2023 muss das Jahr der Umsetzungen werden

In seinem ersten Jahr als Agrarminister hatte Cem Özdemir gleich einige besonders große Brocken vor der Brust: Nationale Umsetzung der GAP, Haltungskennzeichnung und Umbau der Tierhaltung – und das alles wurde nochmals überstrahlt von den Auswirkungen des russischen Krieges gegen die Ukraine auf die Land- und Lebensmittelwirtschaft. Der Landwirtschaftsminister war viel unterwegs, zeigte sich lernfähig im für ihn neuen Bereich und setzte wichtige Zeichen für den Ökolandbau: „Das Ziel von 30 Prozent Biofläche bis 2030 ist im besten Sinne ambitioniert – und dass Özdemir den Ökolandbau zum Leitbild der Landwirtschaft ausgerufen hat, besitzt Signalwirkung“, kommentiert Bioland-Präsident Jan Plagge. Auch das Vorhaben zum Umbau der Tierhaltung mit neuer, verpflichtender Kennzeichnung und separater Bio-Stufe ist vielversprechend.

„Nach diesem Eingewöhnungsjahr mit den vielen Ankündigungen und Anstößen, muss der Agrarminister jetzt liefern. 2023 muss das Jahr der Umsetzungen werden – wir stehen dafür bereit, dabei zu unterstützen“, unterstreicht Plagge. „Die aktuell noch vielen Unklarheiten bei vielen der Vorhaben des Agrarministers müssen dafür aufgelöst werden.“

Dass der Landwirtschafts- und Ernährungssektor eine echte Transformation braucht, verdeutlichen zwei Zahlen aus dem Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft: Demnach produziert der Sektor Umweltfolgekosten in Höhe von 90 Mrd. Euro pro Jahr. Er trägt aber nur mit 25 Mrd. Euro zur Bruttowertschöpfung Deutschlands bei. Vor diesem Hintergrund ist das von Özdemir ausgerufene Ziel von 30 Prozent Bio bis 2030 auch volkswirtschaftlich von Bedeutung: Denn Bio-Betriebe arbeiten naturnah, in engen Kreisläufen und mit Rücksicht auf Klima und Umwelt. „Das bedeutet: Der Ökolandbau ist die volkswirtschaftlich günstigere Form der Landwirtschaft. Das 30-Prozent-Ziel von Özdemir trägt dem Rechnung“, so Plagge.

Für 30 Prozent Bio bis 2030 müssen aber noch deutlich mehr GAP-Fördermittel in den Ökolandbau fließen. Die ersten Entwürfe zum Nationalen Strategieplan der GAP lasen sich wenig Bio-freundlich. „Trotz weniger Nachbesserungen trägt diese GAP-Umsetzung in der jetzigen Form nicht zur dringend notwendigen Transformation der Landwirtschaft bei“, so Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik und Kommunikation bei Bioland.

Auch in vielen anderen Bereichen wartet 2023 Arbeit auf den Agrarminister: Für die Bio-Ziele muss der große Hebel von Bio im Außer-Haus-Markt genutzt werden – etwa durch eine Einführung fester Bio-Quoten in öffentlichen Mensen und Kantinen. Und beim Umbau der Tierhaltung ist die Finanzierungsfrage noch nicht geklärt. „Lediglich eine Milliarde steht als Anschubfinanzierung bislang bereit. Die Transformation der Tierhaltung wird aber ein Vielfaches davon benötigen“, unterstreicht Gerald Wehde. „Solange die Finanzierung nicht auch langfristig geklärt ist, gibt es hier keine Klarheit für die Landwirt*innen. Die Blockadehaltung der FDP in dieser Sache ist ein echtes Problem für den gesamten Umbau.“ So wird es für den Agrarminister 2023 nicht nur ums Umsetzen, sondern in einigen Fällen auch ums Durchsetzen gehen.

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