragenden inneren Wandscheiben, die ebenfalls gemauert sind, sollten frei bleiben. Zusammen mit Inneneinrichtern konnten die Mieter tolle Gesamtkonzepte entwickeln.
Redaktion: Wie wirtschaftlich ist das Ganze? Man konnte auf die Heiz- und Klimatechnik verzichten. Musste man stattdessen auf andere Lösungen setzen, die möglicherweise kostenintensiv hätten sein können oder vielleicht auch waren?
Schwarz: Aufgrund doppelt so dicker Wände kam auch die doppelte Menge an Material zum Einsatz. Daher sind die Baukosten in diesem Bereich leicht teurer. Große Kostenträger, wie der Einbau der Heizungsinstallationsleitungen, blieben hingegen erspart. Brandschutzklappen oder Ähnliches waren bedingt durch die Grundrissanordnung ebenfalls nicht notwendig. Letztlich gelang es uns, die gewöhnlichen Baukosten nach BKI sogar zu unterschreiten. Dies ist aber auch auf eine durchdachte, wirtschaftliche Planung zurückzuführen. In allen Geschossdecken wurde beispielsweise auf Estrich verzichtet. Vliesauflagen und Teppiche wurden also direkt aufgetragen. Auf diesem Prinzip basiert im Grunde das gesamte Konzept – je pragmatischer und einfacher, desto wirtschaftlicher das Ergebnis.
Redaktion: Konnten sie Ihre eigenen Ziele in Hinblick auf die Energieeffizienz erreichen? Angesetzt war damals ja der KfW55-Standard?
Schwarz: Genau, das haben wir voll erreicht. Diesen KfW55-Standard überhaupt nachzuweisen, war aber auch ein langer Weg, da frühere Berechnungen ein Fehlen des Heizsystems nicht vorsahen. In Absprache mit der KfW entwickelten wir einen Weg, Nachweise darüber zu erbringen. Unsere Nebenkosten bewegen sich auf einem minimalen Niveau – die Heizkosten fallen somit nahezu weg. Was wir natürlich haben, sind Wartungskosten für die Fenster, eines unserer Herzstücke. Zum Einsatz kamen für die natürliche Luftströmung motorisch öffnende Fensterklappen, die stets funktionieren müssen. Alle zwei Jahre müssen die Motoren geölt und neu eingestellt werden. Grundgedanke der Architektur war es, die Begebenheiten auch für die nachfolgende Nutzung möglichst praktisch zu gestalten. Offene Kabeltrassen unterhalb der Decke können später beispielsweise problemlos erweitert oder ergänzt werden – ohne die Decke vorher öffnen zu müssen. Zwar stechen nicht verkleidete Decken sofort ins Auge, für uns stehen jedoch die Möblierung sowie die Menschen, die ja quasi als Heizkörper fungieren, im Vordergrund. Die Bauphysik und die praktische Nutzung müssen architektonisch daher überhaupt nicht aufgewertet werden.
Redaktion: Das sind dann aber auch Dinge, die während des Umsetzungsprozesses entwickelt wurden? Das sind ja schon kleine Fallstricke, an die man dann gerät.
Schwarz: Aus dem Wunsch, sehr kostengünstig zu bauen, haben wir diese Zielsetzung schon entwickelt. Es hat Durchhaltevermögen gekostet, weil man im Planungsprozess durchaus denkt, etwas vielleicht doch anders zu machen. Wenn es dann auf der Baustelle umgesetzt wurde, dachte man sich, vielleicht wäre eine Verblendung doch ganz schön, um die Kabel zu verstecken. Dennoch war es wichtig, das Gesamtkonzept durchzuziehen. Ich denke, das haben wir am Ende dann auch ganz gut hinbekommen.
Redaktion: Das ist dann natürlich auch wieder ein Kostenfaktor, der in der Zusatzplanung aufgewandt werden musste. Vom zeitlichen Aufwand her war auch alles im Rahmen?
Schwarz: Für alle Planungsbeteiligten war es ein absolutes Herzensprojekt. Uns war es total wichtig, das Projekt erfolgreich abzuschließen. Der Aufwand, den wir reingesteckt haben, war natürlich hoch, aber das hat man gerne in Kauf genommen. Es war eine große Leidenschaft, dieses Projekt so zum Abschluss zu bringen und am Ende zu sehen, dass so ein Konzept dann auch noch funktioniert.
