Ein Abstecher nach Grünwalde, Bewährung bei den Panzersoldaten sowie Brinckman in Amerika – Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

Erinnerungen können glückliche Gefühle hervorrufen oder auch schmerzliche – letztere besonders dann, wenn sie an Zeiten erinnern, als es noch eine große Hoffnung und den Glauben an eine Utopie gab. Genauso ergeht es der Erzählerin Johanna, zumeist Hanna genannt, im zweiten der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 20.01.23 – Freitag, 27.01. 23) zu haben sind. In „Aus Jahr und Tag. Wie Hanna Nein sagen lernte“ von Lonny Neumann werden eine Reise der Erzählerin in ihre Oberschulstadt Prenzlau und der lange fällige Abstecher nach Grünwalde Anlass zu einer Selbstauseinandersetzung.

Mit Konflikten in der Nationalen Volksarmee der DDR befasst sich Heinz Kruschel in „Die Schneidereits“. Ein Panzerkommandant hat Schwierigkeiten mit seinen Genossen – und mit seinem Mädchen.

Wie sieht eigentlich Mut aus? Wie fühlt er sich an? Und kann jeder mutig sein? Fragen wie diese stellt Jan Flieger in seinen vier „Mutgeschichten“.

Einer ungewöhnlichen Gewohnheit eines Freundes verdankt Jürgen Borchert den Titel für sein Buch „Efeu pflücken. Historische Miniaturen“:

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Heute geht es zurück in die alte Bundesrepublik und erneut um die Themen Umgang mit der faschistischen deutschen Vergangenheit speziell in Zweiten Weltkrieg und um den Beginn der damaligen Friedensbewegung in der Bundesrepublik. Beide Themen sind heute wieder erstaunlich aktuell.

Erstmals 1964 erschien im Deutschen Militärverlag Berlin „Das Kreuz am Wege“ von Heinz Kruschel: Der Journalist Hans Pohnert, Leiter der Kulturredaktion der „Allgemeinen“ ist froh, dass er bei einer unabhängigen Tageszeitung arbeiten kann und platziert manchen kritischen Artikel. Als der von ihm geschätzte Kollege Salmund einen Artikel über neofaschistische Tendenzen in der Bundesrepublik Ende der 1950er Jahre nicht veröffentlichen darf, hält Pohnert das von Salmund beschriebene Beispiel für ein Einzelproblem, das in der Demokratie keine Chancen hat.

Doch dann soll Pohnert an einem Soldatentreffen in Wurmfing teilnehmen und alle verdrängten Erinnerungen an die letzten Kriegstage im Wurmfinger Hochmeer, wohin er mit mehreren Klassenkameraden zum Werwolf kommandiert war, wurden wieder wach: Der Tod seiner ersten Liebe Christine und des Klassenprimus Manni, das sinnlose Gefecht gegen die Amerikaner und die Flucht durch das Moor. Hans will es gar nicht glauben, dass sein damaliger Stammführer Kalle Kozruk, der damals viel Schuld auf sich geladen hatte, bei dem Treffen als anerkannter Bundeswehroffizier die „alten Kameraden“ zu neuen Taten gen Osten aufruft.

Ein spannender Roman von 1964 über den Beginn der Friedensbewegung in der Bundesrepublik und den Umgang mit der faschistischen Vergangenheit. Und so beginnt das immer noch spannend zu lesende Buch:

Sie lieben keine Entscheidungen um Kopf und Kragen

  1. Kapitel

Im Theater erloschen die Lichter. Vor einem Seiteneingang stauten sich junge Leute, die auf ihre Lieblingsschauspieler warteten; Autos fuhren ab; ungetüme Busse, von Reisegesellschaften gechartert, ließen brüllend ihre Motoren an und setzten sich schwerfällig in Bewegung.

Stimmengewirr. Lachen, Flüstern. Verabschieden, Gespräche über die Garderobe, die nächste Verabredung, den neuen Schönheitssalon, die letzte Sensation (Alfred Hitchcocks Horrorfilm mit „metaphysischem Sex“).

Hans Pohnert lächelte grimmig. Er blieb eine Weile auf der untersten Stufe der geschwungenen Treppe stehen und schlug den Mantelkragen hoch. Zwar hatte es aufgehört zu regnen, aber die Nässe lag noch in der Luft und war ein untrügliches Zeichen für das Herannahen der kalten Jahreszeit.

Vorsichtig trat er auf den feuchtglänzenden Asphalt und schritt, als beträte er eine spiegelglatte Eisfläche, über den sich leerenden Platz. Bei solchem Wetter fühlte er sich immer unbeholfen auf der kniehohen Beinprothese. Schließlich hätte er auch den Wagen nehmen können, aber das war gegen seine Gewohnheit. Nach einem Theaterbesuch liebte er es, allein durch die Straßen zu gehen, in Gedanken schon Einfälle, Beobachtungen und Werturteile sammelnd und ordnend, die er morgen in aller Frühe zur Kritik verarbeiten würde.

