COVID-19 und die gesundheitlichen Folgen für Berlin und Brandenburg – eine erste Bilanz

In den ersten beiden Pandemiejahren haben Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen in Berlin und Brandenburg weiter zugenommen, während die Diagnose COVID-19 nur auf einem eher kleinen Teil der Krankschreibungen stand. Das ist eines der Ergebnisse des aktuellen Länderübergreifenden Gesundheitsberichts für die Jahre 2019 bis 2021. Es ist der inzwischen sechsten Gesundheitsbericht, den das Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg – Health Capital vorlegt. Der Bericht wirft einen umfassenden Blick auf die Gesundheit der Erwerbstätigen.

Der Krankenstand in der Region ist gesunken und lag 2021 in Berlin bei 4,6 Prozent und in Brandenburg bei 6,3 Prozent. Berlin verzeichnete dabei einen Krankenstand deutlich unter dem Bundesdurchschnitt, Brandenburg hingegen darüber. Rückläufig war in beiden Bundesländern insbesondere die Krankschreibungshäufigkeit, während die durchschnittliche Länge der Krankschreibungen anstieg. Insbesondere im ersten Jahr der COVID-19 Pandemie gab es deutlich mehr längere und weniger kurze Krankschreibungen. Im Jahr 2021 waren die Beschäftigten in Berlin und Brandenburg insgesamt betrachtet durchschnittlich 19,4 Tage krankgeschrieben.

Betrachtet man die wichtigsten Krankheitsursachen für Fehltage, so ist festzustellen, dass Atemwegserkrankungen in den ersten beiden Pandemiejahren zurückgingen, während Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen weiter zunahmen. Erstmalig entfielen 2021 in Berlin sogar die meisten Fehltage auf psychische Erkrankungen, dicht gefolgt von Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems. In Brandenburg hingegen verursachten weiterhin Muskel-Skelett-Erkrankungen die meisten Fehltage, 2020 war dies auch in Berlin noch der Fall.

Es ist davon auszugehen, dass der allgemeine Rückgang des Krankenstandes zu großen Teilen eine Folge der Hygienemaßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie war. Insbesondere der deutliche Rückgang der Atemwegserkrankungen in beiden Bundesländern ist darauf zurückzuführen.

Krankschreibungen aufgrund von COVID-19-Infektionen finden sich in den Arbeitsunfähigkeitsdaten der Krankenkassen ab 2020. Im Jahr 2021 ist auf 1,4 Prozent der Brandenburger und 1,1 Prozent der Berliner Krankschreibungen eine COVID-19-Infektion als Ursache aufgeführt. Dabei ist zu beachten, dass die Diagnose COVID-19 erst im Berichtszeitraum eingeführt wurde und vermutlich nicht alle COVID-19-Fälle als solche erfasst wurden. Gleiches gilt für den Post-COVID-19-Zustand, der mit 0,11 Prozent der Krankheitsfälle bezogen auf 100 Versichertenjahre noch seltener in den Arbeitsunfähigkeitsdaten auftaucht. Hierbei handelt es sich um ein sehr komplexes Krankheitsbild, das einer umfassenden Diagnostik zur Abklärung bedarf und das mit langen Ausfallzeiten einhergeht. So dauerte im Jahr 2021 eine Krankschreibung mit dieser Diagnose im Durchschnitt in Berlin 46,7 Tage und in Brandenburg 35,9 Tage.

Massiv gestiegen ist die Zahl der anerkannten Berufskrankheiten aufgrund einer Infektionskrankheit. Waren es 2019 noch 60 Fälle in Berlin und 17 in Brandenburg, stiegen diese Zahlen 2020 auf 1003 (Berlin) bzw. 422 (Brandenburg) und 2021 weiter auf 6381 (Berlin) bzw. 4396 (Brandenburg). Entsprechend dominierten COVID-19-Erkrankungen das Berufskrankheiten-Geschehen in Berlin und Brandenburg während der Pandemiejahre. Sie waren 2020 für über 50% und 2021 sogar für mehr als 90% aller anerkannten Berufskrankheiten in der Region verantwortlich. Als Berufskrankheit anerkannt ist COVID-19 insbesondere bei Personen, die sich aufgrund ihrer Tätigkeit im Gesundheitswesen bzw. der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium mit SARS-CoV-2 infizieren und daran erkranken.   

Das Krankheitsgeschehen variiert branchenbezogen und regional

Die Branchen mit den höchsten Krankenständen sind in beiden Bundesländern weiterhin

  • Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung
  • Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung
  • Verkehr und Lagerei
  • Gesundheits- und Sozialwesen.

Die Reihenfolge der Branchen variiert zwischen den Bundesländern. In Berlin stand Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung mit dem höchsten Krankenstand an der Spitze (7,6% in 2021), in Brandenburg die Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung (7,9% in 2021).