Redaktion: Müsste es hinsichtlich der Tatsache, dass es sich um einen Präzedenzfall und ein Pilotprojekt handelte, ein Umdenken in der Politik in Bezug auf die Bewertung der Energieeffizienz geben?
Schwarz: Ja, es ist schwierig, diese Berechnungen so hinzubekommen, dass sie wirklich dem jeweiligen Konzept standhalten. Ich bin der Meinung, man müsse das Gebäude in seiner Gesamtheit bewerten – vielleicht sogar im Nachhinein. Der Anreiz, sollte darin liegen, ein funktionierendes Gebäude zu schaffen. Und weniger darin, ob es nachhaltig ist. Kriterien aufzustellen, für die man dann nach der Erfüllung Punkte bekommt – beispielsweise für den Einbau eines bestimmten Heizsystems – halte ich für nicht sinnvoll. Viele Kriterien kann man in vorhergehenden Berechnungen überhaupt nicht erkennen.
Redaktion: Bezogen wurde das Gebäude im November 2021. Damals sagten Sie, der erste Winter sei der Härtetest. Was ist Ihr Resümee nach diesem Winter? Erachtet der Auftraggeber den Bau des Gebäudes und das Konzept dahinter als erfolgreich?
Schwarz: Anfang des Jahres 2022 hatten wir sehr viel mit Baufeuchte zu tun, da das Gebäude im Januar zum Teil noch leer stand und die Mieter zeitversetzt einziehen mussten. So gestaltete es sich recht schwierig, die Raumtemperaturen einzuhalten, da die darüber- sowie darunterliegenden Geschosse kalt waren. Die Mieter als unsere „Heizkörper“ waren ja noch nicht im Gebäude. Dieses Problem hat sich aber mit der Zeit reguliert und bereits im darauffolgenden heißen Sommer wurde die 26 Grad-Grenze innerhalb des Gebäudes nicht überschritten – ganz ohne Klimatisierung. Laut Bauherr sind 95 Prozent der Nutzer zufrieden, auch wenn das Wärmeempfinden natürlich variiert. Zwar ist die Gebäudefeuchte allmählich raus, doch müssen wir beobachten, wie sich dies in Richtung Winter entwickelt. Gewöhnlich dauert es circa zwei Jahre bis ein Gebäude als trocken gilt. Der gesamten Trägheit des Konzeptes entsprechend, benötigt die Erwärmung des Wirkungskreises zwei Wochen. Zum Vergleich: Dreht man am Thermostat, ist der Heizkörper in zwei bis drei Stunden auf Temperatur. Der Fall, dass im Bürogebäude Minusgrade herrschen, wenn man in der Früh ins Büro kommt, ist dafür nicht möglich. Die Trägheit des Gebäudes speichert die Energie gut und verhindert eine Abgabe der Wärme.
Redaktion: Man muss jetzt also abwarten, wie der nächste Winter wird?
Schwarz: Genau. Zwar haben wir noch keinen kompletten Winter voll ausgelastet erlebt, dennoch sind wir zuversichtlich, was die kalte Jahreszeit angeht. Herr Dr. Widerin als Bauphysiker stuft vielmehr den Sommer als Problem ein: Ist es einmal zu heiß im Gebäude, gestaltet es sich schwierig, die Temperaturen wieder zu senken. Hinzu kommen auch andere interne Wärmelasten und Wärmequellen, die die Temperatur erhöhen. Diese Aufgabe haben wir im vergangenen Sommer jedoch erfolgreich bewältigt und müssen nun die Entwicklungen beim kommenden Wärmeanstieg Richtung März und April beobachten.
Redaktion: Besteht nach einem Jahr die Möglichkeit, einen Jahresheizwärmebedarf aufzustellen, der dann Rückschlüsse darüber gibt, wie viel Energie für das Gebäude benötigt wurde?
Schwarz: Man müsste die Heizkosten betrachten, die es bei unserem Gebäudekonzept nicht gibt. Wir messen die Öffnungsintervalle der Fenster. Dahingehend betreiben wir auch Langzeitmessungen und können genaue Raumtemperaturen mit den jeweiligen Lüftungsintervallen bestimmen. Was wir natürlich nicht dokumentieren können, sind die Personen, die sich zu dem Zeitpunkt im Gebäude aufhalten und als Heizkörper fungieren. Dies ist aus datenschutzrechtlichen Gründen schwer zu ermitteln, weshalb wir uns dahingehend an einem Schätzwert orientieren.