Er ging den Steinweg entlang und bog zur Ritterbreite ein, die zum Schloss führte. Gelbgrün zuckten die Firmenzeichen der bienenwabigen Geschäftshäuser, ein Nachtkabarett pries in mannshohen Leuchtbuchstaben die Pariser Revue „L’air de la nuit“ an, vor dem City-Theater auf der gegenüberliegenden Straßenzeile drängten sich Halbwüchsige zur Nachtvorstellung von Olle Hellboms Film „Die Hemmungslosen“.

In der Wallstraße war es ruhiger. Einzelne Paare kamen Pohnert entgegen, und einen kleinen Augenblick empfand er seine Einsamkeit schmerzlich, und er tastete nach dem zerknitterten, oft gelesenen Brief in der Manteltasche, aber er bezwang sich schnell und rekapitulierte die Aufführung im Theater.

Es ist leider immer seltener geworden, dass die Stücke der deutschen Autoren zu sehen sind, die Ausländer dominieren. Woran mag das liegen? Da haben wir den problematischen Thornton Wilder gehabt, die Todesfestspiele Monsieur Anouilhs, den Rührreißer „Eine Familie“, das vortreffliche Schauspiel „Leuchtfeuer“ und zwischendurch einen Rehfisch.

Es ist nicht einfach, Weisenborn in dieser Reihe unterzubringen, die Aufführung war wirkungsvoll gemacht. Aber „Babel“ kann doch nur einen mittleren Rang behaupten.

Hans Pohnert blieb vor einem Schaufenster stehen, sah uninteressiert auf die Ratenzahlungsangebote für Küchengeräte und nahm mechanisch die randlose Brille ab. Es hat eine Zeit gegeben, da habe ich solche Stücke begeistert gesehen und gelobt, dachte er und wischte mit einem weichen Lappen, den er aus seiner Westentasche gefingert hatte, die Augengläser blank. Aber das ist vorbei, überholt, denn der Kapitalismus hat viel von seinem Schrecken verloren.

Dieser Fleischkrösus Gamboa war widerwärtig und abstoßend auf der Bühne, wollte um jeden Preis seine Silos fertiggebaut haben und verzichtete merkwürdigerweise auf die geforderte Lohnerhöhung. Wer tut das schon noch? Schließlich setzt er Sparsamkeit und Existenz an falscher Stelle aufs Spiel! Natürlich sind die Finanzwölfe hartherzig, aber doch immer zu ihrem Vorteil und nicht zu ihrem Nachteil, natürlich sind Aktionäre brutal, aber doch nicht dumm!

Der Beifall war mäßig gewesen, zwei Vorhänge für eine Premiere sind fast ein Durchfall.

Die Leute wollen so was nicht mehr sehen! Sie lieben keine Entscheidungen um Kopf und Kragen! Sie vermuten dann gleich — und das mit Recht — die leidige Politik. Die Zeit, in der man mit solchen Stücken Publikumserfolge erntete, ist vorbei.

Pohnert lächelte, als sich die Straße vor ihm erweiterte und er sich auf dem Hagenmarkt sah. So war er im Kreise gelaufen. Er sah zur Uhr. Dreiviertel zwölf. Eine angebrochene Nacht, dachte er und trat in ein Lokal, das er gern und oft aufsuchte, hier gab es weder eine Musikbox noch Radiomusik, noch Krakeeler. Zwei Tische waren besetzt, er erkannte undeutlich durch die beschlagene Brille einige Männer und Frauen, die Biergläser vor sich stehen hatten, und setzte sich an seinen Stammplatz.

Der Ober half ihm aus seinem Mantel und brachte einen Kaffee und einen Weinbrand, Marke Bal paré; auch so eine alte Gewohnheit.

Die Dorsch hat das Mädchen Kat mit Höchsthingabe gespielt, aber die Figur schien dennoch ohne Leben zu sein, sie passte nicht zum Milieu. Lediglich die beiden Handlanger des Gamboa wirkten aufs Publikum und spielten mit ihrem zynischen Humor, den ihnen Weisenborn mitgegeben hatte, die Hauptpersonen an die Wand!

Es gab gekonnte Passagen, den Selbstmordmonolog zum Beispiel, aber jeder Zuschauer wusste doch, dass sich der Mann nie erschießt.

Vielleicht lässt sich so ein Fazit aus dem Abend ziehen: Da meint ein Autor, etwas sagen zu müssen, und dann hat er nichts gesagt, weil es besser ungesagt bleibt.“ Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters:

Erstmals 2016 veröffentlichte EDITION digital als Eigenproduktion „Aus Jahr und Tag. Wie Hanna Nein sagen lernte“ von Lonny Neumann – und zwar sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book: Im Sommer 2005 ist die Erzählerin Johanna, meist Hanna genannt, in ihre Oberschulstadt Prenzlau eingeladen, um aus einem alten Romankapitel zu lesen. Diese Fahrt, die wie eine Sommerreise anmutet, bildet den Rahmen für Hannas Erinnerungen, die durch den lange fälligen Abstecher nach Grünwalde zu einer Selbstauseinandersetzung wird. Dorthin hatte die einst begeisterte junge Lehrerin ihren Mann gedrängt, mit der Familie zu ziehen, weil sie glaubte, hier ein anderes Leben zu lernen, in dem Kinder, Ehe, die Schüler und das Schreiben gedeihlich zueinander fänden. Welch ein Irrtum!