Der Rückgang des Krankenstandes 2020 und 2021 ist in fast allen Branchen und Berufsgruppen sichtbar. Besonders stark ist er dort, wo die berufliche Tätigkeit auch aus dem Homeoffice heraus erfolgen konnte. In Branchen wie dem Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch in der Bauwirtschaft, ist der Krankenstand im Gegensatz zu vielen anderen Branchen in diesen Jahren jedoch gestiegen. Das Gesundheits- und Sozialwesen weist zudem die mit Abstand höchste Zahl an Fehltagen aufgrund von COVID-19 auf. Dass in den Gesundheitsberufen 2020 und 2021 auch die meisten anerkannten Berufskrankheiten zu verzeichnen sind, ist ebenfalls auf COVID-19 zurückzuführen. Bei den Gesundheitsberufen sowie Berufen im Bereich Erziehung, hauswirtschaftliche Tätigkeiten und Theologie war in beiden Bundesländern zudem eine deutliche Zunahme bei Verrentungen aufgrund von Erwerbsminderung sichtbar.

Auch regionale Unterschiede werden deutlich. In Berlin wiesen 2021 die Bezirke Marzahn-Hellersdorf (5,8 Prozent), Spandau (5,8 Prozent) und Reinickendorf (5,7 Prozent) besonders hohe Krankenstände auf. Vergleichsweise niedrige Krankenstände verzeichneten Friedrichshain-Kreuzberg (3,3 Prozent), Mitte (3,5 Prozent) und Charlottenburg-Wilmersdorf (3,8 Prozent). In Brandenburg hatten die Menschen im Elbe-Elster-Kreis (7,3 Prozent) sowie in den Landkreisen Prignitz (7,1) und Ostprignitz-Ruppin (7,1 Prozent) vergleichsweise viele Fehltage. Demgegenüber eher niedrige Krankenstände gab es in Potsdam (4,9 Prozent), Cottbus (5,5 Prozent) und Frankfurt/Oder (5,6 Prozent). Gründe für die regionalen Unterschiede können sowohl in Berlin als auch in Brandenburg eine unterschiedliche Altersstruktur, eine unterschiedliche sozio-ökonomische Struktur sowie die Beschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unterschiedlichen Branchen sein. In der Tendenz haben sich gegenüber früheren Berichten keine gravierenden Änderungen in der Reihenfolge der Bezirke und Kreise hinsichtlich ihres Krankenstandes ergeben. Für Berlin fällt auf, dass in Bezirken mit unterdurchschnittlichen Krankenständen in der Regel psychische Erkrankungen die meisten Fehltage verursachen. In Bezirken mit überdurchschnittlichen Krankenständen sind es hingegen Muskel-Skelett-Erkrankungen. In Brandenburg sind psychische Erkrankungen nur in Potsdam für die meisten Fehltage verantwortlich, in allen anderen Regionen stehen Muskel-Skelett-Erkrankungen an erster Stelle der Krankheitsursachen.

Implikationen für die Arbeitswelt von morgen

Die COVID-19-Pandemie hat die Arbeitswelt auch jenseits der reinen Krankheitsfälle verändert. Besonders augenfällig sind ein deutlicher Digitalisierungsschub und das vermehrte Arbeiten aus dem Homeoffice. Die Tendenz zu Formen von New Work hat sich damit weiter verstärkt und stellt das betriebliche Gesundheitsmanagement vor neue Aufgaben. Zeitlich und räumlich entgrenzte Arbeitswelten verlangen von den Arbeitnehmenden neue Kompetenzen. Gesundheitsangebote sollten verstärkt dezentral, auch unter Nutzung digitaler Möglichkeiten, angeboten werden. Das betriebliche Eingliederungsmanagement wird die Besonderheiten des neuen Krankheitsbildes „Post-Covid-19-Zustand“ berücksichtigen müssen. Diese und weitere Implikationen der Ergebnisse des neuen Länderübergreifenden Gesundheitsberichts für das betriebliche Gesundheitsmanagement werden am 28. Februar 2023 in einer Onlineveranstaltung diskutiert. Interessierte können sich hierfür unter folgendem Link entgeltfrei anmelden: Die gesundheitliche Lage der Beschäftigten – was lernen wir aus der COVID-19-Pandemie? | Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg (healthcapital.de)

Stimmen zum Länderübergreifenden Gesundheitsbericht

Ulrike Gote, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung: „Prävention und betriebliches Gesundheitsmanagement sind dem Senat von Berlin ein wichtiges Anliegen. Mit dem aktuellen Bericht haben die Partner des länderübergreifenden Gesundheitsberichts es ermöglicht, das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen während der Covid-19-Pandemie detailliert auszuwerten. Wir werden diese Auswertung zum Anlass nehmen, gemeinsam mit den Akteur:innen des Gesundheitsmanagements in den Betrieben psychischen Erkrankungen von Arbeitnehmer:innen und den Folgen von Long-Covid entgegenzuwirken und die berufliche Wiedereingliederung Betroffener weiter zu stärken.“

