EU nimmt Kampf gegen Fake News und Hassrede auf

Das Europäische Parlament hat im Juli dieses Jahres mit großer Mehrheit zwei Gesetze verabschiedet, die eine strengere Überwachung und mehr Verbraucherschutz im Internet gewährleisten sollen. Das Gesetzespaket zielt darauf ab, Betreiber großer Online-Marktplätze und soziale Netzwerke stärker in die Verantwortung zu nehmen, illegale Inhalte konsequenter zu bekämpfen sowie faire digitale Märkte durch freieren Wettbewerb zu gewährleisten. Digitale Dienste spielen sowohl in der Wirtschaft als auch in unserem gesellschaftlichen Leben eine immer wichtigere Rolle. Während sich diese Dienste positiv auf die Art und Weise auswirken, wie wir uns vernetzen, kommunizieren, konsumieren und Geschäfte abwickeln, bringen sie jedoch auch neue Herausforderungen mit sich.

Das Gesetzespaket für digitale Dienste umfasst das Gesetz für digitale Märkte (DMA) und das Gesetz für digitale Dienste (DSA). Die Hauptzielgruppe dieser neuen Gesetzgebung sind die einflussreichsten Tech-Firmen – so genannte „Gatekeeper“. Die Vorschriften gelten für alle Gatekeeper, die ihre Dienste innerhalb der EU anbieten, unabhängig davon, wo auf der Welt sie ihren Sitz haben. Indem es diese mächtigen Unternehmen in die Schranken weist, dürfte das Paket Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit fördern und kleineren Unternehmen und Start-ups helfen, mit den ganz großen Akteuren zu konkurrieren.

Das Paket wird sich auf viele Arten von Online-Unternehmen auswirken: Internet-Diensteanbieter, Domain-Namen-Register, Hosting-Dienste und E-Commerce-Dienste, einschließlich Reise- und Unterkunftsplattformen und Online-Marktplätze, die als Verbindung zwischen Käufern und Verkäufern dienen. Die womöglich intensivste Debatte wird jedoch um die Auswirkungen des Pakets auf App-Stores – mit weitreichenden Folgen für den Wettbewerb – sowie auf Suchmaschinen und Social-Media-Plattformen geführt. Schließlich entfalten Fehlinformationen und illegale Inhalte hier die größte Wirkung und geben regelmäßig Anlass zu größerer Sorge.

Das DMA ergänzt das Wettbewerbsrecht und begrenzt die Macht marktbeherrschender Digitalkonzerne. Für zentrale Online-Plattformen wie Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Online-Vermittlungsdienste gelten dann strengere Regeln. Sie dürfen zum Beispiel ihre eigenen Angebote im Ranking nicht mehr bevorzugen. Bislang gab es vergleichbare Regelungen nur in Deutschland mit dem GWB-Digitalisierungsgesetz, das 2021 in Kraft trat. Damit hat sich Europa auf die weltweit strengsten Regeln für mehr Wettbewerb und Fairness unter den großen digitalen Playern geeinigt. Die großen Plattformunternehmen werden klaren und harten Regeln unterworfen und können nicht mehr einseitig die Spielregeln bestimmen. Das DSA wird den Umgang mit Hassreden und illegalen Inhalten – einschließlich terroristischer Propaganda oder Angeboten zum Verkauf gefälschter Waren – auf digitalen Plattformen regeln. Gleichzeitig soll die Dominanz von marktbeherrschenden Unternehmen wie Apple, Amazon, Facebook und Google eingedämmt und ein fairer Wettbewerb sichergestellt werden.

WhatsApp muss auch Nachrichten anderer Dienste zulassen

Das DSA weist den Plattformen mehr Verantwortung zu und soll dafür sorgen, dass Inhalte, die gegen die Regeln verstoßen, schneller aus dem Netz verschwinden. In Verbindung mit dem DMA verbietet der DSA den großen Tech-Unternehmen, Daten aus verschiedenen Quellen ohne ausdrückliche Zustimmung der Nutzer zusammenzuführen. Große Messenger-Dienste wie WhatsApp und iMessage müssen sich in Zukunft auch für den Empfang von Nachrichten aus anderen Apps öffnen. Ein großes Problem ist der Handel mit illegalen Waren, Dienstleistungen und Inhalten im Internet. Eine weitere Problematik ist die manipulative Nutzung intransparenter Algorithmen, die dazu neigen, spalterischen und schädliche Arten von Fehlinformationen besonders zu verstärken. Die Wirkungsweise und -stärke solcher Mechanismen waren etwa bei Anti-Impfstoffkampagnen, den Debatten um den Klimawandel sowie anhand einer generell zunehmenden politischen Polarisierung zu beobachten. Und mit Blick auf den Wertpapierhandel ist die unregulierte Verbreitung ungesicherter Informationen eine reale Gefahr für die Privatanleger, die versuchen, möglichst gut informierte Anlageentscheidungen zu treffen. Die bestehenden EU-Vorschriften tragen dazu bei, einige dieser Probleme zu lösen. Aber es bleiben erhebliche Lücken und ein paar blinde Flecken. Die derzeitige Situation hat dazu geführt, dass eine kleine Anzahl von Gatekeepern in der Lage ist, de facto die Entscheidungsgewalt über die digitalen Märkte auszuüben. Dies führt mitunter zu unfairen Handelsbedingungen für solche Unternehmen, die diese Plattformen nutzen und zugleich zu weniger Auswahl für die Verbraucher.