Die idyllische Landschaft mit der Schule für Bevorzugte verdeutlichte, wie ihre anfängliche Utopie für das kleine Land, in dem sie lebt, zur Phrase wird. Der einst geliebte Mann bleibt ein Jasager, ein Parteisoldat.

Aber die Kinder …

In den Morgenstunden sitzt die  Frau, die sich nicht in die gewünschte Logik des Lebens fügen kann, und schreibt:

„Die nach uns kommen, werden fragen:

‚Wie habt ihr gelebt? Was hast du getan?‘“ Sie verlässt das Haus.

Durch die geliebte Landschaft wandernd geht sie der eigenen inneren Wandlung, Schuldgefühlen und Glücksmomenten nach, trifft einstige Freunde und die zurückgekehrten, nun neuen Eigentümer von Grünwalde. Sie wird nicht schuldfrei ausgehen, wenn sie versucht, über diesen Ort, den sie Insel nannte, zu schreiben, denn sie hat dazu gehört.

„Es war einmal“, so wird sie ihre Lesung beginnen und endlich das alte Kapitel beenden. Und so fängt die spätere Selbstauseinandersetzung an – mit Erinnerungen an weit zurückliegende Zeiten:

I. Als die alte Zeit noch eine neue Zeit war

  1. Prolog

… rak rak rak, so glaubt sie es, im Halbschlaf auf die Schienen klopfen zu hören und nun: Jetzt kommen die lustigen Tage … Ein Lied, von Gott weiß woher? Hanna fährt hoch. Die ermunternde Melodie fällt aus dem Lautsprecher ins Abteil. Sie hat es doch auch einst gesungen. Es ist wirklich sehr lange her. Als Studenten stimmten sie es für den alten Steinbach zum Geburtstag an, und er fiel mit vor Rührung feuchten Augen ein. Es klingt so, als seien über die Jahre viele Stimmen dazugekommen, die sie in diesem Abteil noch – wie einen Nachhall – zu hören glaubt: Nachbarn, Schüler, Freunde, Geliebte. Sie will den Text verstehen. „Willst du allein …“, der Rest geht unter.

Hier sitzt nur ein junges Paar ihr gegenüber. Er schläft, den Kopf an die Schulter der lächelnden Liebsten gelehnt. Der junge Mann neben ihnen blättert eine Seite um in seinem Buch. Und auf modernen Gleisen gleitet der Zug durch die sommerliche Landschaft aus Feldern, Hecken, Tümpeln und Seen.

Im ruhigen Fluss der Landschaft erscheint bald der Uckersee und an seinem Ufer – filigran über die Entfernung – die Silhouette der Stadt, machtvoll darin die alte Marienkirche. Als Hanna damals Woche für Woche hier entlang in die Oberschulstadt fuhr, war sie ein Trümmerberg inmitten zerstörter Häuser und Straßen. Die Schüler halfen am Eff-de-Jott-Nachmittag auch beim Enttrümmern. Sie weiß noch, wie sie sich die Hände aufscheuerte und begeistert in der Diktion jener Jahre vom Wegträumen und Wegräumen dichtete.

Sie möchte das Fenster aufreißen und den Kopf in den Fahrtwind halten und dem Funkenflug, der aus der Lokomotive auf die Böschung fällt, zusehen – wie vor mehr als einem halben Jahrhundert. Und erschrocken fragt etwas in ihr, wo sie all die Jahre gewesen ist?

Was wusste sie schon, als sie den fliegenden Funken hinterher sah? Wer war sie denn? Ein Großmutterkind, geimpft mit dem Satz, was Besseres zu werden, vielleicht – nach Großmutters Plänen – ein „Frollein“ auf der Post, das – wie wenige Leute in der kleinen Stadt – am Sonntag Hut und Handschuh trug!

Hier lässt sich kein Fenster öffnen. Aber sie will sich endlich nicht mehr sprunghaft durch die Zeiten und die Weltgeschichte bewegen – querfeldein – wie sie einst dem Vater davongelaufen ist und auch noch ein Buch darüber geschrieben hat.

„Hätte es nicht eine andere Möglichkeit gegeben?“, fragt die alte Johanna heute. Keine ist ihr in den Sinn gekommen.

Unlängst fand sie, auf einen alten Zettel gekritzelt – neben einem Suppenrezept für die Kinder – die Frage, ob Mut zur abweichenden Meinung schon … Sie konnte selbst nicht mehr entziffern, ob sie etwa Wahrheit auf einen Zettel fürs Kochbuch geschrieben hatte, las aber – zum Glück- gleich daneben den Rat, nur kräftig Peperoni in die Suppe zu schneiden.

