Innovationen bei Wasserstoffpatenten verlagern sich auf emissionsarme Technologien – Deutschland führend in Europa

  • Neuer EPA-IEA-Bericht ist umfassendste Studie über die weltweiten Trends in der Wasserstofftechnologie
  • Patente für Wasserstoffproduktionstechnologien verlagern sich massiv auf alternative, emissionsarme Methoden wie die Elektrolyse
  • EU (28 %) und Japan (24 %) führend bei wasserstoffbezogenen Patenten; Deutschland (11 %) europaweit Spitze
  • Europa erreicht einen Vorsprung bei den Produktionskapazitäten für Elektrolyseure; Deutschland ist mit zwei weltweit führenden Regionalclustern (München und Ruhrgebiet) vertreten
  • Bei Endanwendungen konzentrieren sich die Innovationen weiterhin auf die Automobilindustrie; andere Anwendungsbereiche, wie Fernverkehr, Stromerzeugung und Schwerindustrie bedürfen einer gezielten Weiterentwicklung
  • Linde, Siemens, Bosch und BASF unter den weltweit führenden Anmeldern

Deutschland ist bei Wasserstoffpatenten in Europa führend mit deutlichen Technologievorteilen bei Speicherung, Verteilung und Umwandlung sowie bei Endanwendungen. Dies ist ein Ergebnis einer neuen gemeinsamen Studie des Europäischen Patentamts (EPA) und der Internationalen Energieagentur (IEA) über Patente im Bereich Wasserstofftechnologien. Demnach verlagern sich die wasserstoffbezogenen Innovationen von traditionellen, kohlenstoffintensiven Verfahren hin zu emissionsarmen Lösungen, wobei die Europäische Union und Japan an der Spitze liegen und die Vereinigten Staaten an Boden verlieren.

Der Bericht nutzt globale Patentdaten und analysiert die weltweiten Trends bei Innovationen entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette. Die erste Studie dieser Art deckt das gesamte Spektrum an Wasserstofftechnologien ab, von der Wasserstoffversorgung über die Speicherung, Verteilung und Umwandlung bis hin zu den Endanwendungen.

Das Potenzial von Wasserstoff zu nutzen, ist ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Strategie zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050“, sagte EPA-Präsident António Campinos. „Jedoch sind noch dringend Innovationen bei einer Vielzahl von Technologien erforderlich, wenn Wasserstoff eine wichtige Rolle bei der Verringerung der CO2-Emissionen und der Bewältigung des Klimawandels spielen soll. Der Bericht zeigt, dass es über Länder und Industriesektoren hinweg ermutigende Verhaltensmuster hin zu einer Transformation gibt und Europa einen großen Beitrag auf dem Weg zu neuen Wasserstofftechnologien leistet. Außerdem wird der Beitrag von Start-ups bei Wasserstoffinnovationen hervorgehoben, die auf Patente vertrauen, um ihre Erfindungen auf den Markt zu bringen.“

Wasserstoff aus emissionsarmen Quellen kann eine wichtige Rolle beim Übergang zu sauberer Energie spielen und hat das Potenzial, fossile Brennstoffe in Branchen zu ersetzen, in denen es nur wenige saubere Alternativen gibt, wie z. B. im Fernverkehr und der Düngemittelproduktion “, sagte IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. „Diese Studie zeigt, dass die Innovatoren auf den Bedarf an wettbewerbsfähigen Wasserstoffversorgungsketten reagieren, aber sie zeigt auch Bereiche auf – insbesondere bei den Endverbrauchern -, in denen weitere Anstrengungen erforderlich sind. Wir werden weiterhin Regierungen dabei unterstützen, Innovationen für sichere, widerstandsfähige und nachhaltige saubere Energietechnologien voranzutreiben.“

Japan liegt weltweit vorn, Deutschland in Europa mit meisten Wasserstoffpatenten

Die Studie zeigt die wichtigsten Trends im Bereich der Wasserstofftechnologien von 2011 bis 2020, gemessen an den internationalen Patentfamilien (IPFs), von denen jede eine hochwertige Erfindung darstellt, für die Patentanmeldungen bei zwei oder mehr Patentämtern weltweit eingereicht wurden. Der Bericht macht deutlich, dass die EU-Staaten und Japan bei der Patentierung von Wasserstoff führend sind und 28 % bzw. 24 % aller in diesem Zeitraum eingereichten IPFs auf sich vereinen. Beide Regionen konnten in den letzten zehn Jahren ebenfalls ein erhebliches Wachstum vorweisen. Innerhalb der EU führt Deutschland (11 %) vor Frankreich (6 %) und den Niederlanden (3 %).