Redaktion: Das Homeoffice war insbesondere in den letzten Jahren ein großes Thema und kann jederzeit wieder für viele Leute in Betracht kommen. Welche Auswirkung hätte dies auf die Büros, sofern erneut weniger Leute vor Ort vertreten sein sollten?
Schwarz: Ja, genau. Das ganze Projekt startete mit dem Beginn der Pandemie. 2020 wurde die Baugrube ausgehoben. Natürlich haben wir uns die Frage gestellt, was passieren würde, wenn jetzt anstatt 15 Quadratmeter auf einmal 30 Quadratmeter an Bürofläche auf eine Person beziehungsweise auf einen Heizkörper fallen. Durch Corona-Abstandsregeln verändert sich die Nutzung beispielsweise erheblich. Rechnungen ergaben jedoch, dass auch dies keine Hürde ist. Wenn das Gebäude zu lange leer steht, kühlt es langfristig aus. In der heutigen Zeit haben wir aber schon eine Art Verständnis dafür entwickelt, mit einer Gebäudetemperatur von 19 Grad zu leben. Das gibt ja auch die Politik in öffentlichen Gebäuden vor. Der Ansatz, zu betrachten, was überhaupt nötig ist, ist in meinen Augen nachhaltig und auch richtig.
Redaktion: Für wie zukunftsfähig halten Sie ein solches Gebäudekonzept hinsichtlich der aktuellen Weltlage, den steigenden Energiepreisen sowie der Ressourcenknappheit? Können Sie eine Prognose zur Entwicklung abgeben?
Schwarz: In meinen Augen ist das Gebäudekonzept genau die richtige Antwort auf die aktuelle Lage und das weltpolitische Geschehen. Wichtig ist es, Gebäude zu planen, die nicht darauf ausgerichtet sind, jeder Extremsituation umfänglich standhalten zu können, sondern Gebäude zu schaffen, die nur das mit sich bringen, was auch wirklich notwendig ist. Treten Extremsituationen auf, muss man sich dann situativ Maßnahmen überlegen. Die Initiative der Technischen Universität München „Einfach Bauen“ verfolgt genau diesen Weg. Es werden einfache Gebäudekonzepte entwickelt und umgesetzt. Hinsichtlich der aktuellen Ressourcenknappheit und den damit verbundenen Lieferengpässen sind einfache Konzepte aus meiner Sicht zukunftsweisend. Letztlich profitieren wir alle davon. Der Planer, der sich das Konzept in Ruhe überlegen kann und der Bauherr, der über eine gewisse Kostensicherheit verfügt, weil ein einfaches Konzept weniger Risikopotential mit sich bringt. Die Wartungskosten im laufenden Betrieb sind auch überschaubar. Wichtig sind heutzutage Gebäude, die langfristig weiterleben können und sich quasi von alleine reparieren. Erfahrungen zeigen, dass mittlerweile viele Architekturen einer einfachen, revisionierbaren Konzeption zu Grunde liegen – egal welcher Baustoff verwendet wurde.
Redaktion: Ein massiver Baustoff eignet sich ideal, da er wenig Instandhaltung benötigt?
Schwarz: Das auf jeden Fall. Ziegel überstehen grundsätzlich Jahrhunderte. Darauf war auch unser Konzept ausgerichtet – möglichst langlebig zu sein. Unser Bestreben war es, eine Gebäudetiefe zu erreichen, dass diese auch anderweitig genutzt werden kann. Das bedeutet: Ist die Nutzungsdauer des Gebäudes irgendwann überschritten, muss nicht die gesamte Hauptkonstruktion zurückgebaut werden. Die Grundkonstruktion des Bürogebäudes kann also locker zwei Gebäudezyklen überleben. Dieser Nachhaltigkeitsgedanke war für uns entscheidend. Massive Mauerziegel kamen für das Vorhaben als einziger Baustoff infrage, da sie besonders haltbar und langlebig sind und eine lange Erhaltung der Grundform sicherstellen.
Die Firmengruppe Leipfinger-Bader stellt Wandbaustoffe sowie Bauprodukte für klimafreundliches Bauen her und vertreibt diese bundesweit. Für ihre energie- und rohstoffeffiziente Produktion wurde die in Familienhand geführte Gruppe in den letzten Jahren vielfach geehrt. Gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Forschung treibt Leipfinger-Bader zudem die Weiterentwicklung bewährter Baustoffe im Sinne von Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz voran. Die bayerische Firmengruppe versteht sich dabei – innerhalb der gesamten deutschen Baustoffindustrie – als bundesweiter Innovationstreiber für mehr Nachhaltigkeit am Bau.
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