Überall liegen Zettel und Briefe, nicht nur in den Büchern. Findet sie wieder etwas, wendet sie es hin und her und kann sich nicht entschließen, es wegzuwerfen. Auch Enkelin Marie freut sich bei ihren Besuchen über jeden Fund.

Weil der große Geburtstag bevorsteht, will Hanna Ordnung schaffen – in der Kammer mit den Tagebüchern, in der Familie, am liebsten in der Welt, in der es unruhig zugeht und Flüchtlingsströme umherziehen, wie das Kind sie noch nach dem letzten Krieg erlebte.

Dabei gleiten im Rückblick die Jahre wie Tage dahin. Und wenn sie versucht, darüber zu schreiben, braust wie eben wieder ein ganzer Chor von Stimmen in ihrem Kopf: „Willst ausgerechnet du es wissen?“ Lebende und längst oder jüngst Gestorbene hört die Reisende noch immer. Des Vaters Stimme ist zwar schwächer geworden. Mathelehrer Paules ist ganz verschwunden: „Tje, Hanna, Sie und Lehrer?“

Was dachten sie denn von ihr? Trauten sie ihr das nicht zu?

Eine begeisterte junge Lehrerin ist sie geworden.

Doch welch Irrtum!

Geräuschlos eilt der Regionalexpress weiter durch die stille Landschaft. Nun die Ansage aus dem Lautsprecher: „Meine Damen und Herren, in Kürze erreichen Sie …“ Bis in die alte Oberschulstadt, wohin sie zur Lesung eingeladen ist, dauert es noch. Und wieder das Lied von den glücklichen Tagen.

„Meine Damen“, nannte der alte Lehrerbildner sie und die anderen Mädchen. Es klang beinahe mitleidvoll, manchmal auch spöttisch, wenn er seine aus der Zeit gefallenen Sprüche streute, auch dem, vom Lachen in jeder Stunde oder an jedem Tag, der sonst verloren wäre. Trotzdem ließ er sie, von wohlwollendem Blick begleitet, mit ihren beiden Banknachbarn gehen. Ja, auch die Bürgschaft übernahm er für sie, als sie der Aufforderung aus dem Parteizimmer folgte.“

Erstmals 1973 erschien im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik  Berlin „Die Schneidereits“ von Heinz Kruschel: Nie hätte Jasper Schneidereit geglaubt, dass er in eine Situation geraten könnte, aus der er nur einen Ausweg sah: aufgeben. Immer war ihm alles mit Leichtigkeit geglückt, stets hatte er mit seinem Elan andere mitgerissen. Plötzlich sollte das anders sein?

Dabei schmeichelte die neue Aufgabe seinem Ehrgeiz: Kommandant einer Panzerbesatzung! Doch es gibt von Anfang an Schwierigkeiten in der Besatzung Schneidereit. Jasper kommt mit den Soldaten einfach nicht zurecht.

Er leidet unter der bedrückenden Atmosphäre, grübelt über Ursachen, verrennt sich, wird ungerecht. Auch Anke, sein Mädchen, versteht ihn nicht mehr … Erst nach und nach erkennt er: Verständnis lässt sich nicht erzwingen, und es ist schwerer, um den Menschen neben sich zu kämpfen als um die Note Eins auf der Übungsstrecke. Zunächst aber hören wir erstmal Jasper und seiner Freundin Anke zu und zwar am Tage der Einberufung zur Armee:

1. Kapitel

Jasper Schneidereit stand mit dem Rücken an die helle, sonnenbeschienene Mauer gelehnt und sah Anke an. Sie umspannte mit ihren festen Händen seinen Nacken und fragte: „Kommt Vater nicht?“

Es ging auf elf Uhr. Immer mehr Menschen kamen auf den Platz, junge Männer, die kleine Koffer trugen und von Müttern und Mädchen begleitet wurden; selten war ein älterer Mann zu sehen. Stimmengewirr erfüllte den Platz, von dem aus im Sommer die Ferienbusse der Kinder abfuhren. Die Menschen unterhielten sich lebhaft, eine Kapelle spielte von Zeit zu Zeit Märsche. Einige Kinder standen vor den Bläsern, anscheinend als einzige Zuschauer gefesselt von der lauten Musik, pressten die Fäuste gegen die Ohren, lockerten sie wieder, schlossen sie mit den Handflächen und freuten sich über den Effekt der auf- und abschwellenden Töne.

Jasper antwortete: „Warum sollte er kommen? Ich habe mich zu Hause von ihm verabschiedet, meine Güte, ich fahre ja nur achtzig Kilometer weit, nicht wahr?“

„Für mich ist das weit, und es ist auch eine lange Zeit. Oder etwa nicht?“ Ihre Stimme klang rau.