Michael Ranft, Staatssekretär im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg: „Der Länderübergreifende Gesundheitsbericht Berlin-Brandenburg bietet einen validen Überblick über den Gesundheitszustand der Beschäftigten in unserer Region und damit eine gute Entscheidungsgrundlage für Politik, Unternehmen und Sozialpartner:innen. Gesundheitsförderung und Prävention muss da stattfinden, wo Menschen leben und arbeiten. Gesunde, motivierte und leistungsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eine wesentliche Voraussetzung für den Unternehmenserfolg. Ein gutes, arbeitsschutzgerechtes und gesundes Betriebsklima wird für die Unternehmen und Verwaltung in Zeiten des Fachkräftemangels zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.“

Dr. Kai Uwe Bindseil, Abteilungsleiter Gesundheitswirtschaft | Industrie | Infrastruktur von Berlin Partner: „Mit dem Länderübergreifenden Gesundheitsbericht Berlin-Brandenburg legen wir zum nun sechsten Mal eine umfassende Analyse der gesundheitlichen Situation der Erwerbstätigen in unserer Region vor. Sie bietet den Akteuren im Cluster Gesundheitswirtschaft, Unternehmen, Sozialversicherungsträgern und Politik eine fundierte Grundlage kurz- und längerfristige Entwicklungen im Detail zu verfolgen. Darauf aufbauend können sie neue Maßnahmen, Konzepte und Lösungen entwickeln, um die Gesundheit der Arbeitnehmenden im Kontext bestehender Herausforderungen zu stärken und fördern.“      

Susanne Hertzer, Leiterin der Techniker Krankenkasse TK in Berlin und Brandenburg: „Hygienemaßnahmen haben während der Coronapandemie dazu beigetragen, Infektionen und Atemwegserkrankungen zu vermeiden. Doch der Länderübergreifende Gesundheitsbericht zeigt: Insbesondere jetzt müssen wir mehr für die eigene geistige und körperliche Gesundheit tun – Hygienemaßnahmen für Körper und Seele. Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen sollten regelmäßig wahrgenommen werden. Homeoffice darf nicht bedeuten, dass man mit Fieber am Schreibtisch sitzt. Die vielfältigen Veränderungen im Arbeitsalltag verlangen Anpassungen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Und wichtig ist: Long Covid-Betroffene dürfen von uns nicht vergessen werden, nur weil die Pandemie erst einmal vorüber ist.“

Der Länderübergreifende Gesundheitsbericht Berlin Brandenburg 2022 wird vom Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg – HealthCapital mit Unterstützung der BGF-Koordinierungsstellen Berlin und Brandenburg herausgegeben. Er entstand in Zusammenarbeit mit der AOK Nordost, der BARMER, den Betriebskassen, der IKK Brandenburg und Berlin, der KNAPPSCHAFT, der Techniker Krankenkasse, der Deutschen Rentenversicherung und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Damit basiert der Bericht auf Daten von rund 82 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Berlin und Brandenburg für die Jahre 2019 bis 2021. Das Berliner IGES Institut, als unabhängiges Forschungs- und Beratungsinstitut, hat die Daten zusammengeführt, die Analysen für die Berichtsjahre 2019 bis 2021 durchgeführt und den Bericht erstellt.

Download des Gesundheitsberichtes

Der sechste Länderübergreifende Gesundheitsbericht steht kostenlos zum Download unter
www.healthcapital.de/gesundheitsbericht2022 bereit oder kann über das Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg – HealthCapital als gedrucktes Heft bestellt werden (Email: info@healthcapital.de, Tel. 030-46302-463).

Länderübergreifendes Clustermanagement

Das Clustermanagement HealthCapital unterstützt und vernetzt Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Versorgung und Politik. Aufgabe des Clustermanagements ist es, den Masterplan Gesundheitsregion der Landesregierungen Berlin und Brandenburg umzusetzen und die Region international weiter zum führenden Zentrum für Gesundheitswirtschaft und Life Sciences auszubauen. Ein ehrenamtlicher Clustersprecher und Expertenkreise beraten strategische Weichenstellungen und übernehmen Repräsentationsaufgaben. Für das gemeinsame Clustermanagement sind Berlin Partner und die Wirtschaftsförderung Brandenburg zuständig. Die Aktivitäten des Clustermanagements werden vom Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung kofinanziert. Ziel ist die Förderung von Innovation und Kooperation der Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit dem Ergebnis der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. www.healthcapital.de

 

Über die Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH

Das Wirtschaftsförderungsunternehmen Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie ist Berlins Dienstleister für Wachstum und Innovation. Berlin Partner unterstützt Unternehmen und Investoren bei ihrem Umzug nach Berlin und bei ihrer Entwicklung am Standort. Die Experten von Berlin Partner informieren über Finanzierungsmöglichkeiten, beraten bei der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten oder qualifiziertem Personal und helfen beim Aufbau von Netzwerken mit Partnern aus der Wissenschaft. Das Land Berlin und mehr als 230 Unternehmen, die sich für die Förderung ihrer Stadt einsetzen, stehen als einzigartige öffentlich-private Partnerschaft hinter Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie. Berlin Partner ist auch für die weltweite Vermarktung der deutschen Hauptstadt verantwortlich. www.berlin-partner.de

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