Dagegen verzeichnen die USA im selben Zeitraum mit 20 % aller wasserstoffbezogenen IPFs als einziges großes Spitzenanmelderland einen Rückgang bei den internationalen Wasserstoffpatentanmeldungen. Die internationale Patentaktivität im Bereich der Wasserstofftechnologien aus Südkorea und China bleibt auf einem niedrigeren Niveau, zeigt aber einen aufsteigenden Trend.

Innovationen für den Kampf gegen den Klimawandel

Die meisten Wasserstoffpatente insgesamt entfielen im Zeitraum 2011-2020 auf Technologien zur Wasserstofferzeugung. Zudem stellt der Bericht fest, dass in allen Segmenten der Wasserstoff-Wertschöpfungskette emissionsarme Innovationen mehr als doppelt so viele internationale Patentfamilien generierten als etablierte Technologien. Während die Wasserstoffproduktion derzeit nahezu ausschließlich auf fossilen Rohstoffen basiert, zeigen die Patentdaten eine massive Verlagerung hin zu alternativen, emissionsarmen Methoden und einen rasanten Innovationsschub im Elektrolysebereich. Auf Technologien, die dem Klimaschutz dienen sollen, entfielen im Jahr 2020 fast 80 % aller auf Wasserstofferzeugung bezogener IPFs, wobei das Wachstum vor allem auf einen starken Innovationsanstieg im Bereich der Elektrolyse zurückzuführen ist, in dem auch Deutschland seit 2011 kräftig zulegte. In der Bundesrepublik verzeichneten die klimarelevanten Wasserstofftechnologien eine jährliche Gesamtzuwachsrate von 4,2% (2011-2020) gegenüber einer Rate von 2,3 % für etablierte Wasserstofftechnologien. Die innovativsten Regionen konkurrieren nun um die erste Phase der industriellen Einführung, wobei die Daten darauf hindeuten, dass Europa als Standort für Investitionen in neue Produktionskapazitäten für Elektrolyseure an Vorsprung gewinnt. So sind die EU und andere europäische Länder sowohl in der Patentierung als auch in der Fertigung aktiv, besonders in Bezug auf SOEC-Technologien (Solid Oxide Electrolyser Cell) und liefern bedeutende Beiträge in Bezug auf PEM- and Alkali-Technologien.

Mit Blick auf Deutschland lässt sich neben rückläufigen Patentanmeldungen bei der Erzeugung von Wasserstoff aus Gas und anderen fossilen Brennstoffen und der zugleich starken Zunahme der Wasserstoffproduktion aus Elektrolyse insbesondere ein kräftiges Wachstum bei wasserstoffbezogenen IPF für Anwendungen in der Automobilindustrie sowie bei Speicher-, Verteilungs- und Umwandlungstechnologien wie der Speicherung von gasförmigem Wasserstoff und alternativen Kraftstoffen auf Wasserstoff-Basis beobachten.

Meiste Innovationen bei potenziellen Endanwendungen im Automobilsektor

Aus globaler Sicht ragt unter den vielen potenziellen Endanwendungen von Wasserstoff der Automobilsektor bei der Innovationstätigkeit heraus, wo Unternehmen insbesondere im Brennstoffzellen- und Elektrolysebereich aktiv werden. Eine ähnliche Dynamik ist bei anderen Endanwendungen indes noch nicht zu erkennen, obwohl Politik und Medien in den letzten Jahren das Potenzial von Wasserstoff bei der Dekarbonisierung des Fernverkehrs, des Luftverkehrs, der Stromerzeugung und des Heizens hervorgehoben haben. Dies gibt Anlass zur Sorge über die Netto-Null-Emissionszusagen der Länder, die, ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe in diesen Sektoren zu reduzieren, nicht erreicht werden können. Ein Lichtblick ist die Nutzung von Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion: Für diese ist in jüngster Zeit ein Anstieg der Patentanmeldungen zu beobachten – möglicherweise als Reaktion auf den Konsens nach dem Pariser Abkommen, dass der Sektor radikale Lösungen zur raschen Senkung der Emissionen benötigt. Ein Trend, der sich hoffentlich in den kommenden Jahren fortsetzen wird.

Deutschland mit zwei globalen Top 10 Regionalclustern für Wasserstoffinnovation

Mit München (403 IPFs) und dem Ruhrgebiet (351 IPFs) verfügt Deutschland über zwei der zehn weltweit führenden Regionalcluster für Wasserstofftechnologien. Damit spiegelt sich die exponierte Position des Landes in Europa wider, denn auf globaler Ebene gibt es nur ein weiteres europäisches Top 10 Cluster in Frankreich (Paris). Weitere deutsche Innovationstreiber sind Frankfurt (221 IPFs), Stuttgart (212 IPFs) und Nürnberg (187 IPFs).