„Es ist nicht weit. Du hast zu tun. Und wir werden uns sehen. Werde nicht sentimental, Anke, das passt nicht zu dir.“

„Zu Befehl. Du weißt ja ganz genau, was zu mir passt.“

„Ja. genau.“ Er dachte: Mir fällt immer wieder auf, dass das Weiß um die grüne Iris ihrer Augen leicht bläulich schimmert, ohne jede rote Ader, ganz klar wie bei einem Kinde.

„Und was passt zu mir?“

„Dein Haar und deine Stimme und deine Haut und dass wir heiraten und am Rande der Stadt in einem Hochhaus wohnen werden, wo du bei klarem Wetter die blauen Berge sehen kannst.“

„Gut. Und du wirst auch an der Hochschule studieren, wir werden beide in einem Betrieb an einem Projekt arbeiten. Das ist alles ganz klar, was?“

„Ja. Und du solltest von der Hochschule aus schon eine Wohnung anmelden.“

Einen Augenblick blieb sie still, als lauschte sie dem Klang seiner Worte nach. Dann küsste sie ihn. Das war der Abschied. Anke würde anschließend, gleich von hier aus, in die Hochschule gehen und sich still in die Vorlesung schmuggeln und wochenlang an den langen Winterabenden lernen, prüfen, rechnen und manchmal einen Brief schreiben und von ihm träumen. Wie viele Mädchen tun das.

Wenn die Kapelle eine Pause einlegte, verschmolzen die Geräusche auf dem Bahnhofsvorplatz zu einem lauten Summen. Mal war ein Ruf zu hören: „Wo ist denn Finsterleben?“ Dann hob sich ein Schild aus der Menge und wurde geschwenkt. „Hier, Kumpel! Du fehlst uns noch in der Sammlung!“

Jasper erwiderte den Kuss. Die Finger seiner rechten Hand spielten mit ihrem offenen Haar. Neben ihnen stand ein breitschultriger Bursche mit blondem, langem Haarschopf und sagte zu einem Mann in Eisenbahneruniform: „Man müsste stoppen, wie lange die sich knutschen, Lotti wäre bestimmt auch gekommen, aber sie hat heute Schicht, Lotti ist schon in Ordnung …“ „Klar“, sagte der Eisenbahner, „nun mach uns keine Schande, Franz, du bist ein Bolzer, du kannst, wenn du willst, das weißt du genau. Hau nicht über die Stränge, darin verstehen sie keinen Spaß bei der Fahne. Wir waren doch eine Truppe, die zusammenhielt und in der sich einer auf den anderen verlassen konnte, und du kommst wieder in eine Truppe, verstehst du, im Prinzip ist da kein Unterschied.“

„Ist ja gut“, sagte Franz. Er hörte nur halb zu. Der Brigadier könnte seine Belehrungen lassen oder wenigstens leiser agitieren.

Anke machte sich los. Sie fing den Blick des Blonden auf und zwinkerte ihm zu.

„Hast du gesehen?“, fragte Franz den Eisenbahner.

„Du bist wütend, weil Lotti nicht da ist. Du bist wütend, weil du deine langen Haare bald los sein wirst. Du bist wütend, weil du dein Motorrad nicht mitnehmen darfst …“

„Quatsch. Es könnte losgehen. Ist ja blöde, hier herumzustehen und zu warten. Vergiss nicht, meine Fische regelmäßig zu füttern, bloß nicht zu viel, sonst verdirbt das Wasser …“

Die Gesichter der jungen Männer zeigten Erwartung. Alle kannten die Armee durch Freunde. Sie hatten Artikel gelesen, Reportagen im Fernsehen miterlebt, waren in der GST gewesen. Aber nun betraf es sie selbst, sie wurden einberufen, taten gleichgültig und waren es eigentlich gar nicht. Sie waren voller Erwartung: Der Freund hat übertrieben, die Reportagen waren vielleicht schöngefärbt — was erwartet uns?

„Wir könnten während der Armeezeit heiraten“, sagte Jasper, „Vater hätte nichts dagegen, deine Mutter sicher auch nicht, und wenn schon.“

„Das eilt doch nicht. Du kannst auch so zu mir kommen.“ Anke blickte sich um. Da stand inmitten eines Kreises von Verwandten ein spitznasiger, pickliger Junge, umarmte Tanten und Onkel und ließ sich Geldscheine zustecken. „Fürs Erste, mein Junge. Ach Gott, der arme Kleine, weißt du noch, wie er das erste Mal aus dem Kinderwagen fiel …“

Anke lachte. „Der arme Kleine ist doch Timtje aus unserer alten Klasse! Der stellt es geschickt an.“

„Wie immer.“ Jasper möchte ihr in diesem Augenblick viel sagen, aber nun verwirren ihn die Menschen, er nimmt sie bewusst wahr. Die Zeiger der Bahnhofsuhr rutschen auf fünfzehn nach elf. In fünf Minuten ging der Zug. Er umarmte sie. Anke biss ihn in die Wange. „Schreib mir bald, ja?“ Schreiben ist ein Ersatz. Die letzten Sekunden reden, die Zeit totschlagen. Neben ihnen sagte der blonde Bursche: „Ach, meine Mutter, der ist das schnuppe, grüß die andern, Brigadier.“ Der Eisenbahner drückte ihm einen Umschlag in die Hand. „Von uns allen, zum Abschied, du kommst natürlich wieder zu uns, dein Platz bleibt dir …“

