Strukturbrüche und ihre Folgen – was erwartet uns 2023

Corona, Geopolitik und Klimawandel haben die Märkte 2022 in Atem gehalten. Statistiker haben errechnet, dass das Jahr 2022 den Kapitalanlegern die größten Wohlstandsverluste seit 1796 bescherte. Naheliegender sind Vergleiche mit den Markteinbrüchen in den Jahren 2008, 2018 und 2020. Nach vorne schauend spielen De-Globalisierung, De-Karbonisierung und Demografie, das sogenannte DDD-Dilemma, als inflationär wirkende Strukturbrüche eine große Rolle:

Corona

Trotz der Null-Covid-Politik hat es China geschafft, dass sich die Lieferketten wieder nahezu normalisiert haben und die Häfen nahe voller Kapazität betrieben werden. Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch, sieht dies nicht uneingeschränkt positiv: „Während die Normalisierung der Lieferketten eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft ist, stellt das Erwachen des chinesischen Drachen durchaus eine Gefahr für die weitere Inflationsentwicklung dar.“ Diese war zuletzt bei Energie und Rohstoffen rückläufig – auch weil die chinesische Wirtschaft nah des Stillstands war. Ein neu entfachter Energie- und Rohstoffhunger könnte wieder zu Preiskapriolen an den Märkten führen und den Kampf gegen die Inflation im Westen weiter erschweren. „Nach Corona bleiben politisch wie betriebswirtschaftlich motivierte Anpassungen globaler Prozessketten – z. B. Verlagerung von „just-in-time“ zur „Lagerhaltung“ – inflationär wirkende Maßnahmen, die aber für einzelne Geschäftsmodelle enorme Potenziale schaffen“, weiß der Experte.

Geopolitik

Auch wenn an den Märkten ein gewisser Gewöhnungseffekt eingesetzt hat, haben die Konflikte USA-China, der Ukraine-Krieg, aber auch denkbare andere regionale Konflikte oder kritisch gestellte Systemfragen in weiten Teilen der Welt das Potenzial, jederzeit für Verwerfungen zu sorgen. Sicher ist: Die Welt hat unwiderruflich mit der Globalisierung strukturell gebrochen und den Pfad der De-Globalisierung betreten. „Zwar wird ein Re-Shoring oder Friend-Shoring wirtschaftlicher Aktivitäten die heimische Volkswirtschaft unterstützen, grundsätzlich aber die wirtschaftliche Produktivität senken und somit inflationär wirken“, befürchtet Böckelmann. Und weiter: „Ferner haben die jüngsten Krisen den Schwachpunkt westlicher Demokratien offengelegt. Diese sind zwar vielfach führend bei Innovationen und industriellen Prozessen, die dafür benötigten Rohstoffe liegen aber oftmals in autokratischen Staaten. Diese zu ersetzen ist oft technisch nicht möglich oder wird durch Auflagen des Klimaschutzes verhindert. Aktuell ist nicht abzusehen, wie man dem daraus entstehenden inflationären Druck begegnen will – man blickt auf fast ein Jahrzehnt politisch motivierter eigener Unterinvestition in diesen Bereichen.“

Klimawandel

Der Klimawandel ist Fakt und stellt eine der größten Herausforderungen dar. „Europa begeht jedoch einen Fehler, diesem nicht mit einem gehörigen Maß an Pragmatismus zu begegnen, sondern vor allem moralisch und ideologisch. Wenn man aktuelle Maßnahmen betrachtet kommt man zum Ergebnis, dass Europa vor lauter Krisenmanagement die Zukunft aus den Augen verloren hat“, so der Fondsmanager. Die Art und Weise der De-Karbonisierung in Europa bedeute neben fehlender Energieversorgungssicherheit vor allem die Gefährdung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen bis hin zur De-Industrialisierung. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland gefährde laut Böckelmann nicht nur den eigenen Wohlstand, sondern wirke sogar global klimaschädlich: „Die Länder Schweiz, Schweden, Frankreich, Großbritannien und Deutschland haben in dieser Reihenfolge den weltweit niedrigsten CO2-Ausstoß je gefertigter Produktionseinheit. Jede Produktionsverlagerung außerhalb dieser Länder bedeutet geringere Effizienz und somit mehr Belastung für das Klima. Ohne Umdenken bleiben am Ende Wohlstandsverlust und vor allem eine strukturell höhere Inflation, die sog. Grüne Inflation aufgrund gestiegener Kosten bei sinkender Produktivität.“