Chemie- und Automobilunternehmen melden die meisten Wasserstoffpatente an; Linde, Siemens, Bosch und BASF führende Patentanmelder

Auf der Rangliste der wichtigsten Patentanmelder steht die europäische Chemieindustrie bei Innovationen in den etablierten Wasserstofftechnologien ganz oben. Die langjährige Erfahrung in diesem Sektor hat ihnen auch einen Vorsprung bei klimarelevanten Technologien wie Elektrolyse und Brennstoffzellen verschafft. Automobilunternehmen sind ebenfalls aktiv – nicht nur in der Fahrzeugtechnik. Dahinter rangieren Universitäten und öffentliche Forschungsinstitute, die 13% aller wasserstoffbezogenen internationalen Patente im Zeitraum 2011-2020 anmeldeten.

Unter den deutschen Top-Anmeldern befindet sich Linde auf dem weltweit zweiten Platz bei IPFs in etablierten Technologien mit dem Hauptfokus auf die Erzeugung von Wasserstoff sowie Speicher-, Verteilungs- und Umwandlungstechnologien (SDT). BASF befindet sich im Ranking der weltweit führenden Anmelder im Bereich etablierte Wasserstofftechnologien auf dem fünften Platz mit einer bedeutenden Stellung bei etablierten Produktions- und SDT-Technologien, aber auch bei klimaschutzmotivierten Technologien, darunter jene, die CO2-Emissionen der Wasserstoffproduktion aus fossilen Brennstoffen reduzieren (z.B. CO2-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung). Sowohl Siemens (Platz 6) als auch Bosch (Platz 11) belegen weltweite Spitzenpositionen, wenn es um Patente im Bereich klimamotivierte Wasserstofftechnologien geht, und verfügen über ein Portfolio mit Schwerpunkten bei grüner Wasserstofferzeugung und Endanwendungen, das sich auf Brennstoffzellen und Elektrolyseure fokussiert.

Wasserstoff-Start-ups mit Patenten locken Finanzmittel an; 17 deutsche Start-ups mit Wasserstoffpatenten

Die Studie zeigt auch, dass mehr als die Hälfte der 10 Mrd. USD an Risikokapitalinvestitionen in Wasserstoffunternehmen im Zeitraum 2011-2020 an Start-ups mit Patenten ging, obwohl diese weniger als ein Drittel aller Start-ups im Datensatz ausmachen. In Deutschland mobilisierten 17 Start-ups mit Patentaktivitäten im Wasserstoffbereich in diesem Zeitraum 278 Millionen EUR an Wagniskapital. Eine Patentanmeldung ist ein guter Indikator dafür, ob ein Start-up auch zukünftig Finanzmittel anzieht: Mehr als 80 % der Investitionen in der Endphase von Wasserstoff-Start-ups im Zeitraum 2011-2020 flossen an Unternehmen, die bereits ein Patent in Bereichen wie Elektrolyse, Brennstoffzellen oder emissionsarme Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff aus Gas angemeldet hatten. 

Über die Studie

Dies ist die dritte gemeinsame Studie des Europäischen Patentamts (EPA) und der Internationalen Energieagentur (IEA) und folgt auf frühere Berichte zu Innovationen bei Batterien und Stromspeicherung (September 2020) und saubereren Energien (April 2021). Der Bericht zeigt die wichtigsten Trends der Wasserstofftechnologien für den Zeitraum 2011-2020 auf, gemessen an den internationalen Patentfamilien (IPFs), die jeweils eine hochwertige Erfindung darstellen, für die bei zwei oder mehr Patentämtern weltweit Patentanmeldungen eingereicht wurden. Da Patentanmeldungen viele Monate oder sogar Jahre vor dem Erscheinen von Produkten auf dem Markt eingereicht werden, gelten sie oft als Frühindikator für künftige Technologietrends. Die Analyse zielte darauf ab, alle Technologien einzubeziehen, die von der IEA als potenzielle Beiträge zu einer Netto-Null-Emissionszukunft verfolgt werden.

Über die IEA

Die Internationale Energieagentur (IEA) steht im Mittelpunkt des globalen Energiedialogs und liefert maßgebliche Analysen, Daten, politische Empfehlungen und praktische Lösungen, um Ländern dabei zu helfen, eine sichere und nachhaltige Energiezukunft für alle zu schaffen. Die IEA setzt sich für eine Politik ein, die die Zuverlässigkeit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit von Energie zum Ziel hat, und dabei alle Brennstoffe und alle Technologien berücksichtigt. Die IEA unterstützt die Energiewende auf der ganzen Welt, um zur Erreichung globaler Nachhaltigkeitsziele beizutragen.

Über Europäisches Patentamt

Mit 6 300 Beschäftigten ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Sein Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder und Erfinderinnen hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Das EPA ist außerdem weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.

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