Der Berufsverband kritisiert insbesondere auch die Reaktion von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach am vergangenen Wochenende. Löhler: „Die haarsträubenden Äußerungen des Ministers, die er dank enger Verbindungen in die Boulevardmedien verkünden ließ, offenbaren große Wissenslücken über das Abrechnungssystem in der ambulanten Versorgung. Vergleichsweise wenig komplexe ambulante Operationen werden schon seit Jahren deutlich zu gering vergütet. Die neue Nachbeobachtungsziffer kann von den Operateuren selbst nicht abgerechnet werden. Die Folge ist, dass immer weniger Ärzte in diesem Teilbereich der ambulanten Versorgung, der nicht zum Pflichtprogramm der Praxisärzte gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zählt, Leistungen anbieten. Die Operateure stimmen quasi mit den Füßen ab und stellen die OP-Tätigkeit ein. Doch statt den Hilferufen von Eltern und Ärzten Taten folgen zu lassen, wurde zum Jahresbeginn die geringe Bezahlung abermals abgesenkt.“ Dies wirke bei allerorts steigenden Kosten durch Inflation, Energiekrise und Fachkräftemangel wie ein Brandbeschleuniger im System.
Es gehe bei dem Protest darüber hinaus nicht um den Eurobetrag, der seit Januar vom Honorar abgezogen werde, sondern darum, auf die chronische Unterfinanzierung des Operierens von GKV-Patienten aufmerksam zu machen. Löhler hierzu: „Die Preise, die von den Kassen für ambulante Operationen gezahlt werden, ermöglichen es schlicht nicht mehr, eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen. Für knapp 107 Euro für einen sogenannten N1-Eingriff, wie die Entfernung der Rachenmandel bei Kindern, kann kein OP-Zentrum die laufenden Kosten stemmen. Von der Summe müssen die OP-Miete (40 Euro), die Sterilisation der Instrumente (25 Euro), die OP-Assistenz (15 Euro) sowie weitere Posten, wie die Instrumentenanschaffung, die Wartung der OP-Technik, die Haftpflichtversicherung sowie die Rufbereitschaft des Arztes nach einem Eingriff, bezahlt werden.“ Unterm Strich bleiben dem Operateur nur etwa zehn bis 20 Euro vor Abzug von Steuern und Altersvorsorge als Honorar für eine Operation. Bei schlechteren Konditionen, wie einer höheren Miete für den OP-Saal, zahlen die Ärzte am Ende sogar obendrauf. Dies sei angesichts der zwölfjährigen Aus- und Weiterbildung, die der operierende Arzt als Qualifikation mitbringe, und dem Risiko des Eingriffs am Atemweg eines kleinen Kindes inakzeptabel. „Wer bei dieser Bezahlung von gierigen Ärzten spricht und ein eklatantes Versorgungsproblem mit einer plumpen Neiddebatte abzuwürgen versucht, hat von Patientenversorgung keine Ahnung“, so Löhler.
Besonders irritierend sei der Vorwurf, dass durch den OP-Stopp eine Gefährdung des Wohls der Kinder billigend in Kauf genommen werde: „Wenn die Operation eines Kindes durch den Protest nun einige Wochen verzögert stattfindet, hat dies im Vergleich zu den monatelangen Wartezeiten, die wir bisher bundesweit verzeichnen, keine zusätzliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes zur Folge. Würde dagegen alles weiterlaufen wie bisher, würde sich das schleichende Sterben des ambulanten Operierens abseits der öffentlichen Wahrnehmung fortsetzen. Das wollen wir mit der Aktion um jeden Preis im Sinne der von uns zu versorgenden Kinder verhindern“, unterstreicht der HNO-Präsident. Besonders schwere Fälle sowie medizinische Notfälle würden trotz des Protests selbstverständlich weiter operiert.
Es sei weiterhin falsch, dass das ambulante Operieren zum Sicherstellungsauftrag der KVen zähle, erklärt Löhler. Entsprechende irreführende Behauptungen seien unter anderem vom GKV-Spitzenverband zu hören gewesen. Für den genehmigungspflichtigen Teilbereich müssen vielmehr angemessene Rahmenbedingungen gewährleistet sein. „Das Bundessozialgericht hat mehrfach festgestellt, dass die vertragsärztliche Vergütung dann nicht mehr angemessen ist, wenn in einem fachlichen Teilbereich kein ausreichender Anreiz mehr besteht, ärztlich tätig zu werden. Genau das ist jetzt beim ambulanten Operieren der Fall. Viele HNO-Ärzte haben ihre KV-Genehmigung zum ambulanten Operieren in den letzten Jahren zurückgegeben. Kein Vertragsarzt kann unter diesen wirtschaftlich desaströsen Bedingungen gezwungen werden, ambulante Operationen anzubieten.“
Die Mitglieder des Berufsverbandes stehen unterdessen geschlossen hinter dem OP-Protest. Eine Onlineumfrage unter rund 1.500 Mitgliedern mit KV-Genehmigung zum ambulanten Operieren in der vergangenen Woche ergab eine Beteiligung von über 85 Prozent an der Aktion. An der Befragung nahmen 821 HNO-Ärztinnen und -Ärzte teil. 34 Prozent gaben an, bereits ab Januar nicht mehr operieren zu wollen. Weitere 17 Prozent bieten die Leistung ab Februar, nochmals 14 Prozent ab März 2023 nicht mehr an. Grund für die schrittweise Einschränkung des Angebots ist, dass noch vor dem Protestaufruf vergebene OP-Termine wahrgenommen werden. Gefragt wurde außerdem nach der aktuellen Wartezeit für Kinderoperationen in der Region. 29 Prozent gaben ein bis zwei Monate an. Über 70 Prozent der Operateure berichteten von drei Monaten oder länger, die Kinder in ihrer Region bislang auf einen Eingriff warten müssen.
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