„Lass niemals eine gute Krise ungenutzt verstreichen!“

Die International Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) wurde vor einem Jahrzehnt geschaffen. Man erkannte nämlich, dass „die Gefahr des Verlustes der Biodiversität für die Stabilität und den Wohlstand der Menschheit wahrscheinlich größer ist als der globale Klimawandel“. Aus den jüngsten Berichten der Organisation geht hervor, dass sich der Naturzerfall in den letzten fünf Jahrzehnten exponentiell beschleunigt hat und dass der Mensch durch die Nutzung von Ökosystemleistungen und den Klimawandel die Hauptursache dafür ist.

Mehr als die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung – 44 Mrd. US-Dollar an wirtschaftlicher Wertschöpfung (Weltwirtschaftsforum) – ist in geringem oder hohem Maße abhängig von der Natur. Eine große biologische Vielfalt ist für viele Lebensbereiche notwendig, unter anderem für die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Energie, Wasser und Gesundheit. Gleichzeitig besteht weltweit eine Finanzierungslücke für den Erhalt der Biodiversität in Höhe von mehr als 800 Millionen US-Dollar pro Jahr. Die Finanzindustrie kann durch Kapitalallokation und Stewardship eine Schlüsselrolle spielen.

2022 ist ein wegweisendes Jahr für kombinierte Natur- und Klimaschutzmaßnahmen. Die UN-Klimakonferenz 2022 – COP27 – endete im November mit dem Aufruf der Staats- und Regierungschefs zu einem „Pariser Moment“ für die Natur. Nach Ansicht der Politiker und Experten bedarf es jetzt gemeinsamer Anstrengungen von Regierungen und Unternehmen, um den Klimawandel und den Verlust der Artenvielfalt gleichzeitig zu bekämpfen. Die zweite UN-Biodiversitätskonferenz (COP15) findet vom 7. bis 19. Dezember in Montreal, Kanada, statt – nachdem sie über zwei Jahre lang verschoben wurde. Sie wird hoffentlich für mehr Klarheit über einen globalen Rahmen für den Umgang mit dem Artenverlust sorgen. Die europäischen und französischen Vorschriften zu SFDR und Taxonomie erfordern, dass wir unsere naturrelevanten Risiken und Auswirkungen überwachen und darüber berichten. Außerdem werden Vermögensverwalter weltweit von ihren Kunden zunehmend zu naturrelevanten Risiken und Chancen befragt. Angesichts des weltweiten Rückgangs der Biodiversität müssen wir als Investor die traditionelle Ökonomie überdenken und das aufkommende Konzept des Naturkapitals in unsere Investmentprozesse und -strategien einbeziehen.

Die Entwicklung einer Naturkapital-Strategie war für La Française Asset Management (AM) 2022 eine Priorität. Wir sind uns der globalen Notsituation bewusst und wissen, abgesehen von den Berichtspflichten, um die finanziellen Risiken und Chancen, die sich aus den sich ändernden politischen Entwicklungen (z. B. EU-Biodiversitätsstrategie 2030) und der verstärkten Kontrolle der Natur und des Finanzsektors (z. B. Dasgupta Review) ergeben. In unserem Emittentenuniversum sehen wir vor allem zwei Arten von Anlagemöglichkeiten: „Transitioners“ mit starken Abhängigkeiten und/oder starken negativen Auswirkungen auf die Natur, aber der finanziellen Fähigkeit und strategischen Bereitschaft, diese zu mindern, und „Enablers“ mit Lösungen, die durch sie selbst oder die Hilfe anderer Unternehmen bei der Bewältigung/Verringerung ihrer Risiken positive Auswirkungen auf die Natur haben können.

Wir haben ein eigenes „Naturkapital-Dreieck“ entwickelt, das die vielschichtige Dimension unserer Naturkapital-Strategie aufzeigt: Es verbindet Abhängigkeiten mit Ökosystemen, negative Auswirkungen mit Antriebsfaktoren und positive Auswirkungen mit den UN-SDGs. Diese Konzepte stimmen wir mit unserem übergreifenden Ansatz für nachhaltiges Investment-Research ab, der quantitative und qualitative Bewertungen sowie Stewardship umfasst. Eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung dieser Strategie waren die fehlenden globalen Standards für den Bewertungsrahmen und die zu verwendenden Daten/Metriken. Wir haben uns dieser Problematik gestellt, indem wir einen mehrschichtigen Ansatz gewählt haben, bei dem wir mehrere Datensätze wie ENCORE und CDP verwenden und die TNFD-Empfehlungen in unsere qualitative Bewertungsmethodik einbeziehen.

Nicht zuletzt ist Stewardship ein wichtiger Bestandteil unseres Nachhaltigkeitsansatzes. Wir sind aktive Mitglieder des TNFD-Forums, der Finance for Biodiversity Foundation und der FAIRR-Initiative. Außerdem sind wir Mitglied der Nature Action 100 – einer Gruppe, die sich gemeinsam für die Natur einsetzt – und die im Dezember 2022 gegründet wird. Diese Organisationen bieten uns eine Plattform, um bei der Bewältigung der Naturkrise sowohl Unternehmen als auch politische Entscheidungsträger zu erreichen: durch Wissensaustausch und gemeinsame Aktionen.

Die COP15, bei der Natural Capital im Mittelpunkt steht, ist die perfekte Gelegenheit für die Investmentbranche, den Wandel für unsere Kunden, die Unternehmen, in die wir investieren, und den Planeten voranzutreiben. Für die Natur wie für das Klima müssen wir unser Bestes geben und nichts unversucht lassen. Wie schon Churchill nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Gründung der Vereinten Nationen sagte: „Lass niemals eine gute Krise ungenutzt verstreichen!“

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