Inflation und Zinsen – Blick auf 2023

Die weitere Inflationsentwicklung sowie die Veränderung der Zinssätze dürften auch zu Beginn 2023 das vorherrschende Thema an den Finanzmärkten bleiben. Böckelmann geht davon aus, dass erst im Jahresverlauf die Daten zur realwirtschaftlichen Entwicklung an Dominanz gewinnen werden. „Das Gute vorweg – der Zins lebt und kann damit wieder seine wichtigen volkswirtschaftlichen Funktionen wahrnehmen, die zuletzt durch Eingriffe der Notenbanken verklärt wurden“, so Böckelmann. Besonders nennenswert sei die Funktion des Zinses als Preisinformation für Risiken und als Bindeglied zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Wertberechnungen. Grundsätzlich sei eine Normalisierung der internationalen Geldpolitik und somit Rückkehr zur klassischen Geld- und Zinstheorie zu begrüßen. „Dennoch dürfen die negativen Auswirkungen des Geldentzugs nicht unterschätzt werden. Denn dieser wirkt nicht nur dämpfend auf Inflation, sondern auch abschwächend auf Konjunktur, erschwerend für die Staatenverschuldung und obendrein risikoreich für die Finanzstabilität“, warnt der Experte.

Die Notenbanken dürften im Jahresverlauf zunächst an ihrem Pfad der angekündigten Zinsanhebungen festhalten, wenn auch etwas moderater. „Fraglich bleibt, ob und wann wir 2023 wieder Zinssenkungen erleben werden. Je nach Rückgang temporär bedingter Inflation und der Höhe des hartnäckigen neuen Inflationssockels, je nach Einbruch der weltwirtschaftlichen Aktivität mit negativen Wirkungen auf soziales Gefüge und Finanzstabilität ist dies für die zweite Jahreshälfte 2023 nicht ausgeschlossen“, glaubt Böckelmann.

Die globalen Anleihenmärkte preisen eine derartige Entwicklung bereits ein – die Zinsstrukturkurve ist invers, d. h. Zinsen für kurze Laufzeiten sind höher als für lange Laufzeiten. Dieses Phänomen entsteht, wenn der Markt mit einer Rezession und in der Folge wieder Zinssenkungen rechnet. „Die globalen Aktienmärkte nehmen eine völlig andere Perspektive ein. Hier erhofft man sich zwar auch Zinssenkungen, die Gefahr einer Rezession wird aber bislang ignoriert“, sagt der Fondsmanager.

Die Post-Corona-Welt, Inflation und Zinsanstiege, aber auch die Geopolitik haben Anpassungsprozesse wie disruptive Prozesse in der Unternehmenswelt freigesetzt, die es schwer machen, pauschal Aussagen oder Prognosen zu Regionen oder Sektoren zu treffen. Böckelmann ist sich sicher: „Eine zukünftige Gewinner- oder Verliererrolle folgt weniger einer regionalen oder sektoralen Logik, sondern allein dem Erfolg oder Misserfolg des Geschäftsmodells direkt auf Unternehmensebene. Daher wird das Jahr 2023 ein Stockpicker-Jahr: Es wird wesentlich auf die Selektion der Titel ankommen, die sich als besonders anpassungsfähig und innovativ erweisen.“

Böckelmann geht davon aus, dass uns auch 2023 die Fokussierung auf jedes Wort der Notenbanker weiter begleiten und für Marktvolatilität sorgen wird. „Spannend für die Entwicklung der Anlageklassen bleibt ferner die Frage, ob die globale und regionale Fiskal- und Wirtschaftspolitik in der Lage sein wird für positives Marktvertrauen zu sorgen, also die über Jahrzehnte hinweg liquiditätsorientierte Geldpolitik als Markttreiber und Krisenpuffer zu ersetzen“, so Böckelmann abschließend.

Erfahren Sie mehr im Finanzpodcast mit Thomas Böckelmann.

Über die Vermögensmanagement EuroSwitch! GmbH

Die Vermögensmanagement Euroswitch verwaltet traditionelle und alternative Investmentstrategien. Sie bietet diese Strategien in Form von standardisierten und individuellen Managed-Accounts für das gesamte Kapitalmarktspektrum – von Absolute Return über nachhaltige Kapitalanlagen bis hin zur reinen Chancenorientierung. Darüber hinaus werden für das breite Publikum vier Dachfonds in abgestuften Varianten von sehr risikoarm bis hin zur reinen Aktienanlage geboten. Gegenwärtig verwaltet die Gesellschaft 150 Millionen Euro. Die Vermögensmanagement Euroswitch ist als „Finanzportfolioverwalter“ gemäß §15 WpIG von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassen und beaufsichtigt.

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