Das DSA führt Verpflichtungen zu Transparenz, zur besseren Vorbereitung der Nutzer, zum Risikomanagement und zur Zusammenarbeit innerhalb der Branche ein. Die Interoperabilitätsregel wird beispielsweise Messenger-Dienste wie WhatsApp dazu zwingen, auch Nachrichten von anderen Anwendungen zu empfangen. Stellen Sie sich vor, Sie wollen die Plattform eines großen Anbieters verlassen, aus welchen Gründen auch immer. Derzeit bedeutet dies, dass Sie von der Gemeinschaft innerhalb dieser Plattform abgeschnitten werden. Künftig können Sie eine Plattform verlassen und gleichzeitig Ihre Kontakte auf dieser Plattform behalten. Dies ist nicht nur ein großer Vorteil für die Nutzer, sondern wird auch den Wettbewerb fördern: Die Nutzer werden zu Anbietern wechseln können, die ein höheres Schutzniveau oder bessere Funktionen bieten.

Auch geschäftliche Nutzer müssen Zugang zu ihren Daten auf der Plattform des Gatekeepers haben. Gemäß DMA wird es für große Unternehmen künftig nicht mehr möglich sein, ihre eigenen Dienste oder Produkte besser zu bewerten als die ihrer Konkurrenten. Darüber hinaus können Nutzer nicht mehr daran gehindert werden, vorinstallierte Software oder Apps einfach zu deinstallieren oder Anwendungen und App-Stores von Drittanbietern zu nutzen. Eine wichtige Neuerung ist ebenso, dass Gatekeeper personenbezogene Daten nicht mehr für gezielte Werbung verwenden dürfen, es sei denn, der Nutzer hat dem ausdrücklich zugestimmt.

Das DSA führt eine „Notice & Action“-Regelung ein, nach der Hosting-Diensteanbieter einen elektronischen Meldemechanismus unterhalten müssen, der die einfache Meldung von z. B. mutmaßlich illegalen Inhalten ermöglicht. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich dies in der Praxis entwickelt, aber die Diensteanbieter müssen Meldungen ohne unangemessene Verzögerung bearbeiten und Inhalte, bei denen ein Verstoß festgestellt wurde, schnell entfernen. Sie müssen die betroffenen Nutzer benachrichtigen und jede Entscheidung zur Einschränkung oder Entfernung von Inhalten förmlich begründen. Die Betreiber von Online-Plattformen werden unter anderem mit so genannten „Trusted Flaggers“ zusammenarbeiten. Bei diesen handelt es sich um Personen oder Einrichtungen, die über besondere Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Bekämpfung illegaler Online-Inhalte verfügen. Wenn Anbieter Meldungen von vertrauenswürdigen Gatekeepern erhalten, müssen diese vorrangig bearbeitet und entschieden werden.

Wie bereits erwähnt, gilt das Gesetzespaket für alle Plattformen, die ihre Dienste innerhalb der Europäischen Union anbieten, unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben. Tech-Giganten wie Amazon, Meta oder Google haben ihren Hauptsitz allesamt in den USA, während auch in China ansässige Unternehmen wie ByteDance immer mehr an Einfluss gewinnen. Viele Technologieunternehmen lassen sich darüber hinaus in Gebieten nieder, die ihnen steuerliche und regulatorische Erleichterungen bieten. Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass dieser wettbewerbsrechtliche und ordnungspolitische Eingriff der EU in die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen Anlass für eine Reihe von internationalen Handelsauseinandersetzungen sein könnte. Allerdings scheint auch in den anderen großen Wirtschaftsräumen der Welt ein wachsender Konsens darüber zu bestehen, dass der Handlungsrahmen der Gatekeeper stärker reguliert werden muss.

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