Der Lautsprecher quarrte eine Weisung. Die Spannung löste sich, gruppenweise gingen die jungen Männer auf den Tunnel zu und verschwanden in ihm. Anke sah noch einmal Jaspers große Gestalt neben dem blonden Franz, der einen bunt karierten Campingbeutel lässig über der Schulter trug, als wollte er mal für ein paar Tage zum Zelten fahren. Anke ging nicht mit. Sie blieb am Zaun stehen, der mit Metallplatten beplankt war, die in der Sonne glänzten. Anke war vier Jahre lang mit Jasper in eine Klasse gegangen, ihre Freundschaft war auch für die Lehrer selbstverständlich gewesen. Sie hatten im Frühsommer dieses Jahres das Abitur abgelegt und waren nach Ehlbachtal gefahren, um die letzten Schulferien zu zweit zu verbringen, auf dem Heuboden bei Bonte zu schlafen, noch warme Ziegenmilch zu trinken, sich müde zu laufen, im Waldbad auf der Wiese zu liegen. Wenn ich ihn wiedersehe, dachte sie, wird der erste Schnee gefallen sein, morgen ist schon November.“

Erstmals im Jahre 2000 veröffentlichte Jan Flieger im Arena Verlag Würzburg seine „Mutgeschichten“: Wie sieht eigentlich Mut aus? Wie fühlt er sich an? Und kann jeder mutig sein? Auf Fragen wie diese gibt der Schriftsteller Jan Flieger in seinen vier kleinen Geschichten sehr unterschiedliche, nachdenkliche Antworten.

Sicher ist, Mut hat auf keinen Fall immer mit Kraft und Größe zu tun. Oft ist etwas ganz anderes entscheidend. Und auch Kinder können sehr mutig sein. Hier eine der vier Mutgeschichten dieses Buches:

Gerettet!

Hinter der Schule ist der Park. Dort warten die anderen Kinder der Tiger-Bande auf Michi.

„Endlich kommst du!“, ruft Julia.

Alle mögen Michi.

Aber heute hat Michi Sebastian mitgebracht.

Den können die anderen nicht leiden.

Sebastian ist sehr still und außerdem der Klassenbeste.

„Der kann abschwirren“, sagt Niklas verächtlich. „Streber brauchen wir nicht in der Tiger-Bande“.

Niklas ist der Anführer der Tiger-Bande.

Er trainiert Judo im Sportverein.

Niklas kann sogar den dicken Olli aus der vierten Klasse ganz einfach über die Schulter werfen. Echt stark!

Michi schüttelt den Kopf. „Bist du vielleicht doof“, sagt er zu Niklas.

„Dann haut doch beide ab!“, ruft Niklas zornig.

Die anderen sagen nichts.

Michi zieht Sebastian fort. Sie gehen an den Fluss.

Ein Stück weiter unten am Ufer spielen zwei kleine Buben im Matsch.

Die Tiger-Bande kommt auch. Niklas, Julia, Philipp und die anderen. Sie setzen sich ans Ufer und werfen Steinchen ins Wasser. Niklas wirft am weitesten.

Ganz klar!

Michi und Sebastian bauen gerade einen Stausee, da hören sie plötzlich Geschrei. „Mama!“, brüllt einer der kleinen Buben. Er ist ins Wasser gefallen.

Der andere Junge steht am Ufer und heult.

Michi und Sebastian rennen schnell hin.

Jetzt haben auch die anderen Kinder gesehen, was los ist.

„Hilfe!“, schreit der Kleine und rudert wie verrückt mit den Armen.

Der schafft es nicht bis ans Ufer, denkt Michi erschrocken.

„Mensch“, schreit er, „einer muss ins Wasser!“

Keiner traut sich.

Alle schauen auf Niklas. Aber der scharrt auch nur mit den Füßen im Sand.

Da platscht es.

Sebastian ist gesprungen!

Er schwimmt, packt einen Stock und streckt dem Kleinen den Ast entgegen.

Der greift zu, aber seine Finger rutschen ab. Das nasse Holz ist einfach zu glatt.

Endlich!

Der kleine Junge hat den Stock erwischt.

Atemlos sehen die anderen, wie Sebastian ihn ans Ufer zieht.

Dann hocken die beiden nassen Jungen schnaufend im Sand.

„Das war ganz toll von dir, Sebastian“, sagt Julia.

Plötzlich fragt Philipp: „Wo ist denn Niklas?“

Alle sehen sich um.

Aber Niklas ist nicht mehr da.

Erstmals 1982 erschien im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig „Efeu pflücken. Historische Miniaturen“ von Jürgen Borchert: Efeu pflücken? Den Titel für seine historischen Miniaturen verdankt Jürgen Borchert der Gewohnheit eines Freundes, von Gräbern berühmter Menschen einen Efeuzweig zu pflücken, um sich so in seinem Garten eine immergrüne Autogrammsammlung anzulegen. Auch Borchert lässt Tote wieder lebendig werden.

Die Liste der Leute, denen wir in seinen historischen Miniaturen begegnen, ist lang. Dazu gehören Bahnmeister Wilhelm Hansen, der ein spanischer Grande war, und Ritter vom Goldenen Vließ und Ritter der Georgsbrüder und Träger des Roten Adlerordens erster Klasse, ebenso wie der Präsident der Prignitz und Bethke, der unfromme Pastor und der verschwundene Professor Fritz Wachenhusen sowie auch Johann Sebastian Bach – jedenfalls beinahe.

Außerdem ist von dem oft mit Wittenberg verwechselten Wittenberge die Rede, von den Türmen von Bautzen und nicht zuletzt von John Brinckman in Amerika.

Und hinterher ist man bestimmt nicht nur schlauer als zuvor, sondern auch im besten Sinne des Wortes amüsiert. Hier Erhellendes zu Brinckman, John Brinckman – und (bitte merken) richtig mit nur einem „n“ am Ende geschrieben sein Nachname:

Brinckman in Amerika. 1839

Nach Amerika! Nach Amerika!

Schiller. Kabale und Liebe

Am 10. September 1839 verlässt Brinckman seine Vaterstadt Rostock. Er ist 25 Jahre alt, ein aufgehörter Student der Rechte, im Geruche verbotener Bündelei stehend. Er besitzt aus seines Vaters Erblass 600 Taler. Er verfügt über das Abiturium der Großen Rostocker Stadtschule, hat neun Semester, aber kein Examen, spricht Schwedisch und Englisch, dichtet gelegentlich.

Ein Bild haben wir nicht. Eine Fotografie, dreißig Jahre später aufgenommen, zeigt einen schmalgesichtigen Mann mit hoher, freier Stirn; ein durchaus amerikanischer Seehundsschnauzbart hängt ihm gries über die Mundwinkel und verdeckt die tiefen Falten, die sich von der Nase abwärts zum Kinn ziehen. Die dünnen Haare trägt Brinckman von hinten nach vorn gekämmt; der Schädel wird haarloser gewesen sein, als die Frisur es erkennen lässt. Ein Anflug buschiger Favoris zwischen Ohr und Kinn. Der Hals wächst aus einem barbarischen Vatermörder, der von einer schwarzen Binde zusammengehalten wird. So wäre Brinckman das zutreffendste Modell eines mecklenburgischen Kleinstadtlehrers, wenn die Augen nicht wären. Welche Augen! Ein großer Blick, ein weiter Blick, ein Weitblick. Und die Brauen darüber sind kämpferisch gesträubt, hängen nun überhaupt nicht so traurig hernieder wie der buschige Bart, nein, sie sind dicht und kraus und widerborstig und geben dem Gesicht den Anflug von Witz, jenes kritische Air, dieses angriffslustig-plattdeutsche Plie, das uns aus seinem Meisterwerk, dem Roman „Kasper-Ohm un ick“, so geläufig ist. Ja, dat ’s Brinckman. Aber 1839?

Fünf Jahre zuvor zimmert die deutsche Reaktion in Wien die berüchtigte Bundeszentralkommission, setzt sie nach Frankfurt und anbefiehlt ihrer Kreatur die rücksichtslose Unterdrückung jedes freien Geistes. Von nun an fallen an den Universitäten die Professoren wie Purzelmännchen von ihren Kathedern, von nun an regiert über die deutsche Studentenschaft der reaktionäre Terror, man jagt Burschenschafter wie Enten, es ist gefährlich geworden, beim Kommers statt der üblichen Bierlieder Freiheitsgesänge anzustimmen, es ist lebensgefährlich, die schwarz-rot-goldenen Farben zu zeigen, es gilt als Todsünde, das Wort Freiheit überhaupt in den Mund zu nehmen. Diesem Spektakel der Macht fallen Männer wie Fritz Reuter und Wilhelm Wolff zum Opfer, die man von Festung zu Festung schleift, deren Willen man mit Gewalt zu brechen versucht.

Mecklenburg indessen schläft. Es wird noch Jahre brauchen, bis seine bürgerlichen Oppositionellen das Haupt und die Stimme erheben, bis sich aus der totalen Dumpfheit erste Glockentöne des Erwachens vernehmen lassen, bis Brinckman mithilfe der Raabeschen Jahrbücher seine neuen mecklenburgischen Lieder unter das Volk streut:

Du schliefst, Land Mecklenburg, in seiger Ruh
bisher den süßen Schlummer der Gerechten.
Und stoisch ernst, laut hörbar schnarchst du
gleich deinen besten, derbsten Ackerknechten.
Und wenn der Zeitsturm gell vorüberfuhr,
dann schnarchtest du ein wenig lauter nur.

Dies aber wird er erst 1848 schreiben, und wir schreiben noch das Jahr 1834. In jenem Jahr kommen, aus Greifswald in Pommern, aufwieglerische Studenten nach Rostock. Einer, Bührung, ein einstiger Stadtschulkamerad Brinckmans, ist der Anführer. Sie wollen sich mit den Rostocker Kommilitonen ins Benehmen setzen, wollen Unruhe und Bewegung auch an der altväterischen mecklenburgischen Landesuniversität stiften, wollen den Aufbruch zu neuen Ufern. Brinckman, dessen Freiheitsgefühl durch die Kindheit in einer Seemannsfamilie besonders geschärft ist, er, der ganz Bürger, Sohn einer schwedischen Mutter und eines Rostocker Kapitäns, ist, erträgt die landesherrliche und orthodox-kirchliche Bevormundung der Studenten ohnehin nur mit Mühe – er ist ganz Ohr. Das Wort „vorwärts“ ist seine liebste Vokabel. Steht nicht Blücher, Marschall Vorwärts, der Volksheld, in Erz vor der Universität?

Brinckman lädt die schwadronierenden Räsoneure zum Kaffee in das alte Kapitänshaus in der Koßfelder Straße; unter dem vielhundertjährigen, weiß gekalkten Giebel gärt jetzt die politische Schwärmerei, man berauscht sich, und sicher nicht nur an Freiheitsträumen, man zieht hinaus an die See.

Wir lagerten um die gefüllte Bowle.
Es zog die Nacht herauf, gewitterwarm.
Hoch brandeten die Fluten um die Mole.
Wir jubelten, im schwarz-rot-goldnen Band,
das „Rheinlied“ und das „Deutsche Vaterland“,
und Freiheit! war die göttliche Parole.

So verklärt Brinckman später die merkwürdige Stimmung. Hellhörig ist er aber doch, er hört mit zwei Ohren, mit dem einen auf die verheißungsvollen Töne Bührings und seiner Genossen, mit dem anderen auf die finsteren Lurengeräusche aus Frankfurt. Und ist er nicht frei? Ist er nicht der Kapitänssohn John Frederic Brinckman, der freie Rostocker Bürger? Und was gilt ihm Schwarzrotgold? Und der Rhein? Was soll ihm der Rhein? Hat er nicht die Warnow vor der Nase, gilt seine Sehnsucht nicht der freien See, der ewigen, die seinen Vater verschlang, wie es Rostocker Schifferschicksal ist und, wenn auch traurig, so doch ganz in Ordnung? Kann er nicht in Ruhe seine Studien absolvieren und dann seine Freiheit, seine eigene, gegen all die deutsche Unfreiheit setzen? Lohnt das Spiel mit dem Feuer?“

Wie man sieht, es lohnt sich, diese Historischen Miniaturen zu lesen. Die Lektüre ist aufschlussreich und unterhaltsam zugleich. Und man erfährt jede Menge über sehr verschiedene Persönlichkeiten aus der Geschichte Mecklenburgs – auch wenn es inzwischen schon einige Zeit her ist, da diese Texte geschrieben und das erste Mal veröffentlicht wurden. Das war immerhin schon 1982.

Aber auch die anderen vier Sonderangebote sind es wert, wieder angeschaut zu werden. Viel Vergnügen beim Lesen (und Erinnern) und bleiben auch Sie weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.

Ach, und haben Sie für dieses Jahr eigentlich auch gute Vorsätze gefasst? Wollten Sie im neuen Jahr nicht ein bisschen mutiger sein?

Und was die eingangs des Buches „Das Kreuz am Wege“ von Heinz Kruschel lobend erwähnte Dorsch angeht, die ihre Rolle mit Höchsthingabe gespielt habe, so handelt es sich dabei sehr wahrscheinlich um Käthe Dorsch, die übrigens dem damals jungen Theaterkritiker Wolfgang Harich wegen einer amüsant-boshaften Kritik eine berühmt gewordene Ohrfeige verpasst hatte. Das war allerdings schon Ende der 1940er Jahre im berühmten Berliner Künstlerklub „Möwe“ im Ostteil der Stadt passiert. Erich Kästner fand diese Methode in seiner Glosse „Erste Hilfe gegen Kritiker“ gar nicht mal so schlecht: „Man kann es wie in Berlin machen. Dort glaubte sich eine mit Recht gefeierte Schauspielerin von einem jungen Kritiker zu Unrecht verrissen, suchte ihn in seinem Stammlokal auf und verabreichte dem Erstaunten im Garderobenraum, wohin sie ihn rufen ließ, ein paar Ohrfeigen. Obwohl sie selber nachträglich von dieser Methode abgerückt ist – vor allem, weil er ihr, als sie davonrauschte, höflich die Tür aufhielt -, soll man sich nicht beirren lassen: Das Verfahren bleibt zu empfehlen. Es wird viel zu wenig gebackpfeift“, schrieb Kästner